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Interview

LUX – ein Gespräch über Zweifel

"Die Erwar­tun­gen vom letz­ten Album an mich selbst und alle ande­ren waren so hoch, dass sie nicht erfüllt wer­den konn­ten." – LUX im Inter­view über sei­nen ange­pass­ten Anspruch an sei­ne Musik, dar­über, wie man Zwei­fel über­win­det und wann Mut ange­bracht ist.

"Soll ich's wirk­lich machen oder lass ich's lie­ber sein?" – Vor die­ser Fra­ge steht man unwei­ger­lich an ver­schie­de­nen Punk­ten im Leben. Oft­mals lau­tet die Ant­wort: "Jein". Der Begriff ist eine Mischung aus Ja und Nein, den Fet­tes Brot in ihrem gleich­na­mi­gen Song geprägt haben. Es zeigt deut­lich den Zwie­spalt, in dem man steckt, wenn einem eine Ent­schei­dung bevor­steht, die man für sich noch nicht ein­deu­tig getrof­fen hat. Sol­che Zwei­fel ergrei­fen jede:n in ihrem:seinem Leben. Sie hel­fen uns, das Pro und Con­tra abzu­wä­gen und kön­nen uns vor Fehl­ent­schei­dun­gen bewah­ren. Den­noch kön­nen Beden­ken auch läh­mend wir­ken, wenn einem eine Situa­ti­on aus­weg­los erscheint und man es nicht schafft, sie zu über­win­den. Dann muss man den Schritt ins Unge­wis­se wagen – und das erfor­dert vor allem Mut. Das hat auch der Rap­per LUX fest­ge­stellt. Auf sei­ner Album-​Playlist namens "STATUS: MUT" geht es dar­um, wie befrei­end es sein kann, wenn man es schafft, die eige­ne Skep­sis zu über­win­den. Außer­dem geht es um Neu­an­fän­ge, dar­um, Altes hin­ter sich zu las­sen und Ver­trau­en in sich selbst zu haben. Wir haben mit ihm gespro­chen, um zu erfah­ren, was ihm dabei gehol­fen hat, Zwei­fel und Ängs­te in sei­nem Leben zu bewäl­ti­gen. Außer­dem ging es um sein künst­le­ri­sches und unter­neh­me­ri­sches Schaf­fen sowie die Aus­ein­an­der­set­zung mit den eige­nen Erwartungen.

MZEE​.com​: Ich wür­de ger­ne mit einer Zei­le aus dei­nem Song "TESTEN" star­ten. Dort sagst du: "Ich bin wie 'ne kur­ze Ker­ze, ich fackel' nicht lang." – Wür­dest du dich als jeman­den beschrei­ben, der eher wenig Zwei­fel hegt?

LUX: Eine sehr gute Fra­ge. Es kommt ein biss­chen dar­auf an, um wel­che Berei­che in mei­nem Leben es geht. Die Zwei­fel in Bezug auf mei­ne Musik haben in den letz­ten Jah­ren eher zuge­nom­men. Sonst wür­de ich mich aber schon als einen Typen bezeich­nen, der eher wenig Zwei­fel hat und mit die­sen bewusst umgeht. Ich bin schon jemand, der ein­fach mal macht anstatt Din­ge ewig zu zer­den­ken. Ich habe mich in mei­nem Leben immer in Din­ge rein­ge­stürzt und bin damit ganz gut gefah­ren. Dadurch sind vie­le span­nen­de Sachen und Pro­jek­te ent­stan­den. Das ist die Ein­stel­lung, die ich ger­ne lebe, obwohl es in man­chen Situa­tio­nen nicht ein­fach ist.

MZEE​.com​: Hast du mitt­ler­wei­le einen ande­ren Anspruch an dei­ne Musik?

LUX: Ja, das kann gut sein. Die Erwar­tun­gen stei­gen immer wei­ter. Des­halb habe ich auch die­se rela­tiv lan­ge Pau­se ein­ge­legt. Die Erwar­tun­gen vom letz­ten Album an mich selbst und alle ande­ren waren so hoch, dass sie nicht erfüllt wer­den konn­ten. An die neue Play­list bin ich eigent­lich mit der Ein­stel­lung her­an­ge­gan­gen, alles auf mich zukom­men zu las­sen. Ein­fach machen und die Zwei­fel can­celn. Je län­ger ich im Pro­zess bin und jeden Monat etwas raus­brin­ge, des­to mehr stei­gen aber die Erwar­tun­gen Sin­gle für Sin­gle und das ist wie­der ganz gefährlich.

MZEE​.com​: Zwi­schen dem letz­ten Album und der Play­list lag ein län­ge­rer Zeit­raum. In "STATUS: MUT" geht es um einen neu­en Anfang. In einer Zei­le auf "VITAMIN D" sagst du: "Zei­ten vol­ler Zwei­fel haben wir nun end­lich rum­ge­bracht." – Was ist seit dem letz­ten Album in dei­nem Leben passiert?

LUX: Es ist super­viel pas­siert. Erst mal habe ich eine CBD-​Firma gegrün­det. Wenn man eige­ne Pro­duk­te ver­treibt und unter­neh­me­risch tätig ist, bleibt lei­der wenig Zeit, um noch künst­le­risch aktiv zu sein. Das war ein wei­te­rer Grund dafür, dass die Musik in den Hin­ter­grund gerückt ist. Das habe ich unge­fähr ein­ein­halb Jah­re gemacht, bevor ich die Fir­ma an mei­nen dama­li­gen Geschäfts­part­ner ver­kauft habe. Danach habe ich mit einem guten Freund eine Medien-, Design- und Gra­fikagen­tur in Leip­zig gegrün­det. Im Pri­va­ten ist auch viel pas­siert. In zwei Jah­ren kann sich viel erge­ben. Das hat natür­lich eini­ges mit mei­nem Mind­set gemacht.

MZEE​.com​: Eine Fir­men­grün­dung erfor­dert Mut. Fal­len dir gro­ße Ent­schei­dun­gen leicht?

LUX: Ja, da bin ich sehr intui­tiv. Bei geschäft­li­chen The­men habe ich kei­ne gro­ßen Pro­ble­me Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Das Kras­se ist: Bei der Musik ändert sich ein­fach alles. Das kann man über­haupt nicht mit­ein­an­der ver­glei­chen. Wenn es bei den Fir­men nicht gut läuft, ist das natür­lich schei­ße und beschäf­tigt mich auch, aber es zieht mich nicht so extrem run­ter. Ich kann es mehr von mei­ner eige­nen Per­son tren­nen. Rap, die Tex­te und alles drum­her­um, das bin wirk­lich ich. Wenn da Erwar­tun­gen nicht erfüllt wer­den, ist das eine Kri­tik, die mich direkt im Inners­ten trifft. Das macht mich ziem­lich fer­tig und dann kom­men natür­lich Zwei­fel hoch. Ist es das Rich­ti­ge? Ist es der rich­ti­ge Weg? Des­we­gen ist es wirk­lich ganz span­nend, dass ich die­se zwei Wel­ten in mei­nem Leben habe, wie unter­schied­lich sie auf mich wir­ken und in wel­chen ver­schie­de­nen Rol­len ich agiere.

MZEE​.com​: Das fin­de ich immer span­nend, gera­de bei Rap: Du gibst dein See­len­le­ben und dein Inne­res preis. Jeder kann sich das anhö­ren, du gehst an die Öffent­lich­keit. Ich glau­be, dass das ein kras­ser Schritt ist. Macht man sich nicht angreif­bar, wenn man sei­ne Schwä­chen preisgibt?

LUX: Total. Es gibt natür­lich Rap­per, die sich hin­ter einem Image, einer Figur oder einer Mas­ke ver­ste­cken. Oder durch Sar­kas­mus und Iro­nie auf Distanz gehen. Das sind nur eini­ge Mög­lich­kei­ten, wie man das von sich selbst trennt, aber ich konn­te und woll­te das nie. Ich habe immer sehr viel von mir per­sön­lich preis­ge­ge­ben und direkt aus mir her­aus geschrie­ben. Das Schö­ne dar­an ist: Wenn ich mir jetzt nach zehn Jah­ren mei­ne Dis­ko­gra­fie anhö­re, ist sie wie so eine Art Tage­buch, in dem man alle zwei, drei Jah­re einen ande­ren Lebens­ab­schnitt ent­de­cken kann. Die Inhal­te, die Musik und die Art, wie ich an die Sachen her­an­ge­he, ver­än­dern sich. Das ist span­nend und im Nach­hin­ein cool zu sehen.

MZEE​.com​: Auf dem Album "Iki­gai" geht es eher um Zer­ris­sen­heit, beim aktu­el­len Pro­jekt um Mut. Hängt die­ser Wan­del mit dem Ikigai-​Konzept (Anm. d. Red.: japa­ni­sche Phi­lo­so­phie, um den per­sön­li­chen Sinn des Lebens zu ergrün­den) zusam­men? Hat es dir gehol­fen, wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen in dei­nem Leben zu treffen?

LUX: Dadurch, dass alles aus mir kommt, hängt es natür­lich zwangs­läu­fig zusam­men und ist sicher eine Wei­ter­füh­rung. Nach "Iki­gai" hat­te ich Momen­te, in denen ich dach­te: "Viel­leicht ist die­ses Kapi­tel mei­nes Lebens jetzt vor­bei." Nach­dem mehr Zeit ver­gan­gen ist, habe ich aber gemerkt, dass es ein Teil von mir ist und wei­ter­geht. Dann habe ich mir gesagt: "Okay, ich neh­me jetzt alles zusam­men und star­te ein­fach noch mal." Ich ver­su­che aber auch, mit einem ande­ren Mind­set ran­zu­ge­hen. Ich pro­bie­re, inhalt­lich gar nicht so stark kon­zep­tio­nell zu arbei­ten, son­dern mache, wor­auf ich Bock habe. Dass es doch wie­der einen roten Faden bekom­men hat, kam eher zufäl­lig. Das war gar nicht mein direk­tes Ziel.

MZEE​.com​: Du sag­test gera­de, dass du nach "Iki­gai" dar­über nach­ge­dacht hast, auf­zu­hö­ren. War das nach dem Mot­to: "Man soll auf­hö­ren, wenn es am schöns­ten ist"?

LUX: Ich wür­de gar nicht sagen, dass ich auf­hö­ren woll­te. Ich hat­te eher Angst, dass es jetzt vor­bei ist. Das Gefühl der Fra­ge: "War's das jetzt schon?" Ich habe mich nicht aktiv dafür ent­schie­den. Es ist eher, dass Din­ge in mein Leben kom­men, in die ich mich stür­ze. So wie bei der Grün­dung der CBD-​Firma. Wenn man sich rein­stürzt, merkt man erst, wie viel Arbeit das Gan­ze ist und was alles damit zusam­men­hängt. Dann war plötz­lich gar kein Raum mehr für die Musik. Davon muss­te ich mich erst­mal befrei­en, sodass ich über­haupt wie­der einen Kopf dafür hat­te, dar­über nach­zu­den­ken, dass ich wie­der Musik machen möchte.

MZEE​.com​: Man kann Zwei­fel und Ängs­te ja auch als Schutz­me­cha­nis­men sehen, die vor etwas war­nen sol­len, das poten­zi­ell gefähr­lich sein kann. Es kos­tet Kraft, die­se zu über­win­den. Hin­dert dich das im Schaffensprozess?

LUX: Total. Ich glau­be auch, dass das fast der größ­te Kil­ler ist. Wenn ich das bei ande­ren Leu­ten sehe, fin­de ich das fast noch schlim­mer als bei mir selbst. Oft haben die talen­tier­tes­ten Men­schen so gro­ße Zwei­fel oder Ängs­te, dass die so davon ein­ge­nom­men wer­den, dass sie nichts ver­öf­fent­li­chen oder weni­ger schaf­fen. Das ist super­trau­rig, weil dadurch vie­le tol­le Sachen ver­lo­ren gehen. Es gehört beson­ders viel Mut dazu, damit umzu­ge­hen und das in die rich­ti­gen Bah­nen zu lenken.

MZEE​.com​: Man schafft sich selbst dadurch beim Schrei­ben Gren­zen, aber auch live über­kom­men man­che gro­ße Ängs­te. Die­se müs­sen sie erst mal über­win­den, teil­wei­se auch, indem sie sich Mut antrinken.

LUX: Das ist zum Glück in mei­nem Leben kein The­ma. Da habe ich am aller­we­nigs­ten Zwei­fel. Die Büh­ne war immer schon mein Leben – seit­dem ich klein war. Natür­lich ist man mal auf­ge­regt, wenn man vor vie­len Leu­ten spielt, aber bei mir stand immer der Spaß an der Sache im Vor­der­grund. Das fehlt natür­lich gera­de und war auch ein Grund, wes­we­gen ich wei­ter­ma­chen woll­te. Ich habe Bock, wie­der live zu spie­len. Aber auch da gibt es das gro­ße The­ma, dass vie­le Leu­te schei­tern oder Pro­ble­me haben, weil die Zwei­fel zu groß sind. Bei mir ist es eher anders­rum. Wenn ich vor­her kif­fe oder trin­ke, ver­stärkt das mei­ne Auf­re­gung eher und ich kom­me gar nicht mehr klar. Ich muss eher nüch­tern sein und run­ter­kom­men. Es hilft mir, in einen medi­ta­ti­ven Zustand zukom­men und bei mir selbst zu sein, statt mich zuzuknallen.

MZEE​.com​: Du hast einen Schau­spiel­back­ground, rich­tig? Es fällt mir immer wie­der auf, dass vie­le Rapper:innen, zum Bei­spiel Fato­ni oder Mae­ckes, auch schau­spie­le­risch aktiv sind.

LUX: Voll! Man kann auch sehr vie­le ame­ri­ka­ni­sche Rap­per auf­zäh­len, die Schau­spie­ler sind. In mei­nem Fall ist die Theater- zur Musik­büh­ne gewor­den. Ich glau­be, dass es durch die Büh­ne, die Spra­che und die Ener­gie vie­le Par­al­le­len gibt. Schau­spie­le­rei und Rap - Das passt ein­fach zusammen.

MZEE​.com​: Wel­che guten Din­ge sind in dei­nem Leben dadurch schon pas­siert, dass du dei­ne Zwei­fel und Ängs­te über­wun­den hast?

LUX: Auf "TEUFEL IM DETAIL" sage ich: "Alles wird aus Mut gemacht." Ich glau­be, es wird über­haupt nichts pas­sie­ren, wenn man nicht mutig ist. Alles beginnt mit dem ers­ten Schritt. Man kann es eigent­lich gar nicht dif­fe­ren­zie­ren. Alles Gute pas­siert, weil man trotz des bezie­hungs­wei­se mit dem Zwei­fel im Gepäck startet.

MZEE​.com​: Ich muss dabei an die Zei­le "Lie­be wird aus Mut gemacht" aus dem Song "VITAMIN D" den­ken. Was hat es damit auf sich?

LUX: Es ist eigent­lich egal, ob es krea­ti­ves Schaf­fen, unter­neh­me­ri­sche Tätig­kei­ten oder zwi­schen­mensch­li­che Sachen sind. Selbst Lie­be braucht am Ende den Mut, es dem ande­ren zu sagen, zu zei­gen und den ers­ten Schritt zu machen. Da ist schon was Wah­res dran. Ich bin sehr dank­bar für mei­ne Kind­heit. Mei­ne Eltern haben mich immer wahn­sin­nig bei allem unter­stützt, das ich gemacht habe. Ich glau­be, das hat mich zu einem muti­gen Men­schen gemacht.

MZEE​.com​: Mit Musik, dem Schau­spiel und dei­nen bei­den Unter­neh­mens­grün­dun­gen hast du schon viel aus­pro­biert. Du hast an meh­re­ren Schau­spiel­schu­len vor­ge­spro­chen, wur­dest aber abge­lehnt. Hast du danach dei­ne eige­nen Fähig­kei­ten infra­ge gestellt?

LUX: Ja, sicher. Das prallt nicht ein­fach so an einem ab. Das war sehr hart. Im End­ef­fekt habe ich es genutzt, um noch mehr in die Musik rein­zu­ge­hen. Ich sehe auch vie­le Leu­te, die im Schau­spiel­be­ruf sind und super­krass strug­geln. Es ist natür­lich gera­de durch Coro­na noch stär­ker, aber es ist ein­fach ein har­ter Job. Irgend­wie hat schon alles Sinn gemacht und ich bin im Nach­hin­ein dank­bar für alles was ich aus­pro­bie­ren konnte.

MZEE​.com​: Gera­de ein Künstler:innenalltag hat nicht immer Struk­tur, denn Krea­ti­vi­tät ist nicht auf Knopf­druck abruf­bar. Wie nimmst du das wahr?

LUX: Schwie­rig. Ich lese gera­de lus­ti­ger­wei­se ein ganz coo­les Buch "Für mein krea­ti­ves Pen­sum gehe ich unter die Dusche" von Mason Currey. Da geht es um den unter­schied­li­chen All­tag von Künst­lern und bekann­ten Per­sön­lich­kei­ten. Es ist span­nend, wie die ver­schie­de­nen Men­schen damit umge­hen und wie sie ihren All­tag struk­tu­rie­ren. Man­che ste­hen jeden Tag zur glei­chen Uhr­zeit auf und schrei­ben. Manch gön­nen sich rich­tig hart, strugg­len den gan­zen Tag und zwi­schen­drin gibt's mal ne krea­ti­ve Explo­si­on. Das Buch ist ziem­lich lus­tig und teil­wei­se sehr inspirierend.

MZEE​.com​: Was hilft dir dabei, Zwei­fel und Ängs­te zu überwinden?

LUX: Ich weiß nicht, ob das der bes­te Rat ist, aber mir hilft es, ein­fach zu machen und nicht groß dar­über nach­zu­den­ken. Man soll­te nicht zu sehr in Zwei­fel und nega­ti­ve Gedan­ken rein­ge­hen, son­dern eher aktiv sein. Auch jetzt, wenn ich wie­der Zwei­fel hege, ver­su­che ich, mich ent­we­der mit etwas ande­rem abzu­len­ken oder wirk­lich in Pro­jek­te rein­zu­ge­hen und ein­fach etwas Neu­es zu machen, damit es irgend­wie weitergeht.

MZEE​.com​: Im Song "HINTER MIR" the­ma­ti­sierst du das Los­las­sen der Ver­gan­gen­heit. Gab es schon Ent­schei­dun­gen in dei­nem Leben, die du bereut hast?

LUX: Grund­sätz­lich ist es das, was ich schon ange­spro­chen habe mit den Schau­spiel­schu­len, als das nicht geklappt hat. Klar, das war kei­ne direk­te Ent­schei­dung von mir, aber irgend­wie hat alles im Nach­hin­ein Sinn erge­ben. Im Chi­ne­si­schen ist das Wort für Kri­se und Chan­ce das glei­che. Das fin­de ich sehr pas­send. In jeder fal­schen Ent­schei­dung oder Kri­se steckt auch eine Chan­ce. Man kann mit neu­er Kraft her­aus­ge­hen. Es ent­steht etwas Neu­es. Es gibt nichts, wo ich jetzt sage: "Die­se Ent­schei­dung bereue ich. Das hät­te ich anders machen sol­len, dann wäre ich jetzt an einem ande­ren Punkt."

MZEE​.com​: Hast du manch­mal das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben?

LUX: Oh ja, auf jeden Fall. (lacht) Eigent­lich stän­dig. Dadurch, dass ich so vie­le ver­schie­de­ne Din­ge par­al­lel mache, ist es oft so, dass ich den­ke, ich bräuch­te einen Tag mehr, wie ich in mei­nem Song "25. hours Pt. II" rap­pe. Mir hilft am meis­ten Struk­tur und Prio­ri­sie­rung um das in den Griff zu bekommen.

MZEE​.com​: Bei eini­gen Din­gen hat man kei­ne Wahl, denn man muss ja auch irgend­wie Geld verdienen.

LUX: Das mag ich an der selbst­stän­di­gen Arbeit: Ich kann mir alles sehr frei ein­tei­len. Ich muss­te mich aber auch erst ken­nen­ler­nen und weiß jetzt bes­ser, zu wel­chen Zei­ten ich pro­duk­tiv bin. Ich war nie jemand für "Nine to Five", das könn­te ich mir ein­fach nicht vorstellen.

MZEE​.com​: Du hast momen­tan zwei Jobs. Kannst du das gut vereinbaren?

LUX: Es ist wie­der das Struktur- und Prio­ri­sie­rungs­the­ma. Klar gibt es Momen­te, in denen ich den­ke, es wird gera­de alles zu viel. Dann muss ich mir das wie­der vor Augen füh­ren: Was will ich wirk­lich machen? Letz­tes Jahr habe ich mir für die­se Fra­ge Unter­stüt­zung von einem Coach geholt. Sie hat mir dabei gehol­fen mei­ne Prio­ri­tä­ten zu set­zen. Heu­te kom­me ich mit den zwei Pro­jek­ten par­al­lel bes­ser zurecht.

MZEE​.com​: Ich habe noch ein Zitat von van Gogh mit­ge­bracht: "Wenn Sie die inne­re Stim­me sagen hören, 'du kannst nicht malen', dann malen Sie unter allen Umstän­den wei­ter, und die­se Stim­me wird schwei­gen." – Was denkst du darüber?

LUX: Da ist etwas sehr Wah­res dran. Wie schon gesagt, wenn die­se Zwei­fel kom­men, am bes­ten voll rein­stür­zen und sich direkt damit ablen­ken. Wenn es mir schlech­ter geht, kann ich bes­ser schrei­ben. Es kommt mehr raus, als wenn alles sta­bil ist. Ich glau­be, dass man die­se Ener­gie umdre­hen und sie für sei­ne Kunst nut­zen kann.

MZEE​.com​: Wie kommst du am bes­ten in einen krea­ti­ven Flow?

LUX: Das ist eine total schwie­ri­ge Fra­ge und ich habe da lei­der noch nicht den Schlüs­sel gefun­den. Ich weiß nicht, ob es den gibt. Ich weiß nicht, zu wel­cher Tages­zeit oder Pha­se ich am krea­tivs­ten bin. Grund­sätz­lich mer­ke ich: Ich brau­che Raum und Zeit. Ich kann nicht mit der Arbeit auf­hö­ren, den Schreib­block neh­men und sofort anfan­gen zu schrei­ben. Ich brau­che eine Über­gangs­pha­se, um run­ter­zu­kom­men. Dann kommt es auto­ma­tisch. Es ist im All­tag schwie­rig, sich die­sen Raum zu nehmen.Ich habe ver­sucht, regel­mä­ßig am Mor­gen zu schrei­ben. Das hat gar nicht funk­tio­niert. (lacht) Mor­gens auf­ste­hen ist eh ganz schlimm, ich brauch' auf jeden Fall mei­nen Schlaf. Das kon­ti­nu­ier­li­che Schrei­ben braucht sehr gro­ße Dis­zi­plin. Ich würd's gern noch mal aus­pro­bie­ren. Viel­leicht muss ich es zu einer ande­ren Tages­zeit machen, zum Bei­spiel abends. Es ist schon ein gro­ßer Schlüs­sel, eine Regel­mä­ßig­keit rein­zu­brin­gen. Auch wenn 80 Pro­zent von dem, was man schreibt, nicht gut sind, kommt trotz­dem mehr dabei raus, als wenn man sich nur alle paar Wochen hin­setzt. Es ist auch wich­tig, Zeit allei­ne zu haben. Den gan­zen Tag busy zu sein und sich dann hin­zu­set­zen und zu schrei­ben, funk­tio­niert nicht.

MZEE​.com​: Ich kann mir vor­stel­len, dass das indi­vi­du­ell unter­schied­lich ist. Vie­le Leu­te kön­nen beson­ders gut schrei­ben, wenn es ihnen schlecht geht oder sie sehr wütend sind. Dann wis­sen sie nicht, wohin mit den Emo­tio­nen und sie müs­sen ein­fach raus­ge­schrie­ben wer­den. Geht es dir auch manch­mal so?

LUX: Ja, voll. Wenn mein Leben "shaked", dann fällt auch was raus. Wenn alles in gera­den Bah­nen ver­läuft, die Bezie­hung funk­tio­niert und es finan­zi­ell kei­ne Pro­ble­me gibt, dann fehlt so ein biss­chen das Fut­ter. Sobald Strug­gles rein­kom­men und die Sachen nicht mehr so ein­fach sind, kommt etwas raus. Das ist sehr span­nend. Aber auch irgend­wie mies, weil man sich das nicht wünscht. Es ist so eine Zerrissenheit.

MZEE​.com​: Die Fra­ge habe ich mir auch schon gestellt. Eigent­lich will jeder Mensch glück­lich sein. Vie­les an guter Kunst wür­de es dann aber nicht geben, weil sie aus dunk­len Zei­ten entsteht.

LUX: Das ist ein gro­ßes The­ma. Aber ich glau­be, dass es wirk­lich wich­tig ist, dass man die­se Zei­ten, wenn Zwei­fel oder nega­ti­ve Gefüh­le auf­kom­men, nutzt und in etwas Gutes umwandelt.

(Malin Teegen)
(Fotos von Till Luz und Micha­el Resech)