"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Das Jahr 2020 hat einige gute Platten hervorgebracht. Eine der interessantesten war für mich definitiv "TEMPO" von Lugatti & 9ine. Dass das Album vom Mannheimer Funkvater Frank produziert wurde, hat mich gleich zusätzlich begeistert. Herausgekommen ist dabei eine LP mit einem neuen, düsteren Sound mit den vertrauten Lines über Gras und den Kölner Süden.
Schon der Beginn der Platte gibt den Hörer:innen das Gefühl, gemeinsam mit den selbst ernannten "Kindern der Küste" ins Auto zu steigen. Grund dafür ist der Introtrack, bei dem ein Motorgeräusch erklingt, bevor mit "Schlangen um den Hals" der erste Banger einsetzt. Der Beat dieses Tracks hat für mich etwas mystisches und bietet die perfekte Grundlage für die Punchlines von Lugatti & 9ine, mit denen sie klarmachen, dass nun ihre Zeit gekommen ist. Durch das gesamte Album zieht sich ein Gefühl von Überlegenheit gegenüber der Rapszene so geschickt und mit Witz, dass es auf eine sympathische Art überheblich wirkt. Das zeigt sich vor allem bei "Nicht gefragt" – meinem Lieblingstrack der EP. Lugattis Line "Hör dir diese 808 an, keiner kommt ansatzweise klar" beschreibt den Beat und Sound des Tracks geradezu perfekt: Es scheppert, geht ordentlich vorwärts und bleibt Funkvater Franks Handschrift treu. Bei solchen Songs träumt man direkt vom nächsten Turn up. Zwischen den durchweg guten Beats und Lines finden sich außerdem immer wieder Skits, die die Hörer:innen perfekt von Song zu Song transportieren.
Der neue Sound auf "TEMPO" hat mich ab dem ersten Hören überzeugt. Die Jungs haben es geschafft, ihre bekannten Themen neu und interessant zu verpacken. Es bleibt also spannend, was das Duo in Zukunft liefern wird. Bis dahin, "Brudis und Schwestis", hört Euch die Platte an.
(Johanna Kaatz)