"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
2021 setzte sich Galv seine "Mondbrille" und ein Jetpack auf, um dann mit einer Feder in der Hand loszufliegen: "Vola". Das italienische Wort, das übersetzt "flieg" bedeutet, bildet den entsprechenden Rahmen für ein unfassbar rundes Release.
Mit "Vola" liefert der Rottweiler, der mittlerweile in Nürnberg wohnt, ein brillantes Konzeptalbum ab. Dieses ist so gut aufgebaut, dass es mir nicht permanent verkrampft ins Ohr schreien muss, dass es ein Konzept verfolgt. Grundsätzlich behandeln alle Tracks die Thematik des Fliegens und Aufsteigens – häufig aber eher unterschwellig und zwischen den Zeilen. Denn "die Metaebene hat noch ein paar Meter Ebenen", stellt Galv auf "Picasso" klar. Der Kopfnickertrack kommt mit Vocal-Cuts von DJ Danetic in der Hook und witzigen Lines daher: "Er ist kurz. Das einzig Schöne an deinem Song." Dass der Rapper nicht nur ein humorvoller Typ ist, sondern auch ernstere Themen behandeln kann, zeigt er insbesondere auf dem Titeltrack "Vola". Hier geht es unter anderem um den Erfolgsdruck in Kombination mit persönlichen Schicksalsschlägen innerhalb einer Szene, die sich selbst überhöht. Deshalb stellt Galv klar, worum es ihm mit seiner Musik geht: "Es geht darum, das Negative umzuformen, und dieser Track ist für alle, die uns supporten." Den absoluten Höhepunkt findet der Flug durchs Album aber mit "Hoch". Einer Hymne, die die ewige menschliche Aufstiegssucht hinterfragt und aufs Korn nimmt. Produziert ist der leicht hypnotische Beat von Suff Daddy, der neben Producern wie Maniac eine hervorragende Grundlage für die Erzählungen von Galv liefert. Dieser zeigt allein mit seinen technischen Fähigkeiten, dass er nach ganz oben gehört – so ist von gesungenen Parts bis zu druckvollen Rap-Passagen wirklich alles dabei.
Galv selbst stellt im Outro "Mein Weg" klar: "Ich werde meinen Weg gehen, nur der Liebe wegen!" Er wird mich und seine Fans also auch weiterhin mit Texten aus seiner Feder begeistern, auch wenn unklar ist, wo lang sein Weg führen wird. Doch am Ende ist es vielleicht auch gar nicht so wichtig, ob er über uns fliegt oder mit uns im Underground verweilt.
(Alec Weber)