"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Missy "Misdemeanor" Elliott: Ghostwriterin, Labelchefin, Produzentin und vor allem lebende Legende – aber auch Rapperin mit einem herausragenden und Wege ebnenden Debüt. Trotzdem wird heute kaum noch über "Supa Dupa Fly" gesprochen, auf dem Stars wie Busta Rhymes, Aaliyah und Timbaland vertreten sind. Das bereits vor 25 Jahren erschienene Werk ist jedoch zeitlos gealtert und heute noch so faszinierend wie progressiv. Und gehört dabei zweifelsohne zu den Meilensteinen der amerikanischen HipHop-Geschichte.
Bereits der Start mit "Busta's Intro" ist der erste Verweis auf Missys innovative Arbeit: Hier ist sie nicht einmal zu hören. Erst auf dem nächsten Song kann man nach Lil' Kims Verse ihrer Stimme lauschen. Und diese Fortschrittlichkeit zieht sich durch das ganze Album: Das Produkt und die Vision stehen immer über ihrem Ego – auch wenn raptypisches Ego-Gepushe nicht zu kurz kommt. So ist sie im ikonischen "The Rain"-Video in einer Art aufgeblasenem, schwarzen Müllsack zu sehen. Song und Video waren dabei die Reaktion auf eine zutiefst sexistische Musikindustrie, die sie bis dato nicht in ihren eigenen Musikvideos sehen wollte, da sie nicht dem Bild der "perfekten Frau" entsprach. Obwohl Sexualität und Liebe eine große Rolle in Missys Texten spielen, entschied sie sich dafür, sich nicht zu objektivieren. Zu der Zeit definitiv ein Novum – selbst Madonna zollte ihr dafür größten Respekt. Doch nicht nur damit brachte das Multitalent frischen Wind ins Game. So wie in der Kunst immer wieder neue Epochen ausgerufen wurden, gab es nach dem Release Begrifflichkeiten wie "Avant-Funk" und "Postmodern R 'n' B", die eigens für ihre Musik geschaffen wurden. Und der Einfluss hielt lange an: Künstler:innen wie Brent Faiyaz und Frank Ocean haben noch Jahre später ganze Karrieren auf dem "Friendly Skies"-Sound aufgebaut.
Neben all dem gilt es jedoch vor allem eines zu betonen: Missy Elliott hat mit "Supa Dupa Fly" ein Momentum des Empowerments geschaffen. Sie hat ein Exempel statuiert. Sie hat der Musikindustrie den Mittelfinger entgegengestreckt und bewiesen, dass man als Frau auch Erfolg haben kann, wenn man sein eigenes Ding durchzieht und authentisch ist. Somit kann neben dem Verweis auf das Revolutionieren von R 'n' B-HipHop-Crossover, Mumble-Rap und Musikvideos auch bedenkenlos ein Begriff im Zusammenhang mit ihr fallen: Queen of HipHop.
(Yasmina Rossmeisl)