Die letzten Tage und Wochen haben erneut bewiesen, welche verheerenden Auswirkungen es hat, wenn ein Teil dieser Welt komplett machtlos ist. Mit Afghanistan existiert gerade ein Paradebeispiel für einen Staat, der von der westlichen Welt und deren Hilfe abhängig ist. Nicht, weil er vor 20 Jahren um Hilfe gebeten hatte, sondern weil er damals besetzt und von westlichen Regierungen abhängig gemacht wurde. Zwei Jahrzehnte später wurden die Truppen nun abgezogen und die Bevölkerung hilflos den Taliban ausgeliefert, die wiederholt das Land in Angst und Schrecken versetzen.
Die Problematik in Afghanistan führt uns momentan unsere Unzulänglichkeiten sowie die Auswirkungen westlicher Macht mal wieder vor Augen, doch diese sind permanent präsent. Denn das Fundament für diese Machtgefälle, das westliche Selbstverständnis und die daraus folgenden Nachwirkungen für Menschen in anderen Erdteilen legte bereits die Kolonialherrschaft europäischer Staaten.
Wir sprachen mit Megaloh über diese Ursprünge, die Konsequenzen und wie man sie auch an Menschen jungen Alters herantragen kann, damit sie deren Auswirkungen schon früh einordnen und verstehen können. Zudem ging es um die Folgen des Kapitalismus und die vorherrschenden Strukturen der Musikindustrie für Künstler:innen sowie deren Selbstermächtigung. Denn Megaloh wurde nicht nur sein Leben lang durch Machtstrukturen geprägt, er behandelt das Thema "Macht" auch seit jeher in seiner Kunst – in Form einzelner Lines, Songs oder ganzer Projekte wie BSMG mit seinen Kollegen Musa und Ghanaian Stallion. Um auf seine eigenen Worte zu verweisen: Vor zehn Jahren war er noch eins mit der Macht, so wie Obi-Wan Kenobi. Heute hat er viele Kontakte nach oben, aber bleibt dann mit Absicht am Boden, so wie Gordon Shumway.
MZEE.com: Lass uns zu Beginn klären, wie du Macht definierst. Wann ist ein Mensch für dich mächtig?
Megaloh: Macht bedeutet für mich, die Fähigkeiten und Möglichkeiten zu haben, Dinge zu tun. Also in der Lage zu sein, ein bestimmtes Ziel erreichen zu können. So würde ich das ganz generell beschreiben. Machtstrukturen, fehlende Macht und Machtkonzentration gibt es ja in allen gesellschaftlichen Bereichen.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass du als Künstler Macht besitzt?
Megaloh: Ja, safe. Ich habe Reichweite und es gibt Menschen, die mir zuhören und wichtig finden, was ich sage. Wenn Menschen zu mir aufschauen und mich als Vorbild betrachten, habe ich auf jeden Fall die Macht, sie mit dem, was ich sage und tue, potenziell zu beeinflussen.
MZEE.com: Hast du in deinem Leben danach gestrebt?
Megaloh: Zumindest nicht bewusst. Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, mein Leben besser gestalten zu können. Nach der Macht, entscheiden zu können, wo ich wann und mit welchen Menschen sein möchte. Und was ich mir leisten kann. Aber ich habe zumindest nie bewusst versucht, daraus einen Nutzen zu ziehen. Ich feier' es nicht, wenn ich das Gefühl habe, dass ich Menschen durch meine Macht formen kann. Für mich ist es wahrhaftiger, wenn mir eine Person eine Antwort gibt, die ihrem eigenen Denken entspricht. Mehr als wenn sie es tut, weil sie vielleicht Angst vor mir hat oder mir gefallen möchte.
MZEE.com: Wenn du sagst, dass das für dich mit Möglichkeiten einhergeht: Würdest du behaupten, dass Macht positive Seiten hat?
Megaloh: Ermächtigung und Macht sind auch etwas Gutes. Machtkonzentration, Machtausnutzung und negativer Einfluss aufgrund von Macht sind schlecht. Über andere verfügen zu können oder andere machtlos sein lassen zu können … Da fängt es dann mit Machtgefällen und -strukturen an. Mächtigen und Machtlosen. In dem Moment wird es ein strukturelles und gesellschaftliches Problem. Man sagt ja immer, Geld sei die Wurzel allen Übels, aber Geld ist auch nur ein Machtinstrument.
MZEE.com: Für mich bist du jemand, der durch und durch Selbstermächtigung verkörpert – zum Beispiel durch BSMG. Woraus schöpfst du die Kraft dafür? Gibt es Menschen und Momente, die dich dahingehend geprägt haben?
Megaloh: Meine Mutter hatte einen starken Einfluss auf mich. Sie ist eine nigerianische Frau, die es aus strukturell bescheidenen Verhältnissen – die aufgrund der Kolonialgeschichte und ihrer Folgen in Afrika herrschen – heraus geschafft hat, um in den USA zu studieren. Sie musste dafür viele Jobs machen. Dann ist sie nach Deutschland gekommen und hat ihren Kindern vermittelt, dass man für die Dinge, die man haben will, hart arbeiten muss. Sie hat mich dafür sensibilisiert, dass nicht alle die gleichen Chancen haben und dass ich mich aus ihrer Sicht noch mehr anstrengen muss. "Du bist deines eigenen Glückes Schmied." Das ist auf jeden Fall die Prägung meiner Mutter. Und dann wird man älter und sieht, dass einiges davon stimmt. Beziehungsweise kann man globale Kontexte besser verstehen und lernen, wie globale Machtstrukturen entstanden sind. Was Ressourcenausbeutung und -verteilung ist. Aber in meinem Alltag ist die treibende Kraft Liebe. Das hört sich immer so plakativ und esoterisch an, aber die Liebe zum Leben und den Menschen in meinem Umfeld gibt mir Kraft.
MZEE.com: Mit BSMG habt ihr den Song "Geschichtsunterricht" veröffentlicht. Nun ist es so, dass ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaft inzwischen gewillt ist, die Geschichte aus einer neuen Perspektive zu erzählen. Der Kolonialismus hat aber seine Anfänge bereits im Jahr 1415. Wie lange, glaubst du, braucht eine Gesellschaft, um mehrere Jahrhunderte Geschichte aus der Perspektive des weißen Mannes neu zu erzählen? Ist das überhaupt machbar?
Megaloh: Das ist eine schwierige Frage, auf die ich leider nicht die eine Antwort habe. Ich glaube schon, dass sich Machtstrukturen umwälzen lassen. Aber das eigentliche Narrativ ist ja: "Der Sieger erzählt die Geschichte." Und wenn man danach geht, bräuchte es erst mal einen neuen Sieger. Meine Hoffnung ist, dass wir das als Kollektiv mit den technologischen Möglichkeiten und der immer stärkeren globalen Vernetzung schaffen. Das Internet bringt viele Möglichkeiten, auf ein kollektives Bewusstseinslevel zu kommen. Alte Machtstrukturen greifen da, glaube ich, nicht mehr. Ob es dann gar keine mehr gibt, sei dahingestellt. Ich finde es gut, dass viele neue Diskurse entstehen. Es werden neue Denkprozesse freigesetzt. Aber ich bin nicht so positiv gestimmt, dass ich denke, dass über 500 Jahre koloniale Strukturen – platt gesagt – in einem Sommer Internetdiskussion aufgelöst werden. Da muss schon mehr passieren. Dabei spielen auch einzelne Geschichten eine große Rolle. Menschen, die in eine Position kommen, in der sie vorher nicht gesehen wurden, sich aber selbstermächtigt in diese Position gebracht haben und aus dieser einen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können. Das sind viele einzelne Geschichten, die das Kollektiv mitprägen und die Prozesse beschleunigen können.
MZEE.com: In den sozialen Medien wird meiner Meinung nach oft ein wenig naiv davon gesprochen, dass man Machtstrukturen auflösen müsse – als würde es ausreichen, darüber einfach mal kurz nachzudenken. Unsere gesamte Kultur und Gesellschaft baut auf Machtstrukturen auf und der Kolonialismus ist der Grundstein der Globalisierung und des westlichen Kapitalismus. Das durchdringt nahezu unsere gesamte Geschichte und das muss man erst mal lernen und begreifen. Welchen Beitrag muss dabei unser Bildungssystem leisten?
Megaloh: In einer perfekten Welt müsste man das Schulsystem komplett reformieren. Es müsste neu definiert werden, was die Schule will. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir alle ein ganzheitliches Wissen über uns als Mensch erwerben. Um sowohl sich selbst und seinen eigenen Körper zu verorten als auch sich auf diesem Planeten als ein Teil eines lebenden Organismus zu verstehen. Dass wir als Menschheit ein Kollektiv sind, unabhängig von Nationen. Gerade der Gedanke der Nation ist extrem veraltet, wenn man ihn dem gegenübersetzt, wie wir uns eigentlich begreifen sollten. Auch wenn wir uns mal anschauen, wohin wir uns in Bezug auf den Klimawandel bewegen. Wenn wir wirklich ein kollektives Bewusstsein hätten, wären bestimmte Sachen sicherlich kein Thema mehr. Aber weil es immer noch einen Wettlauf zwischen Nationen gibt, können wir nicht angemessen handeln. Im besten Fall hätten wir ein Schulsystem, das uns das Lernen komplett neu lehrt. Ich habe keine konkrete Lösung und Vorstellung davon, wie das inhaltlich aussehen sollte. Aber ich würde mir natürlich wünschen, dass im Zuge dessen auch eine geschichtliche Aufarbeitung passiert, die nicht nur den Sieger die Geschichte schreiben lässt, sondern eine objektive Berichterstattung ist. Das gehört ja auch zu den Werten des Journalismus. Da ist etwas passiert, zu dem es Quellen und Berichte gibt. Man kann das Ganze aufarbeiten und so erzählen, wie es passiert ist. Vielleicht ist die Idee naiv, aber in meiner Vorstellung ist das theoretisch machbar. Aber das wird auch durch vorherrschende Machtstrukturen verhindert. Keiner will sich die Blöße geben oder Reparationen zahlen, geschweige denn Macht und Stellung verlieren.
MZEE.com: Ich glaube, es würde auch viel Veränderung mit sich bringen, wenn Kinder und Jugendliche den Unterricht mehr mitgestalten könnten.
Megaloh: Damit hast du völlig recht. Generell haben Kinder noch nicht genügend Mitbestimmungsrecht in dieser Gesellschaft und werden nicht als vollwertige Mitglieder gesehen. Sie werden von oben herab behandelt. Viele Erwachsene berücksichtigen aufgrund ihrer Lebenserfahrung nicht, dass Kinder so viel mehr mitbringen können. Vielleicht spielerischer, weil sie eben noch nicht so durch unser System geprägt wurden und daher einen komplett anderen Blick auf die Welt haben. Man könnte sich gegenseitig befruchten, wenn man sich auf Augenhöhe begegnet. Ich finde es auch nicht gut, wie mit älteren Mitgliedern unserer Gesellschaft umgegangen wird. Wie sie am Ende gefühlt einfach in die Unsichtbarkeit abgeschoben werden. Wir sollten keine Angst davor haben, miteinander zu sprechen und uns auf einer Ebene zu begegnen. Aber da spielen eben Ängste und festgefahrene Strukturen mit rein. Angst ist das größte Hindernis für eine gute Entwicklung.
MZEE.com: Es gibt immer wieder Diskurse darüber, ob die deutsche Erinnerungskultur, auch während der Schulzeit, abseits des Holocausts Raum dafür lässt, die Kolonialgeschichte ausreichend aufzuarbeiten. Hältst du das für einen logischen Gedankengang?
Megaloh: Erst mal denke ich, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern – wie zum Beispiel Frankreich, England oder Dänemark – einen Tick weiter ist, was das angeht. Es ist für jede Nation schwierig, mit ihrer schlechten Vergangenheit umzugehen. Aufgrund dessen, dass Deutschland beide Weltkriege verloren hat, sind sie sogar weiter. Allerdings ist es schon krass auf den Holocaust und die schrecklichen Auswirkungen davon konzentriert. Ich finde es aber schwierig, das beides in Verbindung zu setzen. Das würde ja bedeuten, dass überspitzt gesagt "die Juden" zu viel Aufmerksamkeit bekämen. Da schwingt dann schon etwas mit. Es ist superwichtig, alles an schrecklicher Geschichte aufzuarbeiten, aber in Deutschland passiert das leider sehr oberflächlich. Statt sich wirklich die Mühe zu machen, da hinzugehen, wo es unangenehm ist, werden Themen eher zugemacht. Dadurch wird eine wirkliche Aufarbeitung verhindert. Auch vom Holocaust. Die Schuld schwebt über allen Köpfen und man darf bestimmte Dinge nicht mehr machen, aber es gibt trotzdem keine richtige Aufarbeitung. Die Bundeswehr ist aus den gleichen Strukturen wie die Reichsarmee entstanden. Die Auswirkungen davon werden überhaupt nicht besprochen. Und dann wundert man sich, dass aus der Bundeswehr rassistisches Gedankengut kommt. Dabei ist es nur eine Fortführung der Vergangenheit. Ich gehe so weit, zu sagen, dass der zweite Weltkrieg nicht der Anfang allen Übels in Deutschland war. Die ersten Genozide Deutschlands wurden auf afrikanischem Boden verübt und die Grundlagen und Erfahrungen, um den Holocaust auszuführen, wurden schon dort gesammelt. Es bleibt die Frage, wie man mit Schuld umgehen sollte. Schuld sollte nicht religiös betrachtet werden. Nach dem Motto, dass sie vergeben werden kann oder gesühnt werden sollte. Es geht nicht um Schuld, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen. Das bedeutet, konstruktiv zu handeln. Und das wird zu wenig gemacht. Das ist vielleicht auch die christlich-abendländische Vergangenheit, das Opium des Volkes, das noch zu sehr in den Strukturen mitwabert. Es geht nicht darum, dass alle Deutschen für die Taten ihrer Vorfahren eine Schuld tragen und auf ewig dafür Buße tun müssen. Es geht darum, anzuerkennen, was getan wurde und dafür zu sorgen, eine Gesellschaft zu formen, in der so etwas nicht noch mal passieren kann.
MZEE.com: Man muss sich vielleicht nicht aufgrund der Taten seiner Vorfahr:innen schuldig fühlen, aber Kommunikation und ein Interesse an der eigenen Familiengeschichte sind trotzdem ein wichtiger Bestandteil, denke ich.
Megaloh: Ich denke auch, dass das total spannend und wichtig ist. Aber ich kann auch verstehen, wieso Großeltern vielleicht nicht darüber reden wollen. Weil es einfach ein kollektives Verbrechen war, von dem man sich nicht freisprechen kann, selbst wenn man nicht an vorderster Front beteiligt war. Aber es hat ja nur funktioniert, weil so viele Menschen mitgemacht haben. Diese Reflexion ist sicherlich sehr unangenehm. Aber ich denke, wenn man darüber spricht, übernimmt man auch Verantwortung. Im Sinne von: "Wie können wir die Dinge besser machen?" Das ist ein wichtiger Schritt. Sonst wird es irgendwann eine Generation geben, die das gar nicht mehr nachvollziehen kann.
MZEE.com: Um vom Politischen zur Musik zu kommen: Die Musikindustrie ist ebenfalls von Machtstrukturen durchzogen. Glaubst du, dass es auch dort an der Zeit ist, dass Artists sich emanzipieren und etwas verändern?
Megaloh: Ich glaube, das passiert schon zu großen Teilen. Zu jeder Zeit sind mutige Leute gefragt, die ihr Ding machen und nicht an Normen festhalten. Das bereichert jede Gesellschaft. Vor allem, wenn es nicht destruktiv gegenüber anderen, sondern selbstermächtigend ist. Das passiert und man merkt es auch den Industriestrukturen an. Künstler sind hauptsächlich auf eigenen Plattformen aktiv, sodass sie nicht mehr auf andere angewiesen sind. Sie übernehmen die Kommunikation mit ihrer Hörerschaft selbst. Man kann heutzutage auch ohne Label Musik rausbringen, die streambar ist. Man braucht nur einen Vertrieb. Aber der Markt wird sich dagegen wehren und weiterhin versuchen, Macht zu konzentrieren. Die großen Firmen wollen nichts abgeben. Natürlich kann alles wieder aufgekauft werden, aber die Technologie ist auf jeden Fall in der Lage, uns persönliche Freiheiten zu ermöglichen. Ich glaube daran, dass es mehr Möglichkeiten als Grenzen gibt. Es ist immer schwer zu sagen, wie sich alles entwickeln wird, aber wir hatten als Künstler, glaube ich, noch nie so viel Macht.
MZEE.com: Und trotzdem muss man als künstlerisch tätige Person ab einem gewissen Punkt Kompromisse eingehen und sich ein Stück weit den Strukturen anpassen, wenn man sich ein Leben darauf aufbauen möchte, oder? Wenn man, so wie du, eine Familie ernähren muss, kann man sich vermutlich keine Musik leisten, die ins Leere läuft.
Megaloh: Das gibt es bestimmt und ich mache das sicherlich auch. Aber ich halte das nicht für den Weg. Wenn man Musik oder Kunst aus der Motivation heraus macht, seinen Lebensunterhalt damit verdienen zu wollen, ist das falsch. Kunst ist Ausdruck von Kreativität und der Persönlichkeit. Also auch des persönlichen Umgangs mit Dingen, die einen beschäftigen. Ich bin da immer mehr reingerutscht und habe gesehen, dass ich mit der Musik ausreichend Geld verdienen kann. Das war irgendwann der logische Schritt. Aber es hat mich gleichzeitig in eine Drucksituation gebracht, in der man das Gefühl hat, dass alles komplett durchdacht sein und einen bestimmten Zweck erfüllen muss. Dadurch hatte ich immer weniger Spaß am Musikmachen. Und dann entsteht auch nichts, weil man verkrampft und auf der Suche nach dem perfekten Song ist. Das hat mich alles ziemlich unglücklich gemacht. Man darf nicht vergessen, was der Antrieb ist und wie man überhaupt zur Musik gekommen ist.
MZEE.com: Vor 17 Jahren hast du den Song "Macht des Wortes" releast. Seitdem zieht sich diese Formulierung durch deine gesamte Karriere. 2013 hast du in einem gemeinsamen Interview mit Sookee in der ZEIT darüber gesprochen, dass es bei Rap neben Emanzipation und Gerechtigkeit auch immer um die Macht des Wortes ging. Welche Handlungen folgen aus dieser Erkenntnis?
Megaloh: Dass man sich auf jeden Fall seiner gewählten Worte bewusst sein sollte. Es ist schwer, davon wieder wegzukommen und zu sagen: "Meine Worte gehen in einen luftleeren Raum. Mir doch egal, was danach passiert." Ich weiß, welchen krassen Einfluss meine Helden auf mich hatten und wie sehr sie meinen ganzen Lifestyle beeinflusst haben. Was ich konsumiere, wie ich die Welt betrachte. Es wäre ein bisschen verlogen, zu sagen, dass einen das als Künstler nicht betrifft. Das bedeutet nicht, dass man immer alles auf Political Correctness prüfen muss. Kunst lebt auch von Widersprüchen und dem Feld, das davon aufgemacht wird. Tag und Nacht, Gut und Böse, Licht und Schatten, Ignoranz und Consciousness. Das ist und darf alles Teil von Kunst sein. Aber in dem Moment, in dem Kunst menschenfeindlich wird und kein höhergestelltes Ziel als Diffamierung hat, stellt sich die Frage nach dem "Warum?". Da muss es mehr Instanzen für Kontrollmechanismen im Business geben wie auch überall sonst. In der Zukunft brauchen wir ein nachhaltigeres Business und man muss über Konsequenzen nachdenken. Man kann nicht so tun, als ob sie nicht existieren würden und im Nachhinein überrascht sein. Auch ich laufe Gefahr, Dinge zu sagen und zu machen, die nicht korrekt sind, aber auch das sind Lernprozesse. Ich wurde genauso in der Vergangenheit auf Dinge hingewiesen und habe daraus gelernt. Eine offene Kommunikation ist immer hilfreich.
MZEE.com: Es ist erschreckend: Man könnte das Interview von damals heute genauso veröffentlichen und es würde vermutlich niemandem auffallen. Verliert man den Glauben an den Einfluss, den Worte haben können, wenn man über einen so langen Zeitraum immer dasselbe erzählt und sich kaum etwas bewegt?
Megaloh: Ich habe nie die Illusion gehabt, dass allein durch meine Worte gesellschaftliche Veränderung entsteht. (lacht) Aber jeder hat einen kleinen Einfluss im eigenen Umfeld. Als Künstler hat man ein größeres Umfeld, aber deswegen ändern sich nicht gleich die Bedingungen. Klar, manche Sachen sind sehr frustrierend. Für Sookee wahrscheinlich andere Sachen als für mich. Aber insgesamt sind es diskriminierende Machtstrukturen und die sind absolut frustrierend. Ich versuche, das nicht zu fokussieren. In meinem Leben hatte ich schon oft das Gefühl, dass nichts weitergeht und auch die entsprechende Einstellung. Aber wenn man die Hoffnung verliert, hat die andere Seite gewonnen. Denn genau das ist der Spirit, der Veränderungen verhindert. Trotzdem sollte man seinen eigenen Beitrag sehen. Man muss es nicht überhöhen, aber man kann sich dessen bewusst sein, dass jeder in diesem Kollektiv seinen Beitrag leistet. Wirklich jeder.
(Yasmina Rossmeisl)
(Fotos von Universal Music und Felix Zimmer)