Kategorien
Kommentar

Nichts für Tagträumer:innen – das Geschäft mit NFTs

NFTs sind die neu­es­ten Zugän­ge im Krei­se der Neben­ver­dienst­mög­lich­kei­ten für Rap-​Artists. Doch was bringt der Han­del damit eigent­lich? Kön­nen auch klei­ne­re Künstler:innen davon pro­fi­tie­ren? Über Spe­ku­la­ti­ons­ob­jek­te und Geschäftsmodelle.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den beschäf­tigt sich unser Redak­teur Simon mit den Hoff­nun­gen, die in den Han­del mit NFTs gesetzt werden.

 

Hip­Hop kommt einem nicht erst seit ges­tern als das schnell­le­bigs­te aller schnell­le­bi­gen Musik­ge­schäf­te vor. Neue Artists tau­chen auf und ver­schwin­den zum Teil schon wie­der, bevor man "Release Fri­day" sagen kann. Um sich in die­sem Piran­ha­be­cken ein ordent­li­ches Stück vom Kuh­ka­da­ver sichern zu kön­nen, grei­fen Künstler:innen seit jeher auf Ver­mark­tungs­mög­lich­kei­ten abseits der Musik zurück. Nach den Klas­si­kern Tour-​Shirt und Auto­bio­gra­phie folg­ten Deluxe-​Box und Bio­pic. Vor allem der Kata­ly­sa­tor Coro­na beschleu­nig­te die­se Ent­wick­lung zuletzt und brach­te Eis­tee, Shisha-​Tabak und Piz­za mit sich. Als neu­es­ter Trend inner­halb die­ser Suche nach wei­te­ren Wert­schöp­fungs­quel­len sind jetzt NFTs in aller Mun­de. NFT steht für Non-​Fungible Token und meint den Nach­weis für ein digi­ta­les Objekt, das fes­ten Besitzer:innen zuge­ord­net wer­den kann. Geschützt wer­den NFTs durch eine Block­chain, ähn­lich wie bei Kryp­to­wäh­run­gen. Ein NFT ist ein Code, der auf ein digi­ta­les Refe­renz­ob­jekt, bei­spiels­wei­se ein Bild, ver­weist. Die­ses Bild kann zwar wei­ter­hin kopiert und ver­brei­tet wer­den, aller­dings ist fest­ge­legt, wem das "Ori­gi­nal" gehört. Dem­entspre­chend las­sen sich die Rech­te an einem NFT wei­ter­ver­kau­fen. Teil­wei­se wer­den NFTs jetzt schon mit rie­si­gen Sum­men gehan­delt. Ein­fach mal "Bored Ape Yacht Club" goog­len und stau­nen. Ver­gleich­bar ist das Gan­ze mit dem Kunst­han­del: Alle kön­nen sich eine Kopie oder ein Pos­ter eines Gemäl­des sichern, das Ori­gi­nal gibt es aller­dings nur ein­mal und nur das ist wirk­lich wert­voll. Der Unter­schied zu NFTs ist, dass bei Kopien von Gemäl­den ein opti­scher Unter­schied aus­zu­ma­chen ist, wel­cher im digi­ta­len Raum natür­lich nicht gege­ben ist. Durch die Siche­rung mit­tels Block­chain wird zudem ver­ein­facht, sich als Besitzer:in eine Wei­ter­ver­kaufs­be­tei­li­gung an NFTs zu sichern. Wenn man ein NFT ver­kauft, kann man sich somit zum Bei­spiel garan­tie­ren las­sen, zehn Pro­zent vom nächs­ten Ver­kaufs­preis zu erhalten.

Doch zurück zu Deutschrap: Natür­lich haben auch Artists hier­zu­lan­de das ver­meint­li­che Poten­zi­al der Tokens für sich ent­deckt. Kool Savas digi­ta­li­siert und ver­kauft das Text­blatt zu "King of Rap", Cro gibt uns die Mög­lich­keit, ein Bild sei­ner Mas­ke zu erwer­ben und wer das nöti­ge Klein­geld auf­brin­gen kann (cir­ca zehn Mil­lio­nen Euro), bekommt ein Bild von Young Kafa und Kücük Efen­di, auf dem ihre Gesich­ter nicht ver­pi­xelt sind. Jetzt kann man die Prei­se albern fin­den und über die neu­es­ten Ent­wick­lun­gen aus dem Neu­land Inter­net den Kopf schüt­teln, an sich ist das Gan­ze den­noch natür­lich voll­kom­men legi­tim und eine logi­sche Kon­se­quenz: Sub­kul­tur wird zu Pop­kul­tur und somit auf allen Ebe­nen Markt­me­cha­nis­men unter­wor­fen. Künstler:innen wol­len und müs­sen natür­lich dar­an par­ti­zi­pie­ren und ihre Kunst wird dadurch nicht zwangs­läu­fig ver­wäs­sert oder belang­lo­ser. Ein wenig hane­bü­chen ist nur das Her­bei­re­den des ach so gro­ßen Poten­zi­als von NFTs und der ver­zwei­felt anmu­ten­de Ver­such, das Gan­ze als Kunst oder Schman­kerl für Fans und Sammler:innen zu ver­kau­fen. Denn natür­lich sind NFTs (noch) rei­ne Spe­ku­la­ti­ons­ob­jek­te. Nie­mand erwirbt für teu­er Geld die Rech­te an einem ver­pi­xel­ten Bild, um es dann aus­zu­dru­cken und zu Hau­se auf­zu­hän­gen, wenn man auch ein­fach Strg+C und Strg+V drü­cken kann, um rein optisch das glei­che Ergeb­nis zu erzie­len. Denn wie gesagt: Die Rech­te am Ori­gi­nal blei­ben zwar bei den Besit­zen­den, der Inhalt – sei es nun in Bild oder Ton – lässt sich den­noch pro­blem­los wei­ter­ver­brei­ten. Es ist zumin­dest vor­stell­bar, dass NFTs als Sta­tus­sym­bo­le im digi­ta­len Raum gel­ten wer­den, wenn das all­täg­li­che Leben zuneh­mend dort­hin ver­la­gert wird. Ähn­lich wie mit Büchern im Wohn­zim­mer könn­ten dann NFTs in einer digi­ta­len Immo­bi­lie ange­ge­ben wer­den. Da die­ser Zustand jedoch noch längst nicht erreicht ist, ist die­se Moti­va­ti­on für einen Kauf auch bei kaum jeman­dem gege­ben. Als bei­spiel­haf­te Unter­maue­rung die­ser Argu­men­ta­ti­on lässt sich hier das Text­blatt von Kool Savas her­an­zie­hen: Kurz nach­dem die­ser das NFT für 30.000 Euro ver­kauf­te, wur­de es für 150.000 Euro wei­ter­ver­kauft – zur sicht­li­chen Freu­de des Rap­pers. Der ein­zi­ge Grund, sich ein NFT zuzu­le­gen, ist die Hoff­nung, dass jemand ande­res bereit ist, mehr Geld als man selbst dafür zu zah­len. Das ehe­mals ver­pön­te Wei­ter­ver­kau­fen von wert­vol­len Auto­gramm­kar­ten ist hier Geschäfts­mo­dell. Jeg­li­ches Gere­de von Kunst ist nur ein Marketing-​Gag. Inso­fern unter­schei­det sich das Gan­ze nicht so sehr vom oben erwähn­ten tra­di­tio­nel­len Kunsthandel.

Eine wei­te­re illu­so­ri­sche Hoff­nung ist, dass auch weni­ger bekann­te Künstler:innen mit NFTs die Mög­lich­keit haben, das Geld zu ver­die­nen, das mit eher nied­ri­gen Strea­ming­zah­len und Instagram-​Follows nicht zu holen ist. Denn schließ­lich kann theo­re­tisch jede:r sein:ihr aller­ers­tes Text­blatt digi­ta­li­sie­ren und ver­kau­fen. Der Fehl­schluss ist hier nur wie­der, dass jemand ein NFT auf­grund des künst­le­ri­schen Werts kauft: Man kauft ein NFT nur, wenn man denkt, dass man dar­an ver­die­nen kann. Daher ergibt es Sinn, die Rech­te an Cros digi­ta­ler Mas­ke zu erwer­ben, weil die­se allen ein Begriff ist. Die­se Bekannt­heit resul­tiert in einem grö­ße­rem Markt, was die Wahr­schein­lich­keit stei­gen lässt, dass sich jemand fin­det, der aus den­sel­ben Moti­ven dafür bereit ist, mehr als man selbst zu zah­len. Die­se Wahr­schein­lich­keit ist für ein NFT eines unbe­kann­te­ren Artists viel gerin­ger, wodurch ein Kauf kei­nen Sinn ergibt, egal wie viel künst­le­risch wert­vol­ler es für einen per­sön­lich sein mag. Ganz abge­se­hen davon, dass man erst mal die finan­zi­el­len und zeit­li­chen Kapa­zi­tä­ten haben muss, sich das nöti­ge Know-​How oder die rich­ti­gen Mit­ar­bei­ten­den zuzu­le­gen. Als gemach­ter Artist mit gro­ßem Label im Rücken ist es deut­lich ein­fa­cher zu par­ti­zi­pie­ren als als kleine:r Rapper:in aus dem Unter­grund mit Plat­ten­ver­trieb aus dem Schlaf­zim­mer. NFTs wer­den die Markt­ver­hält­nis­se also in kei­ner Wei­se umkrem­peln oder auch nur refor­mie­ren. Sie sind ledig­lich eine wei­te­re, sehr risi­ko­rei­che Inves­ti­ti­ons­mög­lich­keit. Ein Kool Savas wird damit eher viel Geld ver­die­nen kön­nen als vie­le ande­re klei­ne­re Künstler:innen.

Den­noch möch­te ich nicht das Kon­zept von NFTs als Gan­zes ver­ur­tei­len. Natür­lich kön­nen sie eine zusätz­li­che Ein­nah­me­quel­le auch für klei­ne­re Artists sein und natür­lich wird es auch ver­ein­zel­te Sammler:innen geben, die bestimm­te NFTs für ihren ideel­len Wert kau­fen. Das ändert aller­dings nichts dar­an, dass das Prin­zip ein rein finanz­spe­ku­la­ti­ves ist und bestehen­de wirt­schaft­li­che Ver­hält­nis­se auch in der Musik­sze­ne eher zemen­tiert als auf­ge­weicht wer­den. Zudem muss die aktu­el­le Hys­te­rie bezüg­lich der The­ma­tik auch auf­grund bis­her feh­len­der Rechts­si­cher­heit in vie­len Punk­ten kri­tisch betrach­tet wer­den. Wen die­se Punk­te aller­dings nicht stö­ren, dem wün­sche ich natür­lich viel Spaß beim Handeln.

(Simon Back)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)