"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Edgar Wassers "Stockholm-Syndrom EP" ist 2010 erschienen und somit mehr als ein Jahrzehnt alt. Dennoch sind die Kernthemen der Platte immer noch aktuell und auch soundtechnisch passt die Platte perfekt ins Jahr 2021.
Denn Edgar bringt auf jazzigen Beats mit Bläsern und einprägsamen Pianosamples immer wieder auf den Punkt, wie unachtsam unser Umgang miteinander ist und konfrontiert die Hörer:innen mit der immer bedrohlicher werdenden Klimakrise. Manchmal geht er dabei subtil vor, indem er wie zum Beispiel im Song "The Champ Is Here" eine Line wie "Die Erde ist eine Kugel im Lauf einer Spaßkanone" droppt und damit andeutet, dass wir unseren Planeten verheizen. In anderen Titeln hingegen geht er ganz unverblümt vor und äußert gnadenlose Gesellschaftskritik: Auf "Tecla hat gesagt" führt er den Hörer:innen vor Augen, welche Missstände auf der Welt herrschen und prangert unser Nichtstun diesbezüglich an. Neben der Ausbeutung von Menschen geht es auf der EP immer wieder um den Klimawandel und seine Folgen. Er kritisiert unsere Bequemlichkeit und beschreibt durch Lines wie "Wenn die Beats stimmen, ist es egal, wie die Texte sind" sehr treffend die Egal-Haltung, die in Teilen unserer Gesellschaft vorherrscht. Ein gekonnter Wechsel zwischen den lockereren Songs mit humorvollen Lines und auch solchen mit schwerer verdaulichen Lyrics gibt mir als Hörerin die Möglichkeit, die Inhalte auch wirklich zu reflektieren.
Die "Stockholm-Syndrom EP" vereint auf eine außergewöhnliche Art und Weise gekonnt Leichtigkeit und Schwermut. Edgar Wasser zeichnet ein musikalisches Abbild unserer Gesellschaft, die in Bezug auf ihre Zukunft nach wie vor zu sehr die Augen verschließt. Gerade diese Einsicht ist wichtig. Daher sollten wir uns öfter an seine Worte erinnern und die EP einmal mehr aus der Plattenkiste hervorholen.
(Dzermana Schönhaber)