"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Durch die Pandemie ist vor allem mein Interesse und die Liebe für Producing-Projekte gewachsen – der Beat ist für mich zum ausschlaggebenden Gefühlsträger eines Tracks geworden. So etwa auf der Platte "Nuthin' But A She Thang" von Dedicate Label, bei der hervorragende Instrumentals mit Feminismus und Zusammenhalt verschmelzen.
Die 14 Producerinnen der Beatcompilation transportieren mit ihren Beats ganz unterschiedliche, aber durchweg harmonische Vibes. Drei Tracks haben sich dabei für mich direkt in den Vordergrund gestellt. So baut sich der Sound des Tracks "Swoosh" von AINIE mit jeder Sekunde mehr auf, wodurch dieser das perfekte Intro für die Platte darstellt. "Drunk Text" von Josi Miller erinnert mich dagegen an einen vernebelten Heimweg nach einer Party, während die unüberlegte WhatsApp-Nachricht schon ins Handy getippt wurde. Im Kontrast dazu fühlt sich "Babyhoneybee" von Georgia Anne Muldrow an wie Sonnenstrahlen am ersten Frühlingstag des Jahres. Besonders diese drei Tracks des Samplers lassen mich in Erinnerungen schwelgen, aber auch aufatmen und nach vorne schauen. Generell lädt die Kombination der unterschiedlichen Tracks mit teils harten Kicks und scheppernden Snares, aber auch melodisch-trippigen Keys zum entspannten Durchhören ein. Ähnlich wie bei der Soundästhetik treffen auch beim Artwork der Künstlerin HERA weiche und harte Elemente aufeinander. Damit spiegelt der Gesamtauftritt der Platte für mich all das wider, was Frauen sein können: nämlich alles, was sie sein möchten – soft und hart, aufgedreht und zurückhaltend, leise und laut.
Neben der Female Power, die das Projekt von Dedicate Label mit sich bringt, hat das unglaublich gute Hörerlebnis mein Producing-Herz höher schlagen lassen. Die abwechslungsreichen Beats und die ästhetische Optik der transparenten Platte dürfen in keinem Plattenregal fehlen.
(Johanna Kaatz)