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Interview

Arkan45 – ein Gespräch über Rastlosigkeit

"Für jun­ge Leu­te ist es sehr schwer, eine Iden­ti­tät her­aus­zu­bil­den. Es lie­gen super­vie­le The­men gleich­zei­tig auf den Schul­tern von Men­schen, die noch kei­ne gro­ße Weit­sicht und Ratio­na­li­tät haben kön­nen." – Arkan45 im Inter­view über die Rast­lo­sig­keit der jun­gen Generation.

Aus Öster­reich schwappt schon fast tra­di­tio­nell beson­de­re und künst­le­risch wert­vol­le Musik zu uns nach Deutsch­land her­über. In der Linie von Fal­co ste­hen nicht nur Unter­grund­le­gen­den wie Kamp und Sound-​Innovatoren wie Brenk Sina­tra oder Fid Mel­la, son­dern auch New­co­mer wie Arkan45. Die Track­list sei­ner vor Kur­zem erschie­ne­nen EP "GUTE SCHEISS ZEITEN" zeich­net ein Bild eines rast­lo­sen jun­gen Men­schen, der aus der öster­rei­chi­schen Klein­stadt in die Metro­po­le Ber­lin gezo­gen ist. Arkan45 fühlt sich "selt­sam" und "manisch" und bewegt sich in "Unru­he" und einem "Loopho­le". Wir tra­fen den Rap­per nach sei­nem Gig auf dem dies­jäh­ri­gen splash! Fes­ti­val. Dort erzähl­te er uns, dass Rast­lo­sig­keit für ihn Fluch und Segen zugleich ist und er schon auf­grund sei­ner Natur kei­ne Alter­na­ti­ve zum getrie­be­nen Leben als Musi­ker sieht. Außer­dem spra­chen wir über die schwie­ri­ge Suche nach Iden­ti­tät der heu­ti­gen Jugend und Arkans Rou­ti­nen zur Entschleunigung.

MZEE​.com: Bevor wir in unser heu­ti­ges The­ma Rast­lo­sig­keit ein­stei­gen: Du hat­test heu­te dei­nen ers­ten gro­ßen Auf­tritt auf dem splash! Fes­ti­val. Was macht das mit dir?

Arkan45: Ich hab' mir immer vor­ge­nom­men, das ers­te Mal aufs splash! zu gehen, wenn ich hier spie­le. Das hab' ich geschafft. Es ist sehr schön, hier zu sein. Die Leu­te hat­ten Bock und waren trotz der Hit­ze voll moti­viert, sehr geil.

MZEE​.com: Ein Auf­tritt auf dem splash! ist für vie­le Rapper:innen ein Jugend­traum. Fühlt sich der Gig für dich ein biss­chen nach Ankom­men in der Sze­ne an?

Arkan45: Es ist natür­lich ein gei­les Gefühl und defi­ni­tiv ein Ankom­men für mich. Das war ein Mei­len­stein auf mei­ner Bucket List.

MZEE​.com: Vor eini­ger Zeit bist du aus der Klein­stadt in Öster­reich nach Ber­lin gezo­gen. Eini­ge Men­schen gehen dort "ver­lo­ren" im Sog aus Nacht­le­ben und end­lo­sen Mög­lich­kei­ten. Emp­fin­dest du die Stadt und die Men­schen dort rast­lo­ser als in ande­ren Städten?

Arkan45: Das Tem­po ist natür­lich höher, auf jeden Fall. Es ist sehr stres­sig und schnell­le­big. Sobald du vor die Tür gehst, hast du ein gewis­ses Stress­le­vel. Ich brau­che immer einen Aus­gleich, um zur Ruhe zu kom­men. All­ge­mein spü­re ich eine gewis­se Unru­he in mir, die, glau­be ich, auch vie­le ande­re Leu­te spü­ren. Aus die­sem Gefühl ist der Song "Unru­he" ent­stan­den. Wenn du kei­nen Aus­gleich dafür fin­dest, steigt dir die­se Schnel­lig­keit schnell über den Kopf.

MZEE​.com: Hat dich die­ses Gefühl auch in die Groß­stadt Ber­lin hingezogen?

Arkan45: Ich mag es tat­säch­lich im Dreck. Es ist wun­der­schön häss­lich. (grinst) Ich füh­le mich in Ber­lin woh­ler. Bei uns zu Hau­se war es nie geleckt sau­ber. Mei­ne Inspi­ra­ti­on hole ich eher aus den dunk­len Ecken. Mein Umfeld besteht auch schon immer aus Men­schen, die mir in die­ser Hin­sicht ähn­lich sind.

MZEE​.com: Auf eini­gen dei­ner Songs spielt Par­ty­ma­chen eine gro­ße Rol­le. Was bedeu­tet es dir, aus dem All­tag aus­bre­chen zu können?

Arkan45: Ich will mein Leben nicht in einem fest­ge­fah­re­nen Ras­ter leben. Es ist mir wich­tig, dar­aus aus­zu­bre­chen und zu machen, wor­auf ich Lust habe. Das ist nur mög­lich, wenn ich mei­nen eige­nen Weg fin­de, statt den Weg zu wäh­len, den ande­re gehen. Ich hab' frü­her vie­le ver­schie­de­ne Jobs gemacht. Irgend­wann habe ich gemerkt, dass ich mit die­ser Rou­ti­ne nicht klar­kom­me. Ich hab' auch viel Gras ver­kauft … Da habe ich das ers­te Mal gemerkt, dass ich mein eige­ner Boss sein muss. Seit­dem hab' ich die­sen Weg verfolgt.

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MZEE​.com: Ist der Begriff Rast­lo­sig­keit für dich neu­tral, nega­tiv oder posi­tiv konnotiert?

Arkan45: Ich glau­be, man kann die­sen Begriff inter­pre­tie­ren, wie man möch­te. Rast­lo­sig­keit kann posi­tiv sein, wenn man sehr pro­duk­tiv ist. Aber es ist schwie­rig, die Balan­ce zu fin­den. Man kann kör­per­lich dar­un­ter lei­den. Ich hab' das im Pro­duk­ti­ons­pro­zess mei­ner EP "GUTE SCHEISS ZEITEN" gemerkt. Wir waren in Polen und Bel­grad, um Ses­si­ons zu machen und Din­ge zu pla­nen. Trotz dem super Manage­ment ist das sehr, sehr anstren­gend. Die Rast­lo­sig­keit schwappt dann in mein Pri­vat­le­ben über, was wie­der für Unru­he sorgt. Im Moment ist der Begriff für mich eher nega­tiv behaftet.

MZEE​.com: Und was sind die posi­ti­ven Aspek­te, die du aktu­ell bemerkst?

Arkan45: Dass man auf dem splash! spielt, zum Bei­spiel. Man setzt Mei­len­stei­ne und kommt wei­ter mit dem, was man macht. Was ande­res kann ich nicht. Ich hab' es schon mit Büro­jobs ver­sucht und es hat nicht geklappt. Also führt für mich nichts an dem aktu­el­len Weg vor­bei. Ich bin sehr ehr­gei­zig und muss mit dem Kopf durch die Wand. Dafür neh­me ich die nega­ti­ven Aspek­te in Kauf.

MZEE​.com: Denkst du, dass die heu­ti­ge Jugend – auf­grund einer gewis­sen Aus­sichts­lo­sig­keit, die die­se Zeit mit sich bringt – viel­leicht eine noch grö­ße­re Unru­he in sich trägt als vori­ge Generationen? 

Arkan45: Ich neh­me vor allem das Suchen nach Iden­ti­tät in Kom­bi­na­ti­on mit einem Infor­ma­ti­ons­über­schuss wahr. Das führt, glau­be ich, schnell zu Rast­lo­sig­keit. Man wird mit Ein­drü­cken und Rei­zen über­schüt­tet. Ich mer­ke das extrem bei mei­nem klei­nen Bru­der. Für jun­ge Leu­te ist es sehr schwer, das alles zu ver­ar­bei­ten und zu kana­li­sie­ren, um letzt­end­lich eine Iden­ti­tät her­aus­zu­bil­den. Es lie­gen super­vie­le The­men gleich­zei­tig auf den Schul­tern von Men­schen, die noch kei­ne gro­ße Weit­sicht und Ratio­na­li­tät haben kön­nen. Damit umzu­ge­hen und "das Rich­ti­ge" zu machen, ist, glau­be ich, schwer. Social Media führt auch zu viel Unru­he. Als Musi­ker machst du nicht mehr nur Musik. Manch­mal lieg' ich nachts im Bett und kann nicht schla­fen, weil ich an irgend­wel­che Promotion-​Dinge oder For­ma­te den­ken muss. Das macht mich defi­ni­tiv unruhig.

MZEE​.com: Stresst dich das mehr, als dass du die Mög­lich­kei­ten genießt?

Arkan45: Ich hab' sehr vie­le krea­ti­ve Men­schen in mei­nem Umfeld und bin selbst krea­tiv. Als an Ästhe­tik inter­es­sier­ter Mensch macht mir vie­les Spaß. Natür­lich gibt es auch Sachen, die mir nicht so viel Spaß machen. All in all mache ich es schon ger­ne. Aber es ist eben nie genug. Du hast in der heu­ti­gen Zeit Druck, immer neu­en Con­tent zu kre­ieren. Und natür­lich will ich "das Rich­ti­ge" machen. Ich über­le­ge drei­mal, ob ich etwas pos­te oder nicht.

MZEE​.com: Denkst du, dass der Druck, der auf­grund der gro­ßen The­men unse­rer Zeit auf den Schul­tern der Men­schen liegt, auch dafür sor­gen kann, dass die jun­ge Gene­ra­ti­on viel Gutes bewir­ken kann?

Arkan45: Natür­lich gibt es vie­le Men­schen, die sich bemü­hen, die Welt zu ver­bes­sern. Die sind sehr wich­tig. Ich ver­su­che auch, mei­nen Teil dazu bei­zu­tra­gen. Und wenn ich nur eine Plas­tik­fla­sche auf den Boden stel­le, damit sie ein Obdach­lo­ser mit­neh­men kann oder mei­ne Ziga­ret­te eben nicht ein­fach auf den Boden schnip­pe. Mit Klei­nig­kei­ten kann jeder etwas zum gro­ßen Gan­zen beitragen.

MZEE​.com: Auf dei­nem Song "Unru­he" deu­test du an, dass dich die stän­di­ge Erreich­bar­keit am Han­dy manch­mal stört und zu dei­ner Rast­lo­sig­keit bei­trägt. Hast du Rou­ti­nen, um dei­ne Zeit vor dem Bild­schirm zu begren­zen und pro­duk­ti­ver zu sein?

Arkan45: Defi­ni­tiv. Ich mach' das Han­dy von Zeit zu Zeit ein­fach aus. Das klappt natür­lich nicht immer, aber ich gebe mir sehr viel Mühe, das zu tun. Ich neh­me mir Aus­zei­ten und gehe zum Bei­spiel voll ger­ne cam­pen. Die EP ist drau­ßen, jetzt noch die Fes­ti­vals spie­len … Dann erst mal Han­dy weg und cam­pen gehen. Die­se Zeit brau­che ich. Ich bin ein sehr nach­denk­li­cher Mensch und mir schwirrt viel durch den Kopf. Wenn ich mir die­se Aus­zei­ten nicht neh­me, läuft es irgend­wann über.

MZEE​.com: Vie­le Men­schen wer­den heut­zu­ta­ge schon sehr unru­hig, wenn sie ihr Han­dy zu Hau­se ver­ges­sen. Kennst du das auch?

Arkan45: Das kommt immer dar­auf an, ob ich etwas zu tun habe. Mitt­ler­wei­le gehört es zu mei­nem Job, am Han­dy erreich­bar zu sein. Ich hab' ges­tern im Zug mein Mac­Book ver­lo­ren. Das war für mich auch ein Zei­chen von Stress. Ich war am Han­dy und bin ein­fach raus­ge­gan­gen, ohne auf das Mac­Book zu ach­ten. In dem Moment dach­te ich mir, dass es Zeit ist, ein biss­chen zu chil­len. Der Fokus wird schnell zu eng­stir­nig, wenn man so viel am Han­dy hängt. Aber ey, wenn der Mensch, der es mit­ge­nom­men hat, das liest: Viel Spaß mit dem Mac­Book. (lacht)

MZEE​.com: Was ent­schleu­nigt ansons­ten dei­nen Alltag?

Arkan45: Ich ver­su­che, alle zwei Wochen ins Spa zu gehen. Da ist Han­dy­ver­bot. Ansons­ten ach­te ich wirk­lich bewusst drauf, nicht ans Han­dy zu gehen. Ich hab' schon bemerkt, dass ich mor­gens teil­wei­se im Halb­schlaf auf mei­nen Bild­schirm geschaut habe, der voll mit Nach­rich­ten ist. Wie ein Robo­ter. Das habe ich in den Griff bekom­men. Mein Han­dy liegt nicht mehr an mei­nem Bett, son­dern am ande­ren Ende des Raums. Sol­che Klei­nig­kei­ten entschleunigen.

MZEE​.com: Was müss­te pas­sie­ren, damit du dich weni­ger rast­los fühlst?

Arkan45: Mit der neu­en EP hat das mit der Musik alles ein biss­chen Form ange­nom­men, die ers­ten Schrit­te sind gemacht. Es fehlt natür­lich noch ein biss­chen an Struk­tur und Abläu­fen. In die­ser Pha­se lernt man sehr viel, das ist sehr anstren­gend. Des­halb bin ich aktu­ell super­aus­ge­laugt und rast­los. Aber ich weiß, wel­che Moves ich beim nächs­ten Mal machen muss, damit es nicht so anstren­gend ist.

MZEE​.com: Was sind dei­ne nächs­ten Ziele?

Arkan45: Ich will ein­fach wei­ter Musik machen und mehr Men­schen errei­chen. Das ist mein größ­tes Ziel.

MZEE​.com: Siehst du für dich in der Zukunft einen Punkt, an dem du zufrie­den bist?

Arkan45: Ich glau­be, zufrie­den ist man nie. Zumin­dest sehe ich das jetzt in die­sem Moment nicht. Ich arbei­te aber dar­an, mit mir selbst zufrie­den und stolz auf mich zu sein. Ich will immer mehr, das ist irgend­wie auch gie­rig. Aber das ist wie gesagt etwas, an dem ich arbei­te. Und natür­lich habe ich Punk­te, an denen ich zufrie­den bin. Ein splash!-Auftritt gehört dazu, aber auch da möch­te man beim nächs­ten Mal auf die grö­ße­re Büh­ne und mehr Leu­te erreichen.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Maša-Stanić)