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Adventskalender

Who sampled who? – Türchen #14: "Mein Mercedes" von DCVDNS

Samples gel­ten seit jeher als ele­men­ta­rer Bestand­teil der HipHop-​Kultur. In unse­rem Advents­ka­len­der bli­cken wir hin­ter die Fas­sa­de von 24 deut­schen Rap­tracks und decken ihre Samples mit der dazu­ge­hö­ri­gen Geschich­te auf. Heu­te: Wel­ches Sam­ple ver­birgt sich hin­ter "Mein Mer­ce­des" von DCVDNS?

Schon seit die HipHop-​Kultur noch in den Kin­der­schu­hen steck­te, sind Samples ein essen­zi­el­ler Teil von ihr. Von alten Klas­si­kern bis hin zu aktu­el­len Chart­hits las­sen sich in unzäh­li­gen Songs Ele­men­te aus bereits exis­tie­ren­den Wer­ken fin­den. Wem erging es noch nicht so, dass er beim Musik­hö­ren über einen bekann­ten Sound gestol­pert ist und sich dar­auf­hin den Kopf über des­sen Her­kunft zer­bro­chen hat? Oft beginnt damit eine span­nen­de Suche nach der Ori­gi­nal­auf­nah­me quer durch die Musik­his­to­rie. Aus die­sem Grund stel­len wir uns in unse­rem dies­jäh­ri­gen Advents­ka­len­der die Fra­ge "Who sam­pled who?" und öff­nen täg­lich ein neu­es Tür­chen: Wir prä­sen­tie­ren Euch 24 ver­schie­de­ne deut­sche Rap­songs und betrach­ten die Samples, wel­che sich dar­in verbergen.

 

 

Rap ist – ins­be­son­de­re in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung – oft hedo­nis­tisch. Vie­le Songs han­deln davon, wer das meis­te Geld hat, das aus­schwei­fends­te Leben führt, die teu­ers­ten Schu­he trägt oder das dicks­te Auto fährt. Gera­de die letz­ten zwei Bei­spie­le sind nicht zufäl­lig gewählt, denn so war und ist es nicht immer. Manch­mal geht es gar nicht dar­um, mit Sta­tus­sym­bo­len anzu­ge­ben, son­dern ein­fach über ein gutes Gefühl zu rap­pen. Genau die­sen Ansatz fin­det man sowohl im Jahr 1986 als auch in 2012.

Vor 35 Jah­ren ver­öf­fent­lich­ten Run-D.M.C. mit "My Adi­das" die ers­te Sin­gle ihres drit­ten Albums. Damals war der Grund­ge­dan­ke von Hip­Hop noch stär­ker ver­brei­tet: Es ging nicht dar­um, dass man sich die kras­ses­ten Schu­he leis­ten kann. Es ging dar­um, was man mit den Schu­hen erlebt hat – es wur­de ein­fach gerappt. Der Song wur­de so popu­lär, dass es zum ers­ten Mal in der Geschich­te zu einer Mar­ken­ko­ope­ra­ti­on zwi­schen Musi­kern und einem Sport­ar­ti­kel­her­stel­ler kam – obwohl das gar nicht von den Künst­lern beab­sich­tigt war. 26 Jah­re spä­ter kam DCVDNS mit sei­nem Debüt­al­bum und der Sin­gle "Mein Mer­ce­des" um die Ecke. Der Song ist die per­fek­te Hom­mage an "My Adi­das". Er sam­pelt nicht nur das Ori­gi­nal und imi­tiert in der Hook den Flow der Vor­la­ge, son­dern per­si­fliert auch den Gangs­ter­rap der 2000er Jah­re, den man durch­aus als Gegen­ent­wurf zur Run-D.M.C.-Ära ver­ste­hen kann. Denn des­sen Prot­ago­nis­ten waren in bei­na­he jedem Musik­vi­deo vor den beein­dru­ckends­ten Karos­se­rien zu sehen – dass die­se meis­tens gemie­tet waren, sei an die­ser Stel­le nur eine Rand­no­tiz. Statt­des­sen rappt DCV dar­über, wie sehr er sei­ne Kar­re liebt, auch wenn die­se nur 100 auf der Auto­bahn schafft. Es geht eben um das Gefühl, auch wenn er im zwei­ten Part etwas über die Strän­ge schlägt – "mein Benz macht mich objekt­op­hil" ist da noch die harm­lo­ses­te Zeile.

DCVDNS zeig­te – trotz sei­nes schwer ein­zu­ord­nen­den Images zu die­sem Zeit­punkt sei­ner Kar­rie­re –, dass er Hip­Hop und sei­ne Geschich­te ver­stan­den hat. Mit "Mein Mer­ce­des" lie­fer­te er eine wun­der­ba­re Hom­mage an einen Mei­len­stein, an den man sich auch 35 Jah­re nach Release noch ger­ne erinnert.

(Micha­el Collins)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)