Battles durchziehen die gesamte HipHop-Geschichte und auch alle Disziplinen: sei es das klassische Rap-Battle, Breakdance-Wettbewerbe, DJ-Soundclashes oder das Crossen von Graffitis. Murat Güngör – unter anderem Musiker und Autor von "Fear Of A Kanak Planet: HipHop zwischen Weltkultur und Nazi-Rap" – beschreibt die Ursache dafür folgendermaßen: "Was die Gewalt betrifft, so dürfen wir nicht vergessen, dass HipHop aus einer Ursuppe von Gewalt entstanden ist – körperliche und strukturelle Gewalt auf allen Ebenen." Das Battle bildete dementsprechend eine Analogie zu der strukturellen und körperlichen Gewalt, unter denen viele HipHop-Akteur:innen litten. Entscheidend ist dabei, dass das Battle aber – in all seinen Formen – ritualisiert und kulturalisiert wird. Dementsprechend ist es also nicht als reines Abziehbild oder Fortsetzung "klassischer" Gewalt zu verstehen. Mit dem stetigen Wachsen der HipHop-Kultur kommt es auch im Battle-Kontext immer wieder zu Veränderungen. In den letzten Jahrzehnten ergeben sich – insbesondere in Bezug auf Rap-Battles – mehr Verwertungsmöglichkeiten und somit ergibt sich auch eine zunehmende Kommerzialisierung von Battle-Elementen. Einen neuen Zenit erreicht diese Entwicklung im Jahr 2020 mit Verzuz.
Entstehungsgeschichte von Verzuz
März 2020: Das Corona-Virus führt die Welt in eine Pandemie und sorgt damit endgültig für einen nahezu absoluten Stillstand in der globalen Kulturszene. Es dauert nicht lange, bis auch die internationale HipHop-Community von einem kollektiven Gefühl zwischen Angst, Panik und Langeweile durchzogen wird. Relativ schnell beginnt ein massives Nutzen von Livestream-Möglichkeiten, um zumindest eine minimierte und digitale Form des kulturellen Austausches stattfinden zu lassen. Die beiden HipHop-Produzenten Swizz Beatz und Timbaland versuchen sich in dieser Zeit an der Idee, ein Battle auf digitaler Ebene im Livestream stattfinden zu lassen und dabei die eigenen Hits und Musik-Kataloge gegeneinander antreten zu lassen. Die Grundidee der beiden Produzenten, eine Liveshow zu veranstalten, bei der sich Produzent:innen mit ihren größten Hits battlen, entstand bereits 2017.
Am 24.03.2020 bestreiten Swizz und Timbaland ihr Battle und legen damit den Grundstein für die Entstehung von Verzuz. Obwohl das Battle lediglich über einen gemeinsamen Instagram-Livestream ausgestrahlt wird, sehen teilweise über 22 000 Menschen zeitgleich zu. Timbaland nennt das Ganze "musikalisches Schach", schließlich kann er mit überraschenden und guten Tracks stets sowohl Publikum als auch Gegner beeindrucken. Beide Kontrahenten sehen in ihrer Idee eine "Sache für die Kultur". Bereits im April 2020 meldet Timbaland "Verzuz TV" als Marke an und legt damit den Grundstein für ein erfolgreiches Business rund um die musikalischen Battles. Zu diesem Zeitpunkt möchte Timbaland, dass die Battles weiterhin nur über Instagram laufen und nicht auf "klassischen" Streaming- beziehungsweise Videoportalen stattfinden. Entsprechend entsteht auch in diesem Zeitraum der Verzuz-Instagram-Account, dem mittlerweile weit über sechs Millionen Menschen folgen.
Die ersten Battles zeichnen sich dadurch aus, dass sich die verschiedenen Kontrahent:innen jeweils zwanzig Songs abwechselnd in einem gemeinsamen Instagram-Livestream vorspielen und dabei spannende Anekdoten zu den jeweiligen Songs erzählen. Zudem sind die jeweiligen Gegner:innen zumeist zwar energetisch, allerdings auch stets wertschätzend gegenüber dem Werk des:der anderen. Der klassische Battle-Vibe gerät also eher in den Hintergrund. Dies ändert sich mit dem Verzuz zwischen RZA und DJ Premier. Das Onlinemagazin Billboard – das auch für die Charts in den USA verantwortlich ist – liefert eine detaillierte Bewertung des Battles ab. So wird vom Magazin für jede Runde ein Gewinner ausgemacht, wobei auch ein Unentschieden innerhalb einer Runde möglich ist. Das erste Match mit "offizieller" Bewertung gewinnt DJ Premier gegen RZA mit vierzehn zu neun Punkten. Dabei ist anzumerken, dass die beiden das Battle mit einigen Bonusrunden ausschmückten. Letztlich überzeugte allerdings DJ Premier mit seinem wesentlich größeren und vielfältigeren Katalog gegenüber dem von RZA, welcher sich überwiegend auf Wu-Tang Clan-interne Produktionen beschränkt. Das Billboard-Magazin ist sich allerdings sicher, dass vor allem die Kultur gewonnen hat.
Mit dem zwölften Verzuz am 23.05.2020 erhält die Veranstaltung gleich auf mehreren Ebenen eine Aufwertung. Das Battle bestreiten die Reggae- und Dancehall-DJs Bounty Killer und Beenie Man. Der Livestream findet nun erstmals auf dem Verzuz-Instagram-Account statt. Zudem spielen sich die beiden Künstler ihre Songs nicht nur vor, sondern gestalten eine gemeinsame Live-Performance. Das Battle hat mit zwischenzeitlich 500 000 Zuschauer:innen die bis dato zweitgrößte Zuschauerschaft. Lediglich das Battle zwischen Erykah Badu und Jill Scott hatte bis dahin mehr Zuschauer:innen. Außerdem kommt es zu einem besonderen Zwischenfall. Denn das Battle wird von der Polizei unterbrochen. Der Grund ist entweder zu hohe Lautstärke oder das Nichteinhalten von Social Distancing-Regeln. Das Problem ist allerdings schnell behoben und so schlägt Beenie Man nicht nur die Polizei, sondern laut Billboard-Magazin auch Bounty Killer mit dreizehn zu zehn Punkten.
In Folge dieses Battles entwickelt sich das Verzuz-Format weiter und findet in verschiedensten Formen, auf unterschiedlichen Plattformen und inklusive einiger Sponsor:innen, Partner:innen und sogar Publikum statt.
Die Battles – Staffel 1
Die erste Staffel von Verzuz läuft von März bis September 2020 und umfasst etwa zwanzig Battles. Eines der letzten Battles im "kleinen" Format liefern sich die beiden Rapper Nelly und Ludacris. Die Zusammenkunft der beiden lässt sich an der Stelle durchaus als logisch beschreiben. Denn ihre Karrieren weisen enorme Parallelen auf, auch wenn sich die beiden musikalisch unterscheiden. Beide brachten im Jahr 2000 ihr jeweils erstes Album heraus. Musikalisch waren sie seitdem zwar durchaus unterschiedlich, aber konnten insbesondere zu Beginn der 2000er mit ihrem jeweiligen Sound enorme Erfolge feiern. Beide erreichten mehrmals mit ihren Alben die Spitze der Charts und sicherten sich auch prestigeträchtige Auszeichnungen wie den Grammy-Award. Seit 2010 sank der Release-Output der Künstler aber deutlich. Während Ludacris zunehmend seiner Tätigkeit als Schauspieler nachging, schien Nelly zwischenzeitlich von der Bildfläche zu verschwinden. Das Verzuz-Battle der beiden gewinnt Ludacris mit zwölf zu neun Punkten, sorgt aber auch für heftige Kritik an seinen Lyrics. Während einer technischen Panne bei Nelly spielte Luda einen bis dato unreleasten Song von sich ab, in dem er unter anderem rappt, dass er R. Kellys Musik liebt. Er selbst fand, die Zeile müsse im humoristischen Kontext des Tracks betrachtet werden. Trotz dieses Fauxpas releast Ludacris nach dem Battle wieder einiges mehr an Musik und veröffentlicht seitdem gleich mehrere Singles. Nelly scheint sich nach dem Battle sogar in einer gänzlich kreativen Phase zu befinden. Nach der erfolgreichen Wiederveröffentlichung einer Deluxe-Version seines Klassikers "Country Grammar" 2020 folgt darauf 2021 direkt noch ein dazu passendes Livealbum. Im Sommer 2021 erscheint dann sein neuestes Album "Heartland", eine Kombination aus Rap und Country-Musik, ganze acht Jahre nach seinem letzten Studioalbum.
Die Verzuz-Battles bieten allerdings längst nicht nur Rapper:innen eine Bühne. So kam es zum Beispiel zum Battle zwischen Alicia Keys und John Legend. Zugegeben: Berührungspunkte zur HipHop-Musik sind bei diesen Kontrahent:innen ebenfalls gegeben, nicht zuletzt, weil Alicia Keys zum Beispiel mit dem Verzuz-Gründer Swizz Beatz verheiratet ist. Dass sie früher oder später auch Teil der Reihe werden würde, war also abzusehen. Denn die beiden sind bereits seit Jahren am kreativen Output und der Musik der:des Anderen regelmäßig beteiligt. Tatsächlich war das Battle von Keys und Legend aber etwas sehr Besonderes: Es wurde am 19. Juni 2020 im Rahmen eines Juneteenth-Specials ausgetragen. Der "Juneteenth", besser bekannt als "Black Independence Day" oder "Freedom Day", ist ein US-amerikanischer Feiertag, der an die Befreiung der afroamerikanischen Bevölkerung aus der Sklaverei im 19. Jahrhundert erinnert. Das Battle von Alicia Keys und John Legend war neben dem Instagram-Stream auch auf Apple-Music zu sehen. Diese Neuerung war Teil der generellen Veränderungen im zweiten Teil der ersten Staffel von Verzuz. Die beiden Kontrahent:innen performten eine Vielzahl ihrer Songs Rücken an Rücken, während sie Piano spielten, und erzeugten so eine besondere Atmosphäre. Die beiden spielten direkt zu Beginn gemeinsam den "Redemption Song" von Bob Marley & the Wailers und verdeutlichten – entsprechend dem Feiertag –, dass es hier um Zusammenhalt und nicht Konkurrenzkampf gehen sollte. Das Battle wurde somit vom Billboard Magazin auch nicht bewertet, sondern lediglich "Honorable Mentions" zusammengetragen.
Etwa einen Monat später kam es zum Battle zwischen DMX und Snoop Dogg. Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand, dass es einer der letzten großen öffentlichen Auftritte von DMX werden würde. Tatsächlich wirkte der Rapper bereits während des Livestreams angeschlagen und rappte im Vergleich zu Snoop grundsätzlich über die Playback-Versionen seiner Tracks. Trotzdem erzeugten die beiden zu zweit eine enorme Energie und begeisterten das Livestream-Publikum – zeitweise sahen über 525 000 Personen zu. Am Ende konnte DMX, laut dem Billboard Magazin, das Battle gegen Snoop mit einem Punktestand von zwölf zu zehn gewinnen. Die beiden MCs überzeugten mit einer Battle-Show geprägt durch gegenseitige Unterstützung und viele würdigende Statements gegenüber dem Werk des jeweils anderen. DMX feuerte noch mal fast alle ganz großen Songs seiner Diskographie ab, darunter unter anderem "X Gon' Give It To Ya", "Slippin", "Ruff Ryders' Anthem" und "Party Up (Up in Here)". Rückwirkend ist es dementsprechend ein mehr als würdiger letzter Auftritt von DMX auf der großen Bühne – begleitet von Snoop, der ihn während der gesamten Show stellvertretend für alle Fans abfeierte.
Die Battles – Staffel 2
Die zweite Staffel von Verzuz begann noch Ende des Jahres 2020 und nahm zu Beginn von 2021 richtig an Fahrt auf. So kam es am 20.03.2021 zum Verzuz-Battle zwischen Raekwon und Ghostface Killah. Viele Wu-Tang Clan-Fans beschäftigen sich seit jeher mit der Frage, wer denn nun der beste Rapper des Wu-Tang Clans sei. Und tatsächlich sind einige Member nur schwer zu vergleichen. Während einige als Solo-Rapper verhältnismäßig selten in Erscheinung treten, sind andere längst unabhängig vom Rap-Zirkus bekannt und erfolgreich, zum Beispiel als Schauspieler. Einige aus der Gruppe lassen sich jedoch relativ gut vergleichen. Tatsächlich werden die beiden 1970 geborenen New Yorker in der Regel in einem Atemzug genannt und miteinander verglichen. Raekwon und Ghostface befeuerten diesen Zustand allerdings auch mit Beginn ihrer Karriere selbst. Auf dem 1995 erschienenen Solo-Debüt "Only Built 4 Cuban Linx…" von Raekwon ist Ghostface gleich dreizehnmal mit Features vertreten und taucht so in zwei Dritteln des Albums auf. Ein Jahr später revanchierte sich Ghostface Killah mit seinem Debüt "Ironman", auf dem Raekwon ebenfalls zwölfmal gefeaturet ist. In beiden Fällen hat es der jeweilige Featuregast zudem sowohl in Bild- als auch Schriftform auf das Albumcover geschafft. Vielleicht lieferte das Verzuz-Match also in diesem Fall gar kein klassisches Battle, sondern viel eher einen passenden Rahmen, um gemeinsame Tracks zu performen. Und tatsächlich war das Battle der beiden ein wilder Mix, bei dem reine Solotracks eher eine Seltenheit darstellten. Stattdessen performten die beiden elf Songs, auf denen beide Künstler vertreten sind, sowie zusätzlich fünf Songs vom Wu-Tang Clan. Entsprechend schwer fiel es, einen Sieger für dieses Duell auszumachen. Auch das Billboard Magazin wollte hier nicht das Zünglein an der Waage spielen und bewertete das Battle als eines der seltenen Unentschieden in der Verzuz-Geschichte.
2010 erschien mit "Wu-Massacre" eine weitere Kollaboration der beiden Wu-Member, auf dem das Duo zusätzlich durch Method Man unterstützt wurde. Einen Monat nach Raek und Ghost hatte auch der Featuregast seinen eigenen Auftritt bei Verzuz. Dieser fand selbstverständlich mit seinem Partner in Crime Redman statt. Zudem war es ein erneutes Verzuz-Special, das am 20.04. unter dem Motto "420" beziehungsweise "How High" stattfand und dementsprechend kein Battle darstellte, wie es bei den Special-Ausgaben von Verzuz grundsätzlich der Fall ist. Der Titel ist dabei an den gleichnamigen Film des Duos angelehnt, in dem die beiden nicht nur die Hauptrollen spielten, sondern auch für den Soundtrack verantwortlich waren. Der Produzent und DJ Scratch unterstützte die beiden bei ihrem Verzuz-Auftritt. Dieser fand zudem im legendären Apollo Theater in Harlem-New York statt, welches insbesondere für die HipHop-Geschichte eine enorme Bedeutung hat. Hier wird seit 1914 fast ausschließlich Musik von Schwarzen Künstler:innen performt und unterstützt, da speziell dem Schwarzen Publikum New Yorks lange der Zutritt zu anderen Veranstaltungsstätten aus rassistischen Motiven verwehrt wurde. Neben ihren Tracks vom Klassiker "Blackout!" performten Redman und Method Man auch Tracks mit einigen Special-Guests. So betraten unter anderem RZA, Inspectah Deck und Cappadonna vom Wu-Tang Clan sowie EPMD die Bühne. Zudem zollten Red und Meth dem verstorbenen DMX Tribut und performten den Track "4,3,2,1", der 1997 zusammen mit LL Cool J, Cannibus und eben DMX entstand. Redman und Method Man beendeten ihre unterhaltsame Show mit der Ankündigung, dass die beiden an "Blackout! 3" arbeiten würden.
Meth und Red sind zwei Beispiele dafür, dass es durchaus möglich ist, lange im Rap-Kosmos aktiv zu sein, ohne in Vergessenheit zu geraten. Dieses Durchhaltevermögen – oder nötige Glück – hatten in den letzten Jahrzehnten aber längst nicht alle Rapper:innen. So hell der Stern einiger dieser Künstler:innen leuchtete, so schnell war er auch wieder vom Rap-Himmel verschwunden. Beispiele hierfür sind Bow Wow und Soulja Boy. Während Bow Wow in den 2000ern regelmäßig Alben releaste und sich parallel als Schauspieler austobte, kassierte Soulja Boy den Stempel One-Hit-Wonder, der lediglich mit "Crank That (Soulja Boy)" durch die Decke ging. Soulja war mit seinem Sound zwar musikalisch enorm innovativ und lieferte in den Jahren nach "Crank That (Soulja Boy)" durchgehend neue Musik, konnte aber nie an seinen Erfolg in den 2000ern anknüpfen. Ähnliches galt seit 2010 auch für Bow Wow, der seinen Output zudem enorm zurückschraubte. Die Voraussetzungen für die Verzuz-Teilnahme war für beide also durchaus ähnlich. Schließlich hatten sich beide einen Namen gemacht, gerieten in den letzten Jahren musikalisch aber zunehmend in Vergessenheit. Trotzdem schien das Battle viele Fans zu interessieren. Zeitweise sahen über 700 000 Personen dem Battle am 26.06.2021 zu. Zusätzlich war bei der Show ein Live-Publikum in der Konzerthalle in Los Angeles anwesend. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung stichelten Bow Wow und Soulja Boy gegeneinander, stellten aber stets klar, dass es sich lediglich um freundschaftliche Trolls handele. Auf der Bühne setzten sie dieses Spiel gnadenlos fort und "dissten" sich zwischen den Songs immer wieder. Der Gewinner des Battles schien allerdings schnell festzustehen. Während Bow Wow sich als konsequenter Live-MC präsentierte, leistete sich Soulja Boy einige Fauxpas: So rappte er fast durchgehend über das Vollplayback seiner Tracks und spielte "She Make It Clap" gleich dreimal innerhalb seines Sets. Ein Vorgehen, das es so vorher bei keinem Verzuz-Battle gab und in einem Set, das in der Regel aus zwanzig Liedern besteht, eigentlich nicht vorkommen sollte. Am Ende performten jedoch beide gemeinsam "Marco Polo" und lieferten einen gemeinsamen Schlusspunkt ihres Battles.
Ein auf den ersten Blick ungleiches Battle ereignet sich dann im September 2021 zwischen Fat Joe und Ja Rule. Die beiden New Yorker starteten ihre Karriere zwar jeweils in den 1990er Jahren, gehörten aber nicht wirklich zum selben Umfeld. Während Fat Joe bereits zu Beginn der 90er sein Debütalbum veröffentlichte und zunächst insbesondere als Underground- und Gangsterrapper in Erscheinung trat, ging es für Ja Rule erst Ende der 90er richtig los und er bewegte sich mit seinen ersten Soloalben musikalisch eher in Richtung R 'n' B. Fat Joe ist im Vergleich musikalisch wesentlich vielfältiger aufgestellt, da er unter anderem sowohl Underground- als auch Club-Sound produzierte. Ja Rule erreichte mit seinen Soloalben gleich mehrmals die Spitze der Charts, während Fat Joe mit einigen Singles ebenfalls enorme Erfolge feierte und zum gefragten Feature-Gast geworden ist. Seit 2012 ist es jedoch um Ja Rule musikalisch stiller geworden, während Fat Joe weiterhin durchgehend Musik produziert. Stattdessen fiel Ja Rule immer wieder durch kritikwürdige Handlungen auf, wie zum Beispiel homophobe Äußerungen in Interviews oder seine Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung und unerlaubten Waffenbesitzes. Im September beginnt das Battle dann im Hulu Theater direkt am Madison Square Garden in New York. Zwischen einigen fragwürdigen Äußerungen der beiden Rapper und speziell sexistischen Lines gibt es einen vielleicht ungewollten Lichtblick. Gleich vier ihrer Gäst:innen sind weiblich und unterstützen die beiden Protagonisten während ihrer Show am Mic: Remy Ma, Lil Mo, Vita und Ashanti, die mit Fat Joe und Ja Rule gemeinsam ihren Klassiker "What's Love?" performt. Es dauert allerdings nicht lange, bis Fat Joe wieder in chauvinistische Muster verfällt: Kurzerhand und fast willkürlich schenkt er auf der Bühne Ashanti und Remy Hermes jeweils eine Handtasche, vermutlich nur, um zu zeigen, wie sehr er mit Geld mittlerweile um sich werfen kann. Während dieser Move eher weniger kulturellen Mehrwert liefert, besticht die Show der beiden ansonsten durch zahlreiche Hits und eine energetische Performance gemeinsam mit etlichen Gäst:innen.
Im Oktober 2021 kommt es dann zu einem Battle zwischen zwei Künstlern, die ihre Karrieren beide bereits in den 1980ern starteten: KRS-One und Big Daddy Kane. Beide veröffentlichten ihre Debütalben im Jahr 1988 – KRS-One damals noch als Teil des Duos Boogie Down Productions. Ihr Battle bei Verzuz hat zudem tatsächlich einen sehr alten Beef-Kontext: einen Streit zwischen den Boogie Down Productions und der Juice Crew, zu der Big Daddy Kane gehört. Mitte bis Ende der 1980er kam es zu den sogenannten "Bridge Wars", in welchen die beiden Lager musikalisch ausgefochten hatten, wo der Geburtsort von HipHop innerhalb von New York liegt. Während es für die Boogie Down Productions eindeutig die South Bronx ist, ist es laut der Juice Crew die Queensbridge. Im Zuge des Beefs entstand dann 1987 unter anderem der KRS-Klassiker "The Bridge is over", in dem er die gesamte Juice Crew als Lügner abstempelte. Mit Beginn der 1990er Jahre verlief sich der Konflikt jedoch und wurde 2007 durch ein Kollaboalbum von KRS-One und Marley Marl, Mitglied der Juice Crew, endgültig offiziell beendet. Das Verzuz-Battle startet also unter freundschaftlichen Vorzeichen. Und tatsächlich wirkt das Battle von Beginn an eher wie eine einzige gemeinsame Zelebrierung der HipHop-Kultur. Während Kane mit perfekter Atemtechnik trotz seiner Asthma-Erkrankung gänzlich ohne Backup-MC oder Playback performt, streut KRS-One immer wieder A cappellas und exklusive Strophen in sein Set ein. Die beiden schätzen sich sehr und huldigen anderen HipHop-Pionieren, wie zum Beispiel dem 2021 verstorbenen Biz Markie, der gemeinsam mit Big Daddy Kane zu Beginn der 1980er Jahre seine Rap-Karriere begann. Alte Weggefährt:innen tauchen während der Show aber auch auf der Bühne auf, unter anderem Eric B., Roxanne Shanté und Das EFX. Fat Joe, der kurz zuvor noch selbst für Verzuz auf der Bühne stand, steht hier selbst als Fan fasziniert und kopfnickend in der ersten Reihe. Auch die beiden DJs von KRS und Kane, DJ Scratch und DJ Kid Capri, erhalten ihr Spotlight. In einer Runde überlassen die beiden MCs sogar unter anderem Crazy Legs und Pop Master die Bühne für eine Breakdance-Session. Auch wenn das Repertoire von KRS-One wesentlich größer ist, so gibt es am Ende keinen eindeutigen Gewinner des Battles.
2022 – wie geht es weiter?
Auch wenn Verzuz in den letzten knapp zwei Jahren sicherlich nicht das Genre des Battleraps revolutioniert hat und speziell 2021 zunehmend durch vermehrte Sponsorings und Werbepartner auffällt, so hat es trotzdem frischen Wind in die Szene gebracht. Zum einen für Fans der Musik, die in Zeiten einer Pandemie zumeist auf Livekonzerte verzichten müssen, zum anderen für Künstler:innen, die zum Teil längst in Vergessenheit geraten sind und sich mithilfe von Verzuz neue Aufmerksamkeit erspielen können. Zudem bietet das Format auch Künstler:innen eine Chance, die zuvor nie im Battlekontext stattgefunden haben. Für das Jahr 2022 gibt es bereits einige Ideen und Gerüchte darüber, in welche Richtung sich Verzuz weiterentwickeln könnte. So gibt es unter anderem die Idee, die Show auch mit europäischen Acts umzusetzen. Inwieweit das realistisch ist, wird sich zeigen.
Jüngst veröffentlichte Complex eine Liste mit dreißig Rapper:innen, die – laut dem Magazin – in diesem Format nicht zu schlagen seien. In der Liste tauchen auch einige Namen auf, die bereits zeigen konnten, ob dies zutrifft, zum Beispiel Fat Joe, Ludacris, Ja Rule, Nelly und Snoop Dogg. Der überwiegende Teil der Liste ist allerdings bisher noch nicht Teil von Verzuz gewesen. So zum Beispiel auch Jay-Z, der sich wie einige andere bereits mehrfach zu einer möglichen Teilnahme und einem:einer ebenbürtigen Gegner:in geäußert hat. Jigga deutet zwar bereits durchaus Interesse an einer Teilnahme an. Aus seiner Sicht gibt es allerdings keine Gegner:innen, die sich auf Augenhöhe bewegen oder eine Chance gegen ihn hätten. Neben Jay-Z stehen unter anderem auch Travis Scott, Ice Cube, Nas, Dr. Dre, Eminem, Kendrick Lamar, Busta Rhymes, Missy Elliot, Nicki Minaj, 50 Cent und Kanye West in der Liste. Es gibt für die Zukunft also definitiv noch eine Menge hochkarätiger potenzieller Kandidat:innen für die Weiterführung des mittlerweile riesigen Formats.
(Alec Weber)
(Grafik von Daniel Fersch)