"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Zu Beginn seiner Karriere schenkte ich DISSY nicht die Aufmerksamkeit, die er rückblickend schon damals verdient hätte. So fanden seine EPs "Pestizid" und "Fynn" auch kein Gehör bei mir. Doch nach der Single "Peter Parker" von seinem Debüt-Album "PLAYLIST 01" aus dem Jahr 2018 hatte ich ihn dann endlich auf dem Schirm. Denn der Song pustete mich aus dem Nichts weg und ich war Fan.
Peter Parker ist der bürgerliche Name von Spider-Man, Marvels freundlicher Spinne aus der Nachbarschaft. Die Comic-Figur steht für einen Loser, der im realen Leben meist nicht viel auf die Reihe kriegt und nur in seiner Rolle als Superheld zeigen kann, was er wirklich auf dem Kasten hat. Der Titel liefert also schon mal gute Grundvoraussetzungen für den Song. DISSY stapelt aber noch mal eine Stufe tiefer und rappt: "Für immer so wie Peter Parker, nur dass die mutierte Spinne nie da war." Denn ohne Spinnenbiss wäre Peter Parker nie zu Spider-Man geworden. Doch das ist kein Problem, denn die Angebetete des Rappers steht auf Versager. Mit dieser Thematik spielt er im Song, während er schön unsauber über einen brachialen Trap-Beat rappt. Produziert wurde "Peter Parker" von Friedhelm Mund und DISSY selbst beziehungsweise seinem Alias Fynn. Neben dem grandiosen Musikvideo, das in einem amerikanischen Diner in einem einzigen Take gedreht wurde, trägt besonders die Hook zur melancholischen Stimmung bei. Auch wenn der Erfurter vielleicht "nie King auf der Party" wird, löst er mit dem leicht schief gesungenen Refrain jedes Mal Gänsehaut bei mir aus.
Seit dem Song und dem zugehörigen Album "PLAYLIST 01" ist DISSY einer meiner Lieblingsrapper. Der Song lässt einen Film in meinem Kopf abspielen, der die Heldengeschichte eines sympathischen Verlierers erzählt. Diese Geschichte möchte ich allen ans Herz legen, die sie noch nicht kennen. Gründe genug, die Single regelmäßig aus meiner imaginären Plattenkiste zu kramen.
(Tim Herr)