Schon seit die HipHop-Kultur noch in den Kinderschuhen steckte, sind Samples ein essenzieller Teil von ihr. Von alten Klassikern bis hin zu aktuellen Charthits lassen sich in unzähligen Songs Elemente aus bereits existierenden Werken finden. Wem erging es noch nicht so, dass er beim Musikhören über einen bekannten Sound gestolpert ist und sich daraufhin den Kopf über dessen Herkunft zerbrochen hat? Oft beginnt damit eine spannende Suche nach der Originalaufnahme quer durch die Musikhistorie. Aus diesem Grund stellen wir uns in unserem diesjährigen Adventskalender die Frage "Who sampled who?" und öffnen täglich ein neues Türchen: Wir präsentieren Euch 24 verschiedene deutsche Rapsongs und betrachten die Samples, welche sich darin verbergen.
Panzer, Trümmer, Männer mit Maschinengewehren, Frauen gehüllt in Schwarz, Staub, Tristesse – wir alle haben durch Nachrichten, die uns seit Jahren erreichen, ein gewisses Bild von Afghanistan im Kopf. Allerdings ein sehr einseitiges, das in keinster Weise alle Facetten dieses Landes widerspiegeln kann. Farhot wollte dem mit seinem Album "Kabul Fire Vol. 2" und dem darin enthaltenen Song "Yak Sher" etwas Schönes entgegensetzen. Und siehe da: Er hat es geschafft. Mithilfe der hohen Kunst des Samplings erzählt er eine Geschichte, die einen auf eine Reise in ein fremdes Land mitnimmt.
"Yak Sher", was übersetzt "ein Gedicht" bedeutet, beinhaltet genau dies als Sample. Und zwar vorgetragen von dem wahrscheinlich bekanntesten mudschaheddinischen Widerstandskämpfer, Ahmad Shah Massoud. Massoud, der am 09. September 2001 von der terroristischen Vereinigung Al-Qaida ermordet wurde, erzählt auf Dari, dem afghanischen Persisch, von einem Hoffnungsschimmer – von "wartenden Augen", die einen Stern am dunklen Himmel entdecken. Er spricht in den schönsten Metaphern, die vor allem der persischen Sprache geschuldet sind und verdeutlicht damit vermutlich seinen Glauben daran, die Taliban besiegen zu können. Der Beat von Farhot vollendet diese bedeutungsschweren Worte dabei mit noch mehr Schönheit. Er selbst sagt allerdings, er wollte mit "Kabul Fire Vol. 2" und vor allem "Yak Sher" nicht politisch sein, doch wie so oft erscheint das Persönliche eben doch auch politisch. Es gibt schließlich Gründe dafür, dass er sein Geburtsland bisher nie besuchen konnte und nun die Sehnsucht nach einem ihm nahezu fremden Land sowie seinen Umgang mit dem Begriff "Herkunft" – gehüllt in Jazz und HipHop – in einem Album und diesem Song verarbeitet hat.
Ob politisch oder nicht: Farhot hat mit "Yak Sher" ein besonderes Stück Kunst geschaffen und eine spannende Geschichte erzählt, bei der es sich lohnt, ihr auf den Grund zu gehen.
(Yasmina Rossmeisl)
(Grafik von Daniel Fersch)