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Dexter – The Trip

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Dex­ter mit "The Trip".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Kein Instrumental-​Album begeis­tert mich so sehr wie Dex­ters "The Trip". Wo es ande­ren Wer­ken stre­cken­wei­se an Abwechs­lung man­gelt und repe­ti­ti­ve Abschnit­te Lan­ge­wei­le erzeu­gen, kommt die­se auf "The Trip" erst gar nicht auf. Dafür sor­gen bunt gemisch­te Loops und gesam­pel­te Filmschnipsel.

Sample-​technisch bedient sich Dex­ter für sei­ne 2013 erschie­ne­ne Plat­te aus­schließ­lich an den psy­che­de­li­schen Klang­wel­ten der 60er Jah­re. Die Rock­mu­sik der dama­li­gen Künstler:innen, häu­fig ent­stan­den in Rausch­zu­stän­den unter dem Ein­fluss von Dro­gen, gab so eini­ges her. Das Piano-​Sample, wel­ches der Stutt­gar­ter für den Track "Psy­che­de­lic Club Sce­ne" nutzt, oder die kitschig-​schöne Melo­die in "Rain­bow Flight" klin­gen so, als hät­ten sie gera­de­zu danach geschrien, in einem HipHop-​Song wei­ter­ver­ar­bei­tet zu wer­den. Den Abwechs­lungs­reich­tum der Plat­te bekommt man schnell zu spü­ren: Fröh­li­che­re Songs rei­hen sich an düs­ter klin­gen­de Beats – mal regen die Tracks zum Kopf­ni­cken, mal zum Träu­men an. Ein-, aus- und über­ge­lei­tet wer­den die Stü­cke mit zahl­rei­chen Vocal-​Samples. Die­se stam­men teils aus Anti-​Drogen-​Filmen der Ära, die vor dem Kon­sum war­nen soll­ten, doch glie­dern sich trotz des Wider­spruchs naht­los in die psy­che­de­li­schen Beats ein. Ansons­ten kommt das Album fast kom­plett ohne neu auf­ge­nom­me­ne Stim­men aus, nur auf dem vor­letz­ten Song "Pic­tures" gibt es ein Fea­ture mit der Ber­li­ner Sän­ge­rin Josa Peit. Das Album ent­lässt die Hörer:innen mit "Sum­mer­days (Drop Out)" in einer fried­lich melan­cho­li­schen Stim­mung und eigent­lich möch­te man den Lang­spie­ler direkt erneut durchhören.

"Wenn ich Beats mache, ver­su­che ich das oft von vorn­her­ein so zu machen, dass es gar kei­nen Rap­per mehr braucht", sag­te Dex­ter 2013 mal in einem Inter­view. Die­se Aus­sa­ge belegt er mit "The Trip". Dank die­ser Her­an­ge­hens­wei­se des Pro­du­zen­ten kom­me ich auch noch neun Jah­re nach dem Release oft und ger­ne auf das Album zurück.

(Tim Herr)