"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Triste Plattenbausiedlung in Berlin, in der mit trotziger Antihaltung erste Tapes aufgenommen werden – ungefähr so klingen für mich die Argonautiks. Ihre Punchlines eingebettet in dreckige Beats haben mich bereits beim ersten Hören in ihren Bann gezogen. Spätestens jedoch seit dem Album "Trauben über Gold" sind die Teltower Jungs aus meinen Hörgewohnheiten nicht mehr wegzudenken.
Auf einer Albumlänge von 34 Minuten finden die Argonautiks ausreichend Platz, um lyrisch sowohl Selbstreflexion als auch Kritik an der Szene und der Gesellschaft unterzubringen: Mit Lines wie "Nazis erfinden sich wieder neu. Ich hasse das" zeigen sie klare Haltung, ohne sich dafür "Politik-Rapper" auf die Fahne schreiben zu müssen. Dagegen schießen sie mit Lines wie "Deine Zielgruppe: die Kinder meiner Zielgruppe" gegen die teils junge Hörerschaft großer Künstler:innen. Track für Track schwingt dabei ihr Frust auf die Welt mit, den sie durch schlaue Wortspiele zum Ausdruck bringen. Es fehlt dadurch aber keineswegs an klassischen Punchlines, was sie mit Zeilen wie "Du hast keine Gang, du hast nicht mal Freunde in dein'm Freundeskreis" beweisen. Generell verleihen die Argonautiks ihren Punchlines häufig ein sympathisches Augenzwinkern. Genauso lobenswert wie das Rapduo selbst ist auch ihr Produzent zu erwähnen: Donnie Bombay hat dem dreckigen Sound mit melodischen Keys und Dirty South-Elementen frischen Wind verliehen. Mit Kuchenmann und Frust wurden zudem Feature-Gäste gepickt, die perfekt zum Klang des Albums passen.
Das Zusammenspiel aus spannendem Battle-Rap, Berliner Vorstadt-Vibe und düsteren Bässen hat "Trauben über Gold" für mich zu einer meiner Lieblingsplatten der vergangenen Jahre gemacht. Auch wenn die Argonautiks noch deutlich mehr Anerkennung und Platz in der Szene verdient haben, wünsche ich mir, dass ihr Sound und ihre Attitüde eins immer bleiben: "Untergrund für immer."
(Johanna Kaatz)