"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Gerade im Untergrund hinterließen Kamp und Whizz Vienna eine große Lücke, als beide nach "Versager ohne Zukunft" fast komplett von der Bildfläche verschwanden. So war auch für mich die Ankündigung des Albums "2urück 0hne 2ukunft" von Kamp, dieses Mal mit Fid Mella, die beste Nachricht des noch jungen Jahres. Und obwohl ich über das komplette Release schreiben könnte, würde eine Plattenkiste ebendiesem nicht gerecht werden. Deshalb geht es hier nur um einen besonders herzzerreißenden Song: "Leuchtende Tage".
Es handelt sich um den wohl persönlichsten und emotionalsten Track des Albums. Über zwei Minuten hinweg schildert er darauf den Tod seiner Mutter. Dabei steigt Kamp direkt damit ein, dass sich das Verarbeiten anfühlt, "als wäre es eine Herzpunktur". Nachfolgend beschreibt der Österreicher sehr unverblümt, wie er einen letzten Anruf seiner Mutter aus Australien bekam, wer ihm von ihrem Tod erzählt hat und wie er das Ganze verarbeitet hat. Oft werden solche Abschiedssongs komplett kitschig, aber hier spüre ich jedes Mal, wie viel Herzblut und Schmerz in diesen Track geflossen ist. Kamp rappt ruhig darüber, wie er sich an seine Mutter und die Zeit mit ihr erinnert, wie er versucht, all das im Alkohol zu ertränken. Und doch spürt man seinen Schmerz spätestens am Ende beider Parts, wenn er etwa langsam vorträgt: "Und das bringt mich um." Auch Fid Mella zeigt hier sein Feingespür dafür, die richtige Stimmung einzufangen. Der Produzent hat für den Beat einen Lieblingssong von Kamps Mutter gesamplet und lässt ihn sehr melancholisch aber nicht drückend deprimierend klingen. Die Vocals im Hintergrund sowie die Gitarre schaffen stattdessen fast schon hoffnungsvolle Vibes. So, als ob es ein Ende der Traurigkeit geben könnte.
Kamp & Fid Mella haben mit "Leuchtende Tage" einen Track produziert, der mich wie kaum ein anderer trifft. Obwohl ich diesen Schmerz nicht selbst erlebt habe, kann ich ihn bei jedem Hören spüren und nachvollziehen. Es ist ein Nachtrauern ohne Pathos. Eine ehrliche Verarbeitung von Trauer, die ihresgleichen sucht.
(Lukas Päckert)