"Man sagt, Tränen sind das Blut der Seele und fünf von zehn Polizisten sind Hurensöhne." – Diese Zeile von Haftbefehl aus dem Song "CopKKKilla" zeigt die Haltung vieler Rapper:innen zum Thema Polizei. Denn Wut auf Polizist:innen ist seit jeher ein omnipräsentes Thema in der HipHop-Szene und vielen Teilen der Gesellschaft. Dass diese Wut nicht von ungefähr kommt, zeigen die unzähligen Fälle von Polizeigewalt allein in Deutschland. In den letzten Wochen wurden hier vier Menschen von der Polizei getötet. Ein Fehler im System, denn eigentlich ist die Aufgabe dieser Institution, Bürger:innen zu schützen. Dennoch fehlt in Deutschland eine unabhängige Instanz, um Polizeigewalt aufzuklären und aufzuarbeiten. Dass das kein neues Problem darstellt, zeigt etwa der bereits 1995 erschienene Song "Geh zur Polizei" von Boulevard Bou, auf dem er rappt: "Polizei ist weder mein Helfer, noch ist sie mein Freund. Sie kontrolliert, doch wer kontrolliert die Polizei in dieser Demokratie?" Abgesehen von der in einigen Bundesländern bestehenden Kennzeichnungspflicht von Polizist:innen zu deren Identifizierung hat sich seitdem wenig getan. Das spiegelt sich auch in der Lebensrealität vieler Menschen. Diese umfasst eben nicht Kinder, die unbeschwert im Garten Räuber und Gendarm spielen, sondern Jugendliche, die vor dem eigenen Fenster von der Polizei verprügelt werden. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass das Thema so oft Einzug in die Musik hält. Auch Ilhan44 hat in Berlin-Neukölln genau solche Situationen miterlebt, die ihn geprägt haben. Diese Eindrücke sowie viele andere persönliche Erfahrungen mit der Polizei verarbeitet er unter anderem auf seiner EP "110". Im Interview haben wir darüber gesprochen, ob er Gewalt gegen die Polizei gerechtfertigt findet, ob Deutschland ein strukturelles Problem mit der Exekutive hat und was man gegen Racial Profiling unternehmen könnte.
MZEE.com: Das Cover deiner EP "110" zeigt einen Schweineschädel mit einer Polizistenmütze, der von einem Messer durchdrungen wird. Songs über Polizeigewalt sowie Wut über diese sind fester Bestandteil deiner Musik. Wann hattest du das erste Mal in deinem Leben damit Kontakt?
Ilhan44: Da müsste ich ungefähr sieben gewesen sein. Das ist eine der Kindheitserinnerungen, die ich im Kopf behalten habe. Ich kann mich noch haargenau daran erinnern, wie vor meinem Fenster Jugendliche zusammengeknüppelt wurden. Danach wurden sie in ein Auto gezerrt und mitgenommen. In meinen Kinderaugen hat es sich als eine Schlägerei und eine Entführung eingeprägt. Erst später ist mir dann klar geworden, dass das ein Polizeieinsatz war. In der Schule wurde immer erzählt, dass das deine Freunde und Helfer sind. Es gab genug Situationen, in denen sie das nicht waren. Ich habe auch oft meinen Vater mit Cops kämpfen sehen, als ich in dem Alter war, deswegen bin ich, wie ich bin.
MZEE.com: In welchen Situationen in deinem Leben fühlst du dich der Macht der Polizei am meisten ausgesetzt?
Ilhan44: Das ist eine saugute Frage, weil ich mich in meinem bisherigen Leben sehr geschickt darum winden konnte, Polizeigewalt zu erfahren. Ich habe tatsächlich sehr selten auf die Fresse bekommen von Polizisten. (lacht)
MZEE.com: Hast du unangenehme Situationen erlebt, die vielleicht nicht mit Gewalt einhergingen?
Ilhan44: Jede Interaktion ist irgendwie unangenehm. Selbst wenn die Beamten und Beamtinnen nett sind und versuchen, sich zu benehmen. Es ist nicht das Zwischenmenschliche oder dass sie grundsätzlich Arschlöcher zu mir sind, es geht ein bisschen tiefer als der direkte Kontakt mit ihnen, weißt du? Es ist nicht unangenehm, weil sie immer unhöflich wären – obwohl sie es sehr oft sind. Es ist unangenehm, weil sie Cops sind. Diese Menschen haben eine Entscheidung getroffen in ihrem Leben durch ihre Uniform. Durch ihren Berufswunsch bekomme ich ein bestimmtes Menschenbild von ihnen und das macht es unangenehm.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass man bestimmte Charaktereigenschaften haben muss, um zur Polizei gehen zu wollen?
Ilhan44: Man muss charakterschwach sein, um das zu wollen. Ich denke, dass diese Uniform auch sehr viel kompensiert. Warum willst du denn eine Autorität sein?
MZEE.com: Man hört öfter die These, dass Leute mit einem bestimmten Weltbild solche Jobs machen möchten. Darauf zielte meine Frage ab.
Ilhan44: Das ist oft zu kurz gedacht. Dann werden Argumente gebracht wie: "Ich will beschützen und ich setze mich für eine ordentliche Gesellschaft ein." Aber wessen Ordnung verteidigst du hier gerade?
MZEE.com: Besonders im Zusammenhang mit Demonstrationen wird über konkrete Polizeigewalt berichtet. Allerdings betreffen solche gewaltvollen Übergriffe auch nicht jede:n Polizist:in. Glaubst du, dass besonders auf Demos eine Gruppendynamik entsteht, die sowas befeuert?
Ilhan44: Safe. Denn Menschengruppen sind wilde Bestien.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass Polizeigewalt in Deutschland ein strukturelles Problem ist?
Ilhan44: Ja. Es ist aber auch ein individuelles Problem. Das schließt sich nicht aus. Jeder Cop ist selbst dafür verantwortlich, auch wenn es ein strukturelles Problem ist. Denn die einzelnen Beamten und Beamtinnen bilden ja die Gesamtheit der Polizei. Da können sie sich nicht von lösen.
MZEE.com: Würde einem:einer Polizist:in diese Frage gestellt, lautete die Antwort sicher eher, dass es einzelne Personen sind, die durch ihr Handeln ein schlechtes Licht auf die Polizei werfen. Allerdings ist die Menge an Fällen, die beispielsweise im Hinblick auf rechte Chatgruppen bekannt werden, beachtlich.
Ilhan44: Klar, am Ende war es niemand. Es ist halt ein bestimmtes Verhaltensmuster. Und das liegt sicherlich auch am Job.
MZEE.com: Gibt es Konstellationen, in denen gewaltvolle Machtausübung der Polizei deiner Meinung nach gerechtfertigt ist? Ich denke da beispielsweise an Situationen, in denen sich ein:e Polizist:in vor jemandem mit einer Waffe befindet.
Ilhan44: Es ist trotzdem nicht gerechtfertigt. Die haben ja genug Tränengas. Also bitte, wenn wir es schaffen, Elefanten einzufangen, ohne sie zu töten … Für 'ne Staatsgewalt gegenüber den eigenen Bürgern und Bürgerinnen sollte Gewaltanwendung keine Option sein. Aber das ist eine sehr politische Frage. Ich weiß nicht, ob jetzt Krieg und Gewalt das Thema sein sollte. (lacht) Ich denke, es gibt keine Situation, in der Polizeigewalt gerechtfertigt ist, weil diese Menschen für Deeskalation ausgebildet werden. Die sind ja auch alle Kampfsportler. So ein kleines Messer macht denen nichts mit ihrer Rüstung.
MZEE.com: Sprechen wir über die andere Seite. Du thematisierst auf dem Song "Gaijin" Gewalt gegen die Polizei: "Fuck a Cop, hau ihm auf den Kopf." – Denkst du, Gewalt gegenüber der Polizei ist gerechtfertigt?
Ilhan44: Nun, zunächst ist das eine hoch künstlerisch geladene Zeile. Ich meine sie nicht wörtlich. Natürlich bin ich niemand, der sich in die Öffentlichkeit stellt und zu Gewalt gegenüber Beamten und Beamtinnen aufrufen möchte. Das "Hau ihm auf den Kopf" ist in dem Kontext verständlicherweise als direkte Gewalt interpretiert worden, aber ich meine sie eigentlich angelehnt an das Sprichwort "vor den Kopf stoßen". Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, ich finde Gewalt gegenüber der Exekutive gerechtfertigt.
MZEE.com: Kannst du das noch weiter begründen?
Ilhan44: Es ist immer auch eine Frage von Anlage und Umfeld. Unser System ist sehr gewaltvoll. Unser Leben ist sozusagen ein Kreislauf aus physischer oder psychischer Gewalt. Von sich jemand anderem überlegen fühlen über Bürokratie bis hin zu Machtspielchen von Beamten und Beamtinnen. Das sind Machtverhältnisse und auch das ist Gewalt. Gewalt verursacht Gewalt. Wenn die Regierung eine Art Vormundsfunktion für ihre Staatsangehörigen hat, dann sollte Unterdrückung und Gewalt kein Mittel der Erziehung sein. Das kann man dann im Mikrokosmos anwenden. Warum Gewalt kein Mittel zur Erziehung ist, können dir dann wiederum Pädagogen und Pädagoginnen in ellenlangen Berichten beantworten. Dann kommen wir wieder dazu, dass Menschenmassen Bestien gleichen. Wie bekommst du Menschenmassen am besten unter Kontrolle außer mit der Peitsche? Dadurch, dass wir einem Kreislauf aus Gewalt ausgesetzt sind, würde ich es nicht verteufeln, wenn diese Gewalt auch umschlägt auf diejenigen, die sie ausüben. Angela Davis hat gesagt, dass Revolution nicht an ihren Mitteln, sondern an ihren Zielen bemessen werden sollte, weil wir uns in einem System der Gewalt befinden. Wäre das nicht so, könnte man es natürlich kritisieren. Aber wir werden getötet auf der Straße. Von Leuten, die sagen, sie beschützen uns. Das macht die Frage ein bisschen aggressiv. Es gleicht auch Täter-Opfer-Umkehr, wenn man sagt, du setzt dich zur Wehr gegenüber einer Staatsgewalt, die dich seit Jahrhunderten unterdrückt.
MZEE.com: Ich denke dabei immer an die Demos zum G20-Gipfel, bei denen ein Polizist durch einen Feuerwerkskörper sein Gehör verloren hat. Es wird oft beschrieben, dass sich die Gewalt auf Demos zwischen Polizist:innen und Demonstrant:innen gegenseitig hochschaukelt.
Ilhan44: Safe. Wir waren alle mal in einer Streitsituation. Wir wissen alle, wie Emotionen funktionieren. Das braucht mir keiner erzählen. Natürlich schaukelt es sich hoch. Aber der große Unterschied ist: Diese Masse an Demonstrantinnen und Demonstranten wurde nicht jahrelang dafür ausgebildet, Streit zu deeskalieren, und sie haben keine Ausrüstung.
MZEE.com: Das sind Extremsituationen. Menschen machen leichter Fehler, wenn sie sich in Stresssituationen befinden.
Ilhan44: Genau das trainieren die Polizisten und Polizistinnen ja auch in ihrer Ausbildung.
MZEE.com: Es ist deren Job, damit besser umgehen zu können als andere. Es heißt allerdings oft, das Argument "Das sind ja auch nur Menschen" zählt für Polizist:innen weniger, obwohl sie tatsächlich nur Menschen sind, oder?
Ilhan44: Es zählt auch, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Denn ich bin beispielsweise nicht trainiert worden, Konflikte zu deeskalieren, und habe keine Ahnung, wie ich eine Pfefferspray-Granate schießen soll.
MZEE.com: Ein:e Polizeianwärter:in wird unter anderem danach ausgewählt, ob sie gut unter Stress funktioniert. Aber 100 prozentig fehlerfrei ist natürlich keine:r.
Ilhan44: Das muss auch niemand sein. Es geht auch immer darum, wie man mit Fehlern umgeht. Und die Polizei geht oftmals gar nicht mit ihren Fehlern um.
MZEE.com: Das bringt mich zu dem Thema "Die blaue Mauer des Schweigens". Erfährt man Ungerechtigkeit am eigenen Leib, gibt es kaum eine Chance, dagegen vorzugehen, denn die meisten Anzeigen dieser Art laufen ins Leere. Unter anderem, weil es keine unabhängige Behörde gibt. Man muss sich an die Polizei wenden, um sich über sie zu beschweren. Wie geht man als Betroffene:r mit der Machtlosigkeit um?
Ilhan44: Ich habe keine Ahnung. Es gibt Beratungsstellen und Personen mit juristischer Ausbildung, die sich darum kümmern, so wie es ihre Kapazitäten erlauben. Aber ich habe keine Hoffnung, dass man gegen Ungerechtigkeit ausgehend von der Exekutiven vorgehen kann, weil es keine Kontrollinstanz gibt. Sie sind ja das Monopol der Gewalt. Es gibt keine zweite Polizei, die die Polizei kontrolliert. Das bräuchte es. Unter Umständen ein unabhängiges Komitee oder was auch immer. Aber ich glaube auch an Korruption, deshalb halte ich davon auch nicht viel.
MZEE.com: Eine unabhängige Kontrollinstanz wäre superwichtig. Sinnvoll wäre es auch, wenn die Polizei diverser aufgestellt wäre und Menschen mit möglichst unterschiedlichen Lebensrealitäten ein Teil davon wären. Dann würden Denkstrukturen, die auf Vorurteilen beruhen, in den Köpfen aufgebrochen werden und es gäbe weniger Racial Profiling, oder?
Ilhan44: Ich halte es für einen gewaltigen Denkfehler, so strukturelle Klassenprobleme umzuwälzen auf individuelle Sachen. Selbst wenn die Polizei sehr durchmischt wäre und dort beispielsweise nur Schwarze Personen arbeiten würden, würden sie mich erschießen, weil das am Ende des Tages immer noch Cops sind. Sie vertreten die Interessen von Menschen, die nicht wie ich sind. Denn sie sind nicht aus der Arbeiterklasse und sie sind nicht betroffen von Alltagsrassismus und Diskriminierung auf Armutsebene. Sie sind nicht dafür da, mir zu helfen oder mich zu beschützen, so wie es Kindern immer eingeredet wird. Ich denke nicht, dass mehr Diversität innerhalb der Polizei irgendwas bringen würde außer mehr K******, die aufeinandergehetzt werden. Klar, bräuchte es im besten Fall eine unabhängige Institution. Aber ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Die werden von Tag eins unterwandert oder dafür bezahlt, Studien zu machen, die belegen, dass die deutsche Polizei keine Fehltritte macht.
MZEE.com: Am Ende muss vor Gericht immer ein:e Staatsanwält:in oder Richter:in entscheiden.
Ilhan44: Genau. Repression gegen Linke ist halt ein Thing. Spätestens da würde es scheitern, I guess. (lacht)
MZEE.com: Das prominenteste Beispiel der letzten Jahre ist der gewaltsame Tod von George Floyd. Darauf folgten ein weltweites Medienecho sowie Demonstrationen rund um den Globus. Können solche einschneidenden Ereignisse die brutale Gewaltanwendung innerhalb der Polizei langfristig verändern?
Ilhan44: Nein, ich glaube nicht. Die haben ja danach nicht aufgehört, zu töten, oder? Es sind gottverfluchte US-Amerikaner und -Amerikanerinnen. Es ist Marketing. Wenn die eins können, dann Werbung, aber keine Revolution.
MZEE.com: Wie meinst du das? Was davon ist Marketing?
Ilhan44: Ich bin saufroh über die Bewegung. So ist es nicht. Ich will sie keineswegs schlechtreden oder in irgendeiner Weise in ihren Zielen untergraben. Aber am Ende des Tages sind es immer noch Amerikaner und Amerikanerinnen. Die haben keinen Impact, wo sie welchen haben sollten. Es ist eine Echokammer an Leute, die alle der gleichen Meinung sind. Die schreiben ein bisschen rum und am Ende gehen alle nach Hause und die Cops schießen weiter. Es hilft nur bis zu einem gewissen Grad. Es schafft einfach Bewusstsein für Leute, die es eh wissen.
MZEE.com: Das ist oft ein Problem von Aktivismus. Du hast vorhin Angela Davis erwähnt. Es gibt natürlich Bewegungen, die etwas vorantreiben, aber es dauert sehr lange, bis sich wirklich etwas ändert.
Ilhan44: Ja, es ist ein Generationenkonflikt. Von der Arbeit, die wir jetzt machen, werden vielleicht unsere Enkel und Enkelinnen etwas haben, wenn es gut läuft, und unsere Kinder noch weiter machen. Von dem Gedanken, dass wir zu unseren Lebzeiten Veränderungen erleben werden, müssen wir wegkommen. Was wir machen, ist einen Wald zu pflanzen, der erst in hundert Jahren wächst. Wir pflügen die Erde, wir sähen die Samen. Was dann aus den Stämmen und Bäumen wird, werden wir gar nicht erleben.
MZEE.com: Als Nächstes würde ich gerne über Musik sprechen. Polizeigewalt ist seit jeher ein Thema im deutschen Rap. In anderen Genres gibt es nicht so viele Tracks dazu, am ehesten noch im Punk. Siehst du das auch so, und woher, glaubst du, kommt das?
Ilhan44: Ich denke, das liegt an den Künstlern und Künstlerinnen, die diesem Genre angehören. Ich glaube nämlich nicht, dass Komponisten und Komponistinnen viel mit der Polizei zu tun haben. Natürlich schreiben die keine Stücke über Polizeigewalt. Es sind Leute wie wir, die davon betroffen sind, weil sie arm sind und aus prekären Verhältnissen kommen. Es wird so oft thematisiert, weil es unsere Lebensrealität ist.
MZEE.com: Du hast vorhin erwähnt, dass in der Kunst Dinge anders gemacht werden als im echten Leben. Was darf die Kunst erzählen, was man selbst nicht aussprechen darf?
Ilhan44: Grundsätzlich darf doch Kunst alles. Aber ich muss mich dann auch der Kritik stellen, die ich bekomme. Und das tue ich – bisher. (lacht)
MZEE.com: Glaubst du, dass du Polizist:innen als Hörer:innen hast? Wenn ja, wie findest du das?
Ilhan44: Safe. Ich finde es interessant, weil es in meinen Augen etwas Masochistisches hat und das finde ich klasse. Es hat mir bisher aber noch niemand erzählt, dass er Bulle ist oder Bullen kennt, die meine Musik feiern.
MZEE.com: Würde das jemand machen?
Ilhan44: Ich würde es nicht ausschließen. Ich würde auf jeden Fall drüber lachen, aber auch drüber nachdenken.
MZEE.com: Polizei-kritische Musik als Polizist:in zu hören, ist definitiv ein masochistischer Zug. Es geht ja um deren Job. Ich habe tatsächlich mal einen Polizisten getroffen, der das Lied "CopKKKilla" feiert. Er findet, das ist ein guter Track. In dem Song heißt es, fünf von zehn Polizisten seien Hurensöhne. Und der Polizist sagte: "Ja, vielleicht hat er einen Punkt."
Ilhan44: Er hat definitiv einen Punkt, aber er ist auch ein komischer Typ.
MZEE.com: Rap ist auch oft frauenverachtend und trotzdem hören ihn Frauen.
Ilhan44: Geht es bei dem Ding nicht auch um Alternativlosigkeit? Dass Frauen, die Rap feiern, nicht wirklich 'ne Wahl haben? Außer in den letzten fünfzehn Jahren, wo es eine Entwicklung gibt und somit mehr Female MCs, die sichtbar werden.
MZEE.com: Jede:r kann sich ja aussuchen, was er:sie hört. Es gibt Sachen, die nicht frauenfeindlich sind. Du meinst wahrscheinlich mit der Alternativlosigkeit die Anfänge, oder? Teilweise sind Tracks aus den 90ern diesbezüglich echt krass.
Ilhan44: Die sind richtig schlecht gealtert, ne? Megaloh hat in seinem Statement-Song 'ne Zeile geschrieben, die jetzt auch sehr gut in den Kontext passt: "Doch wie willst du wissen, was schmeckt, wenn du nur Scheiße gefressen hast?" Wir wissen ja nicht, was gut ist. Natürlich hören wir so eine Scheiße, woher sollen wir es wissen? Es gibt nichts anderes – aber jetzt bin ich hier.
(Malin Teegen)
(Fotos von Doro Zinn)