"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Welche Elemente machen eigentlich richtig gute Raptracks aus? Der Beat, die Lyrics oder etwa die Reimtechnik? Eine komplexe Frage, auf die jede:r eine eigene Antwort hat. Für mich ist die Beantwortung dieser Frage etwas einfacher: Je nach Stimmungslage überwiegt eines dieser Elemente. Bin ich zum Beispiel erschöpft, müssen die Beats pushen und die Lyrics dazu gut passen, aber nicht unbedingt zu tiefsinnig sein. Der richtige Zeitpunkt für "Schuss" von Produzent Enaka und Rapper Schote.
Wie ein Qualitätssiegel ist zu Beginn des Albums das Producer-Tag von Enaka zu hören. Und der enttäuscht über das ganze Album hinweg kein einziges Mal. Von Beats, die einen mit treibenden Bläsersamples komplett umhauen über Tracks mit fast verspieltem Vocoder im Hintergrund bis hin zu eher entspannten atmosphärischen Sounds – der Produzent liefert über elf Songs komplett ab. Allein die Trap-Elemente verbinden, sind aber immer so unterschiedlich und kreativ eingesetzt, dass es soundtechnisch gesehen keinerlei Wiederholungserscheinungen gibt. Dazu kommt Rapper Schote. Die Line "Wenn ich komm', renn' ich Türen ein" bezeichnet den Style des Karlsruhers sehr treffend. Er hat eine unverwechselbare Präsenz auf dem Beat, die sich hauptsächlich aus seiner Stimme und seinem Flow zusammensetzt. Die Inhalte sind dabei fast nebensächlich. Es geht Battlerap-typisch viel um die eigene Vorherrschaft gegenüber anderen Rapper:innen versehen mit einer Prise Frauengeschichten, Drogenkonsum und stumpfen Wie-Vergleichen. Aber ehrlich gesagt spielt das überhaupt keine Rolle. Schote könnte mir hier auch etwas über die Teilprivatisierung deutscher Autobahnen vorrappen und ich würde Dopeness attestieren.
Und genau das macht den Appeal des Albums aus. Elf Enaka-Beats, die auf dem höchsten Level produziert sind, sich kein einziges Mal wiederholen und alle vor Energie nur so strotzen – ergänzt von Schote, der mit seiner Stimme und seinen Lyrics antreibt. Also genau das Richtige bei Ermüdungserscheinungen.
(Jakob Zimmermann)