Schon seit die HipHop-Kultur noch in den Kinderschuhen steckte, sind Samples ein essenzieller Teil von ihr. Von alten Klassikern bis hin zu aktuellen Charthits lassen sich in unzähligen Songs Elemente aus bereits existierenden Werken finden. Wem erging es noch nicht so, dass er beim Musikhören über einen bekannten Sound gestolpert ist und sich daraufhin den Kopf über dessen Herkunft zerbrochen hat? Oft beginnt damit eine spannende Suche nach der Originalaufnahme quer durch die Musikhistorie. Aus diesem Grund stellen wir uns in unserem diesjährigen Adventskalender die Frage "Who sampled who?" und öffnen täglich ein neues Türchen: Wir präsentieren Euch 24 verschiedene deutsche Rapsongs und betrachten die Samples, welche sich darin verbergen.
Klassik trifft HipHop – zwei Welten prallen aufeinander. Was in Tanz- und Musikfilmen gerne mal klischeehaft aufgegriffen wird, passiert in der realen Musikwelt recht oft. Der "Kanon in D-Dur" von Johann Pachelbel etwa wurde fast 20-mal in HipHop-Songs gesampelt, beispielsweise in "Die Eine" von Die Firma. Doch selten wurde ein klassisches Sample so in den Vordergrund gestellt wie im Orsons-Song "Dear Mozart".
"Dear Mozart" erschien im Juni 2019 als Single-Auskopplung vom Album "Orsons Island". Im Song führen die schwäbischen Spaßmacher einen gedanklichen Dialog mit Klassik-Komponist Wolfgang Amadeus Mozart. Es geht um die Krisen und Probleme unserer Zeit, vor allem um das Thema Deutschrap und Autotune – und ob Mozart moderne Musik wohl gemocht hätte. Musikalisch unterfüttert wird das Ganze mit der bekannten Melodie aus Mozarts 1787 komponierter Serenade "Eine kleine Nachtmusik". Gesungen wird die Melodie von Tua, allerdings in einer Moll-Version mit ordentlich Autotune darüber. Passend zum Sample ist der Text gespickt mit musikalischen Wortspielen. Etwa wenn Tua rappt: "Antares wie diesen sind schwere Zeiten für Kunst." Zum einen eine Anlehnung an den Tote Hosen-Song "Tage wie diese", zum anderen ist Antares der Entwickler der ersten Autotune-Software. Ein weiteres Highlight ist die Maeckes-Zeile "Wir lesen keine, gehen nur auf Party-Tour". Eine Partitur – gleicher Klang, aber anders geschrieben – ist die Aufzeichnung mehrstimmiger Musik in Noten. So brachte Mozart seine Kompositionen zu Papier – und kommt im letzten Part dann doch noch zu Wort, verkörpert von Kaas. Er rappt: "Hiermit ist Autotune Mozart-approved." Gut, dass das damit offiziell bestätigt ist.
Wer weiß, was für Musik Mozart mit den heutigen Mitteln komponiert hätte. Vielleicht hätte er genau so einen Song für die Orsons produziert oder sogar selbst berappt. Zumindest wird ihm ein Hang zu Wortspielereien nachgesagt. Auf jeden Fall bereitet der Song eine Menge Spaß beim Hören, zum einen dank der witzigen Fragestellung, zum anderen dank der genialen Nutzung des weltbekannten Samples.
(Tim Herr)
(Grafik von Daniel Fersch)