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Reportage

Verzuz – freundlicher Wettstreit um Ruhm und Ehre

Mit "Ver­zuz" initi­ier­ten die Pro­du­zen­ten Swizz Beatz und Tim­ba­land ein neu­es Battle-​Format. Legen­den wie DJ Pre­mier und RZA batt­le­ten sich via Instagram-​Livestream, Big Dad­dy Kane und KRS-​One spiel­ten sogar eine Live­show mit Publi­kum. Über eine span­nen­de Idee, die zu einer gro­ßen Mar­ke wurde.

Batt­les durch­zie­hen die gesam­te HipHop-​Geschichte und auch alle Dis­zi­pli­nen: sei es das klas­si­sche Rap-​Battle, Breakdance-​Wettbewerbe, DJ-​Soundclashes oder das Cros­sen von Graf­fi­tis. Murat Gün­gör – unter ande­rem Musi­ker und Autor von "Fear Of A Kanak Pla­net: Hip­Hop zwi­schen Welt­kul­tur und Nazi-​Rap" – beschreibt die Ursa­che dafür fol­gen­der­ma­ßen: "Was die Gewalt betrifft, so dür­fen wir nicht ver­ges­sen, dass Hip­Hop aus einer Ursup­pe von Gewalt ent­stan­den ist – kör­per­li­che und struk­tu­rel­le Gewalt auf allen Ebe­nen." Das Batt­le bil­de­te dem­entspre­chend eine Ana­lo­gie zu der struk­tu­rel­len und kör­per­li­chen Gewalt, unter denen vie­le HipHop-Akteur:innen lit­ten. Ent­schei­dend ist dabei, dass das Batt­le aber – in all sei­nen For­men – ritua­li­siert und kul­tu­ra­li­siert wird. Dem­entspre­chend ist es also nicht als rei­nes Abzieh­bild oder Fort­set­zung "klas­si­scher" Gewalt zu ver­ste­hen. Mit dem ste­ti­gen Wach­sen der HipHop-​Kultur kommt es auch im Battle-​Kontext immer wie­der zu Ver­än­de­run­gen. In den letz­ten Jahr­zehn­ten erge­ben sich – ins­be­son­de­re in Bezug auf Rap-​Battles – mehr Ver­wer­tungs­mög­lich­kei­ten und somit ergibt sich auch eine zuneh­men­de Kom­mer­zia­li­sie­rung von Battle-​Elementen. Einen neu­en Zenit erreicht die­se Ent­wick­lung im Jahr 2020 mit Verzuz.

 

Ent­ste­hungs­ge­schich­te von Verzuz

März 2020: Das Corona-​Virus führt die Welt in eine Pan­de­mie und sorgt damit end­gül­tig für einen nahe­zu abso­lu­ten Still­stand in der glo­ba­len Kul­tur­sze­ne. Es dau­ert nicht lan­ge, bis auch die inter­na­tio­na­le HipHop-​Community von einem kol­lek­ti­ven Gefühl zwi­schen Angst, Panik und Lan­ge­wei­le durch­zo­gen wird. Rela­tiv schnell beginnt ein mas­si­ves Nut­zen von Livestream-​Möglichkeiten, um zumin­dest eine mini­mier­te und digi­ta­le Form des kul­tu­rel­len Aus­tau­sches statt­fin­den zu las­sen. Die bei­den HipHop-​Produzenten Swizz Beatz und Tim­ba­land ver­su­chen sich in die­ser Zeit an der Idee, ein Batt­le auf digi­ta­ler Ebe­ne im Live­stream statt­fin­den zu las­sen und dabei die eige­nen Hits und Musik-​Kataloge gegen­ein­an­der antre­ten zu las­sen. Die Grund­idee der bei­den Pro­du­zen­ten, eine Live­show zu ver­an­stal­ten, bei der sich Produzent:innen mit ihren größ­ten Hits batt­len, ent­stand bereits 2017.

Am 24.03.2020 bestrei­ten Swizz und Tim­ba­land ihr Batt­le und legen damit den Grund­stein für die Ent­ste­hung von Ver­zuz. Obwohl das Batt­le ledig­lich über einen gemein­sa­men Instagram-​Livestream aus­ge­strahlt wird, sehen teil­wei­se über 22 000 Men­schen zeit­gleich zu. Tim­ba­land nennt das Gan­ze "musi­ka­li­sches Schach", schließ­lich kann er mit über­ra­schen­den und guten Tracks stets sowohl Publi­kum als auch Geg­ner beein­dru­cken. Bei­de Kon­tra­hen­ten sehen in ihrer Idee eine "Sache für die Kul­tur". Bereits im April 2020 mel­det Tim­ba­land "Ver­zuz TV" als Mar­ke an und legt damit den Grund­stein für ein erfolg­rei­ches Busi­ness rund um die musi­ka­li­schen Batt­les. Zu die­sem Zeit­punkt möch­te Tim­ba­land, dass die Batt­les wei­ter­hin nur über Insta­gram lau­fen und nicht auf "klas­si­schen" Streaming- bezie­hungs­wei­se Video­por­ta­len statt­fin­den. Ent­spre­chend ent­steht auch in die­sem Zeit­raum der Verzuz-​Instagram-​Account, dem mitt­ler­wei­le weit über sechs Mil­lio­nen Men­schen folgen.

Die ers­ten Batt­les zeich­nen sich dadurch aus, dass sich die ver­schie­de­nen Kontrahent:innen jeweils zwan­zig Songs abwech­selnd in einem gemein­sa­men Instagram-​Livestream vor­spie­len und dabei span­nen­de Anek­do­ten zu den jewei­li­gen Songs erzäh­len. Zudem sind die jewei­li­gen Gegner:innen zumeist zwar ener­ge­tisch, aller­dings auch stets wert­schät­zend gegen­über dem Werk des:der ande­ren. Der klas­si­sche Battle-​Vibe gerät also eher in den Hin­ter­grund. Dies ändert sich mit dem Ver­zuz zwi­schen RZA und DJ Pre­mier. Das Online­ma­ga­zin Bill­board – das auch für die Charts in den USA ver­ant­wort­lich ist – lie­fert eine detail­lier­te Bewer­tung des Batt­les ab. So wird vom Maga­zin für jede Run­de ein Gewin­ner aus­ge­macht, wobei auch ein Unent­schie­den inner­halb einer Run­de mög­lich ist. Das ers­te Match mit "offi­zi­el­ler" Bewer­tung gewinnt DJ Pre­mier gegen RZA mit vier­zehn zu neun Punk­ten. Dabei ist anzu­mer­ken, dass die bei­den das Batt­le mit eini­gen Bonus­run­den aus­schmück­ten. Letzt­lich über­zeug­te aller­dings DJ Pre­mier mit sei­nem wesent­lich grö­ße­ren und viel­fäl­ti­ge­ren Kata­log gegen­über dem von RZA, wel­cher sich über­wie­gend auf Wu-​Tang Clan-​interne Pro­duk­tio­nen beschränkt. Das Billboard-​Magazin ist sich aller­dings sicher, dass vor allem die Kul­tur gewon­nen hat.

Pres­ents: RZA vs DJ Premier

Mit dem zwölf­ten Ver­zuz am 23.05.2020 erhält die Ver­an­stal­tung gleich auf meh­re­ren Ebe­nen eine Auf­wer­tung. Das Batt­le bestrei­ten die Reggae- und Dancehall-​DJs Boun­ty Kil­ler und Bee­nie Man. Der Live­stream fin­det nun erst­mals auf dem Verzuz-​Instagram-​Account statt. Zudem spie­len sich die bei­den Künst­ler ihre Songs nicht nur vor, son­dern gestal­ten eine gemein­sa­me Live-​Performance. Das Batt­le hat mit zwi­schen­zeit­lich 500 000 Zuschauer:innen die bis dato zweit­größ­te Zuschau­er­schaft. Ledig­lich das Batt­le zwi­schen Ery­kah Badu und Jill Scott hat­te bis dahin mehr Zuschauer:innen. Außer­dem kommt es zu einem beson­de­ren Zwi­schen­fall. Denn das Batt­le wird von der Poli­zei unter­bro­chen. Der Grund ist ent­we­der zu hohe Laut­stär­ke oder das Nicht­ein­hal­ten von Social Distancing-​Regeln. Das Pro­blem ist aller­dings schnell beho­ben und so schlägt Bee­nie Man nicht nur die Poli­zei, son­dern laut Billboard-​Magazin auch Boun­ty Kil­ler mit drei­zehn zu zehn Punkten.

In Fol­ge die­ses Batt­les ent­wi­ckelt sich das Verzuz-​Format wei­ter und fin­det in ver­schie­dens­ten For­men, auf unter­schied­li­chen Platt­for­men und inklu­si­ve eini­ger Sponsor:innen, Partner:innen und sogar Publi­kum statt.

 

Die Batt­les – Staf­fel 1

Die ers­te Staf­fel von Ver­zuz läuft von März bis Sep­tem­ber 2020 und umfasst etwa zwan­zig Batt­les. Eines der letz­ten Batt­les im "klei­nen" For­mat lie­fern sich die bei­den Rap­per Nel­ly und Ludacris. Die Zusam­men­kunft der bei­den lässt sich an der Stel­le durch­aus als logisch beschrei­ben. Denn ihre Kar­rie­ren wei­sen enor­me Par­al­le­len auf, auch wenn sich die bei­den musi­ka­lisch unter­schei­den. Bei­de brach­ten im Jahr 2000 ihr jeweils ers­tes Album her­aus. Musi­ka­lisch waren sie seit­dem zwar durch­aus unter­schied­lich, aber konn­ten ins­be­son­de­re zu Beginn der 2000er mit ihrem jewei­li­gen Sound enor­me Erfol­ge fei­ern. Bei­de erreich­ten mehr­mals mit ihren Alben die Spit­ze der Charts und sicher­ten sich auch pres­ti­ge­träch­ti­ge Aus­zeich­nun­gen wie den Grammy-​Award. Seit 2010 sank der Release-​Output der Künst­ler aber deut­lich. Wäh­rend Ludacris zuneh­mend sei­ner Tätig­keit als Schau­spie­ler nach­ging, schien Nel­ly zwi­schen­zeit­lich von der Bild­flä­che zu ver­schwin­den. Das Verzuz-​Battle der bei­den gewinnt Ludacris mit zwölf zu neun Punk­ten, sorgt aber auch für hef­ti­ge Kri­tik an sei­nen Lyrics. Wäh­rend einer tech­ni­schen Pan­ne bei Nel­ly spiel­te Luda einen bis dato unre­leas­ten Song von sich ab, in dem er unter ande­rem rappt, dass er R. Kel­lys Musik liebt. Er selbst fand, die Zei­le müs­se im humo­ris­ti­schen Kon­text des Tracks betrach­tet wer­den. Trotz die­ses Faux­pas releast Ludacris nach dem Batt­le wie­der eini­ges mehr an Musik und ver­öf­fent­licht seit­dem gleich meh­re­re Sin­gles. Nel­ly scheint sich nach dem Batt­le sogar in einer gänz­lich krea­ti­ven Pha­se zu befin­den. Nach der erfolg­rei­chen Wie­der­ver­öf­fent­li­chung einer Deluxe-​Version sei­nes Klas­si­kers "Coun­try Grammar" 2020 folgt dar­auf 2021 direkt noch ein dazu pas­sen­des Live­al­bum. Im Som­mer 2021 erscheint dann sein neu­es­tes Album "Heart­land", eine Kom­bi­na­ti­on aus Rap und Country-​Musik, gan­ze acht Jah­re nach sei­nem letz­ten Studioalbum.

Die Verzuz-​Battles bie­ten aller­dings längst nicht nur Rapper:innen eine Büh­ne. So kam es zum Bei­spiel zum Batt­le zwi­schen Ali­cia Keys und John Legend. Zuge­ge­ben: Berüh­rungs­punk­te zur HipHop-​Musik sind bei die­sen Kontrahent:innen eben­falls gege­ben, nicht zuletzt, weil Ali­cia Keys zum Bei­spiel mit dem Verzuz-​Gründer Swizz Beatz ver­hei­ra­tet ist. Dass sie frü­her oder spä­ter auch Teil der Rei­he wer­den wür­de, war also abzu­se­hen. Denn die bei­den sind bereits seit Jah­ren am krea­ti­ven Out­put und der Musik der:des Ande­ren regel­mä­ßig betei­ligt. Tat­säch­lich war das Batt­le von Keys und Legend aber etwas sehr Beson­de­res: Es wur­de am 19. Juni 2020 im Rah­men eines Juneteenth-​Specials aus­ge­tra­gen. Der "June­te­enth", bes­ser bekannt als "Black Inde­pen­dence Day" oder "Free­dom Day", ist ein US-​amerikanischer Fei­er­tag, der an die Befrei­ung der afro­ame­ri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung aus der Skla­ve­rei im 19. Jahr­hun­dert erin­nert. Das Batt­le von Ali­cia Keys und John Legend war neben dem Instagram-​Stream auch auf Apple-​Music zu sehen. Die­se Neue­rung war Teil der gene­rel­len Ver­än­de­run­gen im zwei­ten Teil der ers­ten Staf­fel von Ver­zuz. Die bei­den Kontrahent:innen per­form­ten eine Viel­zahl ihrer Songs Rücken an Rücken, wäh­rend sie Pia­no spiel­ten, und erzeug­ten so eine beson­de­re Atmo­sphä­re. Die bei­den spiel­ten direkt zu Beginn gemein­sam den "Redemp­ti­on Song" von Bob Mar­ley & the Wai­lers und ver­deut­lich­ten – ent­spre­chend dem Fei­er­tag –, dass es hier um Zusam­men­halt und nicht Kon­kur­renz­kampf gehen soll­te. Das Batt­le wur­de somit vom Bill­board Maga­zin auch nicht bewer­tet, son­dern ledig­lich "Hono­rable Men­ti­ons" zusammengetragen.

Etwa einen Monat spä­ter kam es zum Batt­le zwi­schen DMX und Snoop Dogg. Zu die­sem Zeit­punkt ahn­te nie­mand, dass es einer der letz­ten gro­ßen öffent­li­chen Auf­trit­te von DMX wer­den wür­de. Tat­säch­lich wirk­te der Rap­per bereits wäh­rend des Live­streams ange­schla­gen und rapp­te im Ver­gleich zu Snoop grund­sätz­lich über die Playback-​Versionen sei­ner Tracks. Trotz­dem erzeug­ten die bei­den zu zweit eine enor­me Ener­gie und begeis­ter­ten das Livestream-​Publikum – zeit­wei­se sahen über 525 000 Per­so­nen zu. Am Ende konn­te DMX, laut dem Bill­board Maga­zin, das Batt­le gegen Snoop mit einem Punk­te­stand von zwölf zu zehn gewin­nen. Die bei­den MCs über­zeug­ten mit einer Battle-​Show geprägt durch gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung und vie­le wür­di­gen­de State­ments gegen­über dem Werk des jeweils ande­ren. DMX feu­er­te noch mal fast alle ganz gro­ßen Songs sei­ner Dis­ko­gra­phie ab, dar­un­ter unter ande­rem "X Gon' Give It To Ya", "Slip­pin", "Ruff Ryders' Anthem" und "Par­ty Up (Up in Here)". Rück­wir­kend ist es dem­entspre­chend ein mehr als wür­di­ger letz­ter Auf­tritt von DMX auf der gro­ßen Büh­ne – beglei­tet von Snoop, der ihn wäh­rend der gesam­ten Show stell­ver­tre­tend für alle Fans abfeierte.

 

Die Batt­les – Staf­fel 2

Die zwei­te Staf­fel von Ver­zuz begann noch Ende des Jah­res 2020 und nahm zu Beginn von 2021 rich­tig an Fahrt auf. So kam es am 20.03.2021 zum Verzuz-​Battle zwi­schen Rae­kwon und Ghost­face Kil­lah. Vie­le Wu-​Tang Clan-​Fans beschäf­ti­gen sich seit jeher mit der Fra­ge, wer denn nun der bes­te Rap­per des Wu-​Tang Clans sei. Und tat­säch­lich sind eini­ge Mem­ber nur schwer zu ver­glei­chen. Wäh­rend eini­ge als Solo-​Rapper ver­hält­nis­mä­ßig sel­ten in Erschei­nung tre­ten, sind ande­re längst unab­hän­gig vom Rap-​Zirkus bekannt und erfolg­reich, zum Bei­spiel als Schau­spie­ler. Eini­ge aus der Grup­pe las­sen sich jedoch rela­tiv gut ver­glei­chen. Tat­säch­lich wer­den die bei­den 1970 gebo­re­nen New Yor­ker in der Regel in einem Atem­zug genannt und mit­ein­an­der ver­gli­chen. Rae­kwon und Ghost­face befeu­er­ten die­sen Zustand aller­dings auch mit Beginn ihrer Kar­rie­re selbst. Auf dem 1995 erschie­ne­nen Solo-​Debüt "Only Built 4 Cuban Linx…" von Rae­kwon ist Ghost­face gleich drei­zehn­mal mit Fea­tures ver­tre­ten und taucht so in zwei Drit­teln des Albums auf. Ein Jahr spä­ter revan­chier­te sich Ghost­face Kil­lah mit sei­nem Debüt "Iron­man", auf dem Rae­kwon eben­falls zwölf­mal gefea­tur­et ist. In bei­den Fäl­len hat es der jewei­li­ge Fea­ture­gast zudem sowohl in Bild- als auch Schrift­form auf das Album­co­ver geschafft. Viel­leicht lie­fer­te das Verzuz-​Match also in die­sem Fall gar kein klas­si­sches Batt­le, son­dern viel eher einen pas­sen­den Rah­men, um gemein­sa­me Tracks zu per­for­men. Und tat­säch­lich war das Batt­le der bei­den ein wil­der Mix, bei dem rei­ne Solo­tra­cks eher eine Sel­ten­heit dar­stell­ten. Statt­des­sen per­form­ten die bei­den elf Songs, auf denen bei­de Künst­ler ver­tre­ten sind, sowie zusätz­lich fünf Songs vom Wu-​Tang Clan. Ent­spre­chend schwer fiel es, einen Sie­ger für die­ses Duell aus­zu­ma­chen. Auch das Bill­board Maga­zin woll­te hier nicht das Züng­lein an der Waa­ge spie­len und bewer­te­te das Batt­le als eines der sel­te­nen Unent­schie­den in der Verzuz-Geschichte.

2010 erschien mit "Wu-​Massacre" eine wei­te­re Kol­la­bo­ra­ti­on der bei­den Wu-​Member, auf dem das Duo zusätz­lich durch Method Man unter­stützt wur­de. Einen Monat nach Raek und Ghost hat­te auch der Fea­ture­gast sei­nen eige­nen Auf­tritt bei Ver­zuz. Die­ser fand selbst­ver­ständ­lich mit sei­nem Part­ner in Crime Red­man statt. Zudem war es ein erneu­tes Verzuz-​Special, das am 20.04. unter dem Mot­to "420" bezie­hungs­wei­se "How High" statt­fand und dem­entspre­chend kein Batt­le dar­stell­te, wie es bei den Special-​Ausgaben von Ver­zuz grund­sätz­lich der Fall ist. Der Titel ist dabei an den gleich­na­mi­gen Film des Duos ange­lehnt, in dem die bei­den nicht nur die Haupt­rol­len spiel­ten, son­dern auch für den Sound­track ver­ant­wort­lich waren. Der Pro­du­zent und DJ Scratch unter­stütz­te die bei­den bei ihrem Verzuz-​Auftritt. Die­ser fand zudem im legen­dä­ren Apol­lo Thea­ter in Harlem-​New York statt, wel­ches ins­be­son­de­re für die HipHop-​Geschichte eine enor­me Bedeu­tung hat. Hier wird seit 1914 fast aus­schließ­lich Musik von Schwar­zen Künstler:innen per­formt und unter­stützt, da spe­zi­ell dem Schwar­zen Publi­kum New Yorks lan­ge der Zutritt zu ande­ren Ver­an­stal­tungs­stät­ten aus ras­sis­ti­schen Moti­ven ver­wehrt wur­de. Neben ihren Tracks vom Klas­si­ker "Black­out!" per­form­ten Red­man und Method Man auch Tracks mit eini­gen Special-​Guests. So betra­ten unter ande­rem RZA, Inspec­tah Deck und Cap­pa­don­na vom Wu-​Tang Clan sowie EPMD die Büh­ne. Zudem zoll­ten Red und Meth dem ver­stor­be­nen DMX Tri­but und per­form­ten den Track "4,3,2,1", der 1997 zusam­men mit LL Cool J, Can­ni­bus und eben DMX ent­stand. Red­man und Method Man been­de­ten ihre unter­halt­sa­me Show mit der Ankün­di­gung, dass die bei­den an "Black­out! 3" arbei­ten würden.

Red­man and Method Man per­form 4,3,2,1 on | DMX Tribute

Meth und Red sind zwei Bei­spie­le dafür, dass es durch­aus mög­lich ist, lan­ge im Rap-​Kosmos aktiv zu sein, ohne in Ver­ges­sen­heit zu gera­ten. Die­ses Durch­hal­te­ver­mö­gen – oder nöti­ge Glück – hat­ten in den letz­ten Jahr­zehn­ten aber längst nicht alle Rapper:innen. So hell der Stern eini­ger die­ser Künstler:innen leuch­te­te, so schnell war er auch wie­der vom Rap-​Himmel ver­schwun­den. Bei­spie­le hier­für sind Bow Wow und Soul­ja Boy. Wäh­rend Bow Wow in den 2000ern regel­mä­ßig Alben releas­te und sich par­al­lel als Schau­spie­ler aus­tob­te, kas­sier­te Soul­ja Boy den Stem­pel One-​Hit-​Wonder, der ledig­lich mit "Crank That (Soul­ja Boy)" durch die Decke ging. Soul­ja war mit sei­nem Sound zwar musi­ka­lisch enorm inno­va­tiv und lie­fer­te in den Jah­ren nach "Crank That (Soul­ja Boy)" durch­ge­hend neue Musik, konn­te aber nie an sei­nen Erfolg in den 2000ern anknüp­fen. Ähn­li­ches galt seit 2010 auch für Bow Wow, der sei­nen Out­put zudem enorm zurück­schraub­te. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Verzuz-​Teilnahme war für bei­de also durch­aus ähn­lich. Schließ­lich hat­ten sich bei­de einen Namen gemacht, gerie­ten in den letz­ten Jah­ren musi­ka­lisch aber zuneh­mend in Ver­ges­sen­heit. Trotz­dem schien das Batt­le vie­le Fans zu inter­es­sie­ren. Zeit­wei­se sahen über 700 000 Per­so­nen dem Batt­le am 26.06.2021 zu. Zusätz­lich war bei der Show ein Live-​Publikum in der Kon­zert­hal­le in Los Ange­les anwe­send. Bereits im Vor­feld der Ver­an­stal­tung sti­chel­ten Bow Wow und Soul­ja Boy gegen­ein­an­der, stell­ten aber stets klar, dass es sich ledig­lich um freund­schaft­li­che Trolls han­de­le. Auf der Büh­ne setz­ten sie die­ses Spiel gna­den­los fort und "diss­ten" sich zwi­schen den Songs immer wie­der. Der Gewin­ner des Batt­les schien aller­dings schnell fest­zu­ste­hen. Wäh­rend Bow Wow sich als kon­se­quen­ter Live-​MC prä­sen­tier­te, leis­te­te sich Soul­ja Boy eini­ge Faux­pas: So rapp­te er fast durch­ge­hend über das Voll­play­back sei­ner Tracks und spiel­te "She Make It Clap" gleich drei­mal inner­halb sei­nes Sets. Ein Vor­ge­hen, das es so vor­her bei kei­nem Verzuz-​Battle gab und in einem Set, das in der Regel aus zwan­zig Lie­dern besteht, eigent­lich nicht vor­kom­men soll­te. Am Ende per­form­ten jedoch bei­de gemein­sam "Mar­co Polo" und lie­fer­ten einen gemein­sa­men Schluss­punkt ihres Battles.

Ein auf den ers­ten Blick unglei­ches Batt­le ereig­net sich dann im Sep­tem­ber 2021 zwi­schen Fat Joe und Ja Rule. Die bei­den New Yor­ker star­te­ten ihre Kar­rie­re zwar jeweils in den 1990er Jah­ren, gehör­ten aber nicht wirk­lich zum sel­ben Umfeld. Wäh­rend Fat Joe bereits zu Beginn der 90er sein Debüt­al­bum ver­öf­fent­lich­te und zunächst ins­be­son­de­re als Underground- und Gangs­ter­rap­per in Erschei­nung trat, ging es für Ja Rule erst Ende der 90er rich­tig los und er beweg­te sich mit sei­nen ers­ten Solo­al­ben musi­ka­lisch eher in Rich­tung R 'n' B. Fat Joe ist im Ver­gleich musi­ka­lisch wesent­lich viel­fäl­ti­ger auf­ge­stellt, da er unter ande­rem sowohl Underground- als auch Club-​Sound pro­du­zier­te. Ja Rule erreich­te mit sei­nen Solo­al­ben gleich mehr­mals die Spit­ze der Charts, wäh­rend Fat Joe mit eini­gen Sin­gles eben­falls enor­me Erfol­ge fei­er­te und zum gefrag­ten Feature-​Gast gewor­den ist. Seit 2012 ist es jedoch um Ja Rule musi­ka­lisch stil­ler gewor­den, wäh­rend Fat Joe wei­ter­hin durch­ge­hend Musik pro­du­ziert. Statt­des­sen fiel Ja Rule immer wie­der durch kri­tik­wür­di­ge Hand­lun­gen auf, wie zum Bei­spiel homo­pho­be Äuße­run­gen in Inter­views oder sei­ne Gefäng­nis­stra­fe wegen Steu­er­hin­ter­zie­hung und uner­laub­ten Waf­fen­be­sit­zes. Im Sep­tem­ber beginnt das Batt­le dann im Hulu Thea­ter direkt am Madi­son Squa­re Gar­den in New York. Zwi­schen eini­gen frag­wür­di­gen Äuße­run­gen der bei­den Rap­per und spe­zi­ell sexis­ti­schen Lines gibt es einen viel­leicht unge­woll­ten Licht­blick. Gleich vier ihrer Gäst:innen sind weib­lich und unter­stüt­zen die bei­den Prot­ago­nis­ten wäh­rend ihrer Show am Mic: Remy Ma, Lil Mo, Vita und Ashan­ti, die mit Fat Joe und Ja Rule gemein­sam ihren Klas­si­ker "What's Love?" per­formt. Es dau­ert aller­dings nicht lan­ge, bis Fat Joe wie­der in chau­vi­nis­ti­sche Mus­ter ver­fällt: Kur­zer­hand und fast will­kür­lich schenkt er auf der Büh­ne Ashan­ti und Remy Her­mes jeweils eine Hand­ta­sche, ver­mut­lich nur, um zu zei­gen, wie sehr er mit Geld mitt­ler­wei­le um sich wer­fen kann. Wäh­rend die­ser Move eher weni­ger kul­tu­rel­len Mehr­wert lie­fert, besticht die Show der bei­den ansons­ten durch zahl­rei­che Hits und eine ener­ge­ti­sche Per­for­mance gemein­sam mit etli­chen Gäst:innen.

Fat Joe, Ashan­ti, and Ja Rule per­form "What's Luv" during

Im Okto­ber 2021 kommt es dann zu einem Batt­le zwi­schen zwei Künst­lern, die ihre Kar­rie­ren bei­de bereits in den 1980ern star­te­ten: KRS-​One und Big Dad­dy Kane. Bei­de ver­öf­fent­lich­ten ihre Debüt­al­ben im Jahr 1988 – KRS-​One damals noch als Teil des Duos Boo­gie Down Pro­duc­tions. Ihr Batt­le bei Ver­zuz hat zudem tat­säch­lich einen sehr alten Beef-​Kontext: einen Streit zwi­schen den Boo­gie Down Pro­duc­tions und der Juice Crew, zu der Big Dad­dy Kane gehört. Mit­te bis Ende der 1980er kam es zu den soge­nann­ten "Bridge Wars", in wel­chen die bei­den Lager musi­ka­lisch aus­ge­foch­ten hat­ten, wo der Geburts­ort von Hip­Hop inner­halb von New York liegt. Wäh­rend es für die Boo­gie Down Pro­duc­tions ein­deu­tig die South Bronx ist, ist es laut der Juice Crew die Queens­bridge. Im Zuge des Beefs ent­stand dann 1987 unter ande­rem der KRS-​Klassiker "The Bridge is over", in dem er die gesam­te Juice Crew als Lüg­ner abstem­pel­te. Mit Beginn der 1990er Jah­re ver­lief sich der Kon­flikt jedoch und wur­de 2007 durch ein Kol­la­bo­al­bum von KRS-​One und Mar­ley Marl, Mit­glied der Juice Crew, end­gül­tig offi­zi­ell been­det. Das Verzuz-​Battle star­tet also unter freund­schaft­li­chen Vor­zei­chen. Und tat­säch­lich wirkt das Batt­le von Beginn an eher wie eine ein­zi­ge gemein­sa­me Zele­brie­rung der HipHop-​Kultur. Wäh­rend Kane mit per­fek­ter Atem­tech­nik trotz sei­ner Asthma-​Erkrankung gänz­lich ohne Backup-​MC oder Play­back per­formt, streut KRS-​One immer wie­der A cap­pel­las und exklu­si­ve Stro­phen in sein Set ein. Die bei­den schät­zen sich sehr und hul­di­gen ande­ren HipHop-​Pionieren, wie zum Bei­spiel dem 2021 ver­stor­be­nen Biz Mar­kie, der gemein­sam mit Big Dad­dy Kane zu Beginn der 1980er Jah­re sei­ne Rap-​Karriere begann. Alte Weggefährt:innen tau­chen wäh­rend der Show aber auch auf der Büh­ne auf, unter ande­rem Eric B., Rox­an­ne Shan­té und Das EFX. Fat Joe, der kurz zuvor noch selbst für Ver­zuz auf der Büh­ne stand, steht hier selbst als Fan fas­zi­niert und kopf­ni­ckend in der ers­ten Rei­he. Auch die bei­den DJs von KRS und Kane, DJ Scratch und DJ Kid Capri, erhal­ten ihr Spot­light. In einer Run­de über­las­sen die bei­den MCs sogar unter ande­rem Cra­zy Legs und Pop Mas­ter die Büh­ne für eine Breakdance-​Session. Auch wenn das Reper­toire von KRS-​One wesent­lich grö­ßer ist, so gibt es am Ende kei­nen ein­deu­ti­gen Gewin­ner des Battles.

 

2022 – wie geht es weiter?

Auch wenn Ver­zuz in den letz­ten knapp zwei Jah­ren sicher­lich nicht das Gen­re des Batt­ler­aps revo­lu­tio­niert hat und spe­zi­ell 2021 zuneh­mend durch ver­mehr­te Spon­so­rings und Wer­be­part­ner auf­fällt, so hat es trotz­dem fri­schen Wind in die Sze­ne gebracht. Zum einen für Fans der Musik, die in Zei­ten einer Pan­de­mie zumeist auf Live­kon­zer­te ver­zich­ten müs­sen, zum ande­ren für Künstler:innen, die zum Teil längst in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind und sich mit­hil­fe von Ver­zuz neue Auf­merk­sam­keit erspie­len kön­nen. Zudem bie­tet das For­mat auch Künstler:innen eine Chan­ce, die zuvor nie im Batt­le­kon­text statt­ge­fun­den haben. Für das Jahr 2022 gibt es bereits eini­ge Ideen und Gerüch­te dar­über, in wel­che Rich­tung sich Ver­zuz wei­ter­ent­wi­ckeln könn­te. So gibt es unter ande­rem die Idee, die Show auch mit euro­päi­schen Acts umzu­set­zen. Inwie­weit das rea­lis­tisch ist, wird sich zeigen.

Jüngst ver­öf­fent­lich­te Com­plex eine Lis­te mit drei­ßig Rapper:innen, die – laut dem Maga­zin – in die­sem For­mat nicht zu schla­gen sei­en. In der Lis­te tau­chen auch eini­ge Namen auf, die bereits zei­gen konn­ten, ob dies zutrifft, zum Bei­spiel Fat Joe, Ludacris, Ja Rule, Nel­ly und Snoop Dogg. Der über­wie­gen­de Teil der Lis­te ist aller­dings bis­her noch nicht Teil von Ver­zuz gewe­sen. So zum Bei­spiel auch Jay-​Z, der sich wie eini­ge ande­re bereits mehr­fach zu einer mög­li­chen Teil­nah­me und einem:einer eben­bür­ti­gen Gegner:in geäu­ßert hat. Jig­ga deu­tet zwar bereits durch­aus Inter­es­se an einer Teil­nah­me an. Aus sei­ner Sicht gibt es aller­dings kei­ne Gegner:innen, die sich auf Augen­hö­he bewe­gen oder eine Chan­ce gegen ihn hät­ten. Neben Jay-​Z ste­hen unter ande­rem auch Tra­vis Scott, Ice Cube, Nas, Dr. Dre, Emi­nem, Kendrick Lamar, Bus­ta Rhy­mes, Mis­sy Elli­ot, Nicki Minaj, 50 Cent und Kanye West in der Lis­te. Es gibt für die Zukunft also defi­ni­tiv noch eine Men­ge hoch­ka­rä­ti­ger poten­zi­el­ler Kandidat:innen für die Wei­ter­füh­rung des mitt­ler­wei­le rie­si­gen Formats.

(Alec Weber)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)