"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Kurz nach der Jahrtausendwende haben Dynamite Deluxe mit "Deluxe Soundsystem" neue Maßstäbe in Sachen Rap auf Deutsch gesetzt. Das Trio bestand aus den Namensgebern Samy Deluxe und DJ Dynamite sowie Tropf. Das Debütalbum der Hamburger versetzt den:die Hörer:in direkt zurück in die 2000er und hilft zu verstehen, was Rap unter anderem vermittelt: Selbstbewusstsein und Lässigkeit.
Samy rappt in angenehm lockerer Art über die Beats von Tropf und DJ Dynamite. Zu Recht sagt er: "Bei meinem Flow nicken Köpfe sogar zum A cappella." Die Coolness, die er dabei ausstrahlt, war sicherlich eine Inspiration für einige Jugendliche, selbst das Mic in die Hand zu nehmen. Und genau das macht die Platte aus: Sie ist wie ein Fieber, das die Hörer:innen selbst mit HipHop infiziert. Sie ist der Grund, warum man Teil sein möchte von dem, was auf dem Storyteller "Bis Dato" beschrieben wird. Zeilen wie "Die Bilder in meinem Kopf von Oldschool-Jams in Itzehoe leuchten noch nach dieser langen Zeit beständig wie hitzerot" bringen die Energie auf den Punkt. Zweifelsohne wäre man gern dort gewesen – mit einer Sportzigarette, so wie es auf der Kiffer-Hymne "Grüne Brille" propagiert wird. Mein Favorit ist aber der zeitlose Track "Lots of Signs" mit Patrice. Die Reggae-Connection ist eine absolute Bereicherung, denn sie holt Nicht-Rap-Fans sowie internationale Hörer:innen mit ins Boot. Beim genauen Hinhören stellt man allerdings fest, dass auf dem Album Begriffe vorkommen, die Homosexuelle abwerten, beispielsweise auf dem Song "Wie jetzt". Dafür würde man heute zu Recht kritisiert werden, auch wenn solche Zeilen schon damals absolut inakzeptabel waren.
Dessen ungeachtet haben Dynamite Deluxe mit ihrer LP die Messlatte für alles, was danach kam, hochgelegt. "Deluxe Soundsystem" löst beim Hören nostalgische Gefühle aus und genau das macht es zu einem meiner Lieblingsalben. Es ist ein rundes Gesamtkunstwerk – kein Wunder also, dass die Platte Gold-Status besitzt. Grund genug, sie mal wieder aus dem Schrank zu kramen.
(Malin Teegen)