"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Es ist selten, dass ein Song mein Herz direkt im Sturm erobert, sobald ich ihn das erste Mal höre. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. So zum Beispiel bei "Princess Bubblegum" von ilyTOMMY. Zuvor hatte ich noch nie von dem SoundCloud-Rapper gehört, der mal eine der bekanntesten XXXTentacion-Fanpages unter dem Namen haroinfather betrieb. Und dann ging mir mein erster Kontakt mit seiner Musik nicht mehr aus dem Kopf.
ilyTOMMY ist ein Mysterium. Keine Bio, kein Interview, er lädt nur ab und an eine Single ins weltweite Netz, die selten zwei Minuten überschreitet. Und das war's. Oft beinhalten diese Singles auch nur einen Verse und eine Hook. Bei "Princess Bubblegum" ist das nicht anders: Mit seiner tiefen, einfühlsamen Stimme rappt ilyTOMMY hier in einem kurzen Part einige Zeilen für eine Frau, die er liebt. Die Zeilen sind weder sonderlich deep noch wirklich reich an Inhalt, sondern lediglich eine Liebeserklärung mit einem in sehr eigenen Worten formulierten "Willst du mit mir gehen?": "You can be my number one, won't you be my bubblegum?" Warum mir dieser Track trotzdem so gut gefällt? Ganz einfach: Erstens sind die Zeilen dennoch einprägsam, zweitens wird er perfekt ergänzt durch den Lo-Fi-Beat von Bosley. Dieser hat sich ein äußerst kurzes, einprägsames Saxophon-Sample aus Hareton Salvaninis "Quarto de Hotel" gepickt und es lediglich um einige Drums, Kicks und eine Snare ergänzt. Im Zusammenspiel mit der Stimme von TOMMY ergab das für mich beim ersten Hören einen der stimmigsten Songs seit Langem. Nur ist er leider nach 95 Sekunden schon wieder vorbei.
"Princess Bubblegum" ist ein klassisches Produkt der SoundCloud-Generation, die zur Hochzeit von etwa Lil Peep aufkam. Der Track ist kurz, minimalistisch und auf seine Weise experimentell. Doch Bosley beweist, wie viel das gewählte Sample ausmacht. Dank des Saxophons in Kombination mit der markant tiefen, hypnotisierenden Stimme von ilyTOMMY ist es egal, wie kurz der Song ist. Deswegen ich kann ihn mir problemlos im Loop geben.
(Lukas Päckert)