CONNY – ein Gespräch über Männlichkeit
Filme sowie Comics mit Superhelden wie Batman, Hulk, Superman und Spiderman haben die Jugend von vielen geprägt. Dabei ging es nicht nur darum, die Welt zu retten, sondern oftmals auch um eine Frau. Dabei wird die Frau meistens als hilflos und schutzbedürftig dargestellt und ihre Befreiung erfolgt durch einen starken, männlichen Helden. Solche Geschichten beeinflussen unsere Vorstellungen von Beziehungen und Geschlechterrollen. Die hypermaskuline Darstellung der männlichen Hauptcharaktere hat außerdem einen Einfluss auf unsere Selbstwahrnehmung. Superhelden-Klischees und überbordendes Männlichkeitsgehabe sind auch in der deutschen Rapszene nicht ungewöhnlich. Doch es gibt auch Ausnahmen, die mit diesem stereotypischen Bild von Männlichkeit brechen. Einer davon ist der Rapper CONNY. Sein äußeres Erkennungsmerkmal sind seine rosanen Haare. Dadurch fällt er besonders auf, denn Rosa wird oft mit Weiblichkeit assoziiert – und genderspezifische Vorurteile sind im Rapumfeld nach wie vor vorherrschend. Die Farbe Rosa zieht sich außerdem durch das Artwork seines aktuellen Projekts "Manic Pixie Dream Boy". Was es mit der Farbe und dem Namen des Projekts auf sich hat, wollten wir in unserem Interview mit ihm ergründen. Außerdem ging es um den Wandel seiner Definition von Männlichkeit, Vorbilder und Psychotherapie.
MZEE.com: Das Konzept des "Manic Pixie Dream Girl" spielt in deinem aktuellen Projekt eine große Rolle. Es beschreibt Filme, in denen eine weibliche Rolle nur dazu dient, das Leben eines männlichen Protagonisten zu verbessern, ohne auf ihren eigenen Charakter einzugehen. Du hast diesen Begriff auf das männliche Geschlecht umgemünzt: "Manic Pixie Dream Boy". Was bedeutet der Titel für dich?
CONNY: Er hat mehrere Ebenen. Eine ist, dass ich es geil finde, einen medienwissenschaftlichen Begriff zu nehmen und in der Popkultur präsent zu machen. Nachdem ich auf den Begriff des MPDG gestoßen bin, habe ich Filme ganz anders geguckt. Ich wollte dem Publikum diesen Titel an den Kopf schmeißen, denn die, die es wollen, werden sich damit auseinandersetzen und die Referenz finden. Eine weitere Ebene ist, dass ich in vielen Situationen eine ähnliche Funktion für meine Hörer:innen habe wie das MPDG. Es hat keine wirkliche Backstory und bleibt feenhaft. Wir erleben es in den Filmen ganz kurz. Es hilft dem männlichen Hauptdarsteller, der sowohl eine Vorgeschichte als auch eine Vergangenheit und Zukunft hat, sich zu entwickeln. Ich glaube, dass meine Hörer:innen etwas auf mich als Kunstfigur projizieren, wenn sie meine Musik hören. In den Albumteasern werden Fragen gestellt: "Wer bist du denn eigentlich, Manic Pixie Dream Boy? Woher kommst du?" Für diese Kunstfigur gibt es keine Vergangenheit oder Zukunft. Wie häufig passiert es, dass einen ein Album für einen Lebensabschnitt begleitet und man die Künstler:in irgendwann aus dem Blick verliert? Das ist auch eine Analogie zum MPDG. Ich bin wie Mary Poppins. Ich gehe ein Stück des Weges mit den Leuten, danach werden sie sehr wahrscheinlich alleine weitergehen. Natürlich gibt es Fans, die ewig bleiben, aber viele bleiben nur eine begrenzte Zeit. Deswegen fand ich den Titel so passend.
MZEE.com: Ich finde es spannend, dass du deine Hörer:innen in der Analogie als Protagonist:innen definierst. Du gibst in deiner Musik ja sehr viel von dir preis und lässt einen an unterschiedlichen Phasen deines Lebens teilhaben.
CONNY: Das "MPDB"-Projekt ist als Trilogie gedacht. Der erste Teil erscheint im Mai. Davon sind schon drei Singles bekannt, auf denen man sehr persönliche Einblicke erhält. Es ist alles sehr rosa und noch ein bisschen hoffnungsvoll. Wir haben vor, eine richtige Heldenreise zu machen. In einem klassischen Dreiakter gibt es Tag, Nacht und Tag. Wir fangen in der Tag-Phase an. Der zweite Teil wird die dunklere Nachtphase. Hoffentlich wird der dritte Teil wieder heller, aber das weiß ich noch nicht, denn ich habe ihn noch nicht geschrieben. Dann endet die Geschichte vom MPDB. Für mich existiert die Person des MPDB nur in dem Zeitraum dieser epischen Trilogie. Es ist nicht als Alter Ego wie Marsimoto bei Marteria gedacht. Du hast gerade nach dem Protagonisten gefragt – ich finde, es sind definitiv die Hörer:innen, aber irgendwie bin ich es auch selbst. Das Schreiben und die Figur des MPDB begleiten mich. Ich kann dir aber nicht sagen, wie lange der bleibt. Das hat er mir noch nicht verraten. (lacht)
MZEE.com: Das Artwork und die Videos für das Projekt sind rosa gehalten. Warum hast du dich für diese Farbe entschieden?
CONNY: 2019 habe ich meine Haare aus einem Jux heraus rosa gefärbt. Dann ist uns aufgefallen, dass das in der visuellen Sprache extrem hilfreich ist, um eine Marke aufzubauen. Das klingt sehr marketingmäßig, aber ich merke, dass es mir total hilft, eine visuelle Ausdrucksform zu finden. Deshalb haben wir uns für die Farbe Rosa als Schlüsselelement entschieden.
MZEE.com: Rosa ist mit Geschlechterstereotypen behaftet. Man sagt, Rosa sei für Mädchen und Blau für Jungen. Wolltest du bewusst mit diesem Stereotyp brechen?
CONNY: Ja, absolut. Ich habe Rosa gewählt, weil es eine gegenderte Farbe ist. Als ich meine Haare gefärbt habe, wollte ich ein Irritationsmoment erschaffen, wenn man mich anschaut. Ich habe mich in Interviews schon häufig an Katy Perry abgearbeitet. Ich war lange Fan, dann nicht mehr und jetzt sind wir wieder cool miteinander. (lacht) Sie trug mal eine blaue Perücke, vor allem in dem "California Gurls"-Video. Das hat mich unterbewusst getriggert und ich wollte das mit Rosa machen.
MZEE.com: Hat sich deine Definition von Männlichkeit verändert, seitdem du dich mit Feminismus auseinandersetzt?
CONNY: Die Entscheidung, zu sagen, ich bin Feminist – und zwar auch als Künstler – hat nicht so viel daran geändert. Aber natürlich habe ich mich seitdem weiter damit beschäftigt. In dem Moment, in dem ich öffentlich eine feministische Agenda unterstütze, verpflichte ich mich, mich weiter mit aktuellen feministischen Diskursen auseinanderzusetzen. Damit sind viele Dinge einhergegangen, die letzten Endes dazu geführt haben. Es hat meine Sichtweisen verändert. Ich habe letztes Jahr eine Psychotherapie gemacht, in der ich viel daran gearbeitet habe, wie ich mich in meiner Partner:innenschaft verhalte. Ich habe gelernt, was für mich Triggerpunkte sind und wo ich besser kommunizieren müsste. Außerdem habe ich viel daran gearbeitet, wie die Beziehung zu meinem Vater ist. Mir ist klar geworden, wie ich ihn als Stimme internalisiert habe, die mir sagt: "Ich muss besser sein." Das hat mich immer wieder zu Höchstleistungen, aber auch an den Erschöpfungsrand gebracht. Im Zuge dessen reflektiere ich natürlich auch meinen Vater und mich als Mann. Ich würde schon sagen, dass mein Männlichkeitsbild sich in den letzten zwei Jahren extrem verändert hat.
MZEE.com: Gab es einen Schlüsselmoment, in dem du dich entschieden hast, dich tiefergehend mit Geschlechterrollen und Feminismus zu beschäftigen?
CONNY: Meine damalige Partnerin hat mir mal erzählt, dass sie sich in den letzten Wochen ganz stark als Frau gefühlt hat. Sie hatte die Pille abgesetzt und mir erzählt, dass sich ihr Körpergefühl dadurch sehr verändert und sie ihre "Weiblichkeit" ganz anders gespürt hat. Währenddessen bin ich immer stiller geworden. Ich habe noch nie gedacht, dass ich meine Männlichkeit total fühle. Das war mir völlig fremd. An den Moment erinnere ich mich. Diese Identifikation mit der Rolle als Mann hatte ich gar nicht. Es hat danach noch sehr lange in mir gearbeitet. Ich habe gemerkt, dass viel dahintersteckt und es möglich ist, daran zu arbeiten. Also bin ich losgelaufen und habe mir ganz viele Bücher besorgt und angefangen, mich in das Thema Feminismus einzugraben.
MZEE.com: Du warst lange in der Software-Entwicklung tätig und bist es teilweise immer noch. Das ist genau wie Rap eher ein von Männern dominierter Bereich. Hast du dort das Gefühl gehabt, dich geschlechterspezifisch verhalten zu müssen?
CONNY: Ich habe im Softwareentwicklungsumfeld nie starken Druck von außen gefühlt, als Mann performen zu müssen. Da habe ich Glück gehabt. Als ich selbstständig gearbeitet habe, konnte ich mir die Leute, mit denen ich arbeiten wollte, selbst aussuchen. Und auch, als ich später in einer Kölner Firma angestellt war, waren alle super offen.
MZEE.com: Ist das "MPDB"-Projekt eine Gegenbewegung zu einem männerdominierten Umfeld gewesen?
CONNY: Ich habe den MPDB nach einer Person erschaffen, die ich in meinem Leben bis Anfang 20 gerne gehabt hätte. Gerade in dieser Zeit hatte ich das Gefühl, mich in irgendeiner Weise männlich verhalten zu müssen. Sowohl in meiner damaligen Partnerschaft als auch in meinem sozialen Leben. Das ist ein Klassiker. Es wird einem suggeriert, dass Erfolg bei Frauen für Männer eine Art Qualitätsmerkmal ist. Davon ausgehend habe ich extrem viel Druck gespürt. In Bezug auf den MPDB arbeite ich viel mit dem Vergleich zu Mary Poppins. Die Figur nimmt diese beiden Kinder an die Hand und hilft ihnen dabei, erwachsen zu werden. Ich hätte mir auch jemanden gewünscht, der so behutsam ist und mir sagt, dass es okay ist, nicht so hart männlich zu sein und andere Sachen zu machen. Ich fand es zum Beispiel schon immer cool, zu tanzen. Insgesamt gibt es super wenige männliche Rapper, die das machen. Jetzt traue ich mich das einfach. Ich habe eine Choreografin, die mit mir daran arbeitet. Es gibt Tage, an denen gar nichts funktioniert und ich an den Rand der Verzweiflung komme. An anderen klappt es und ich stehe vor dem Spiegel und mache Hüftkreise. Es ist schon komisch, mich als Mann so zu sehen, aber wer sagt denn, dass ich das nicht machen kann? Das ist ja nur in meinem Kopf. Wenn sich das geil anfühlt, warum nicht? Manchmal stelle ich mir vor, dass der MPDB für andere Menschen, die gerade in so einer Phase sind und das brauchen, die Figur sein kann, die sie an die Hand nimmt.
MZEE.com: Identifikation ist gerade für junge Menschen wichtig. Ich denke an Disney-Filme und wie sie unsere Vorstellungen von Geschlechterrollen und Beziehungen geprägt haben – nicht immer im positiven Sinne. Welche Vorbilder hattest du in deiner Jugend?
CONNY: Spiderman hat mich lange begleitet. Er ist ein totaler Nerd und war eine krasse Identifikationsfigur für mich. Wenn der sich ausgezogen hat, sah der aus wie 'ne Kante, da ist Silla gar nichts gegen. (lacht) Nachts musste er die Welt retten und konnte nicht bei seiner Frau Mary Jane bleiben. Das habe ich als 13-Jähriger krass aufgesogen. Davon möchte ich mich heute lösen. Ich möchte meine Beziehung leben und rausgehen und gefühlt mit meiner Musik die Welt retten. Das ist zehrend. Die Vorstellung eines gewissen Äußeren ist geblieben. Vor Corona habe ich drei- bis fünfmal die Woche Sport gemacht und auf ein Körperbild hingearbeitet, das definitiv von Superheldenfiguren inspiriert ist. Die zweite Figur ist Robin Hood. Er beklaut die Reichen, ist ein Held und bekommt am Ende Maid Marian. Ich habe immer noch die Bilder im Kopf, wie er mit ihr an einem Seil schwingt, so Tarzan und Jane-mäßig. Das hat sich auf einer tieferen Ebene eingebrannt.
MZEE.com: Da ist viel Wahres dran. Vorbilder beeinflussen auch unsere Selbstwahrnehmung.
CONNY: Ich habe mit meinem Therapeutin viel darüber gesprochen, wie ich das Gefühl von Selbstwert generiere. Mir ist deutlich geworden, dass ich ein Muster habe und anfange, zu flirten, wenn ich mich wenig selbstbewusst fühle. Ich versuche dann, von Frauen Bestätigung zu bekommen. Vielleicht sogar, indem ich von meiner Musik erzähle. Das lädt meine Batterien für Selbstwert total auf. Unter meinen männlichen Kumpels würde ich das nicht tun. Ich glaube, dass das auch daher kommt, dass man von den Geschlechterklischees in den Superheld:innenfilmen beeinflusst ist. Nicht nur, aber unter anderem. Wenn ich Songs schreibe, merke ich, dass es immer wieder Figuren gibt, die nach dieser Bestätigung dürsten, nach der Liebe einer Frau, aber auch nach Freiheit und etwas Größerem. Mein lyrisches Ich ist nicht zu einhundert Prozent die Privatperson Constantin Höft, sondern irgendjemand zwischen Kunstfigur, MPDB, CONNY und Constantin Höft. Es ist schon krass, wenn man Songs fertig geschrieben hat und sich fragt, ob man nicht wieder die gleiche Geschichte reproduziert. Auf "In fremden Betten über dich" ist die Frau nur Projektionsfläche. Das ist total gefährlich und das will ich eigentlich nicht machen. Wie kann ich mein Album ein feministisches Projekt nennen, wenn ich nur eindimensionale Frauenfiguren baue? Deswegen habe ich zumindest versucht, das zu durchbrechen, indem ich komplexere Frauencharaktere aufbaue. Die nächste Single war "7000 Meilen Frau". Das ist für mich der Zwillingssong zu "In fremden Betten über dich". Er ist danach entstanden, als mir klar geworden ist, dass ich einen Gegenentwurf zum Protagonisten in „In fremden Betten über dich“ brauche. Darin gibt einen Typen, der die ganze Zeit flüchtet. Deshalb braucht es eine Frau, die dasselbe tut. Außerdem möchte ich auf dem Album auch Männerfiguren zeigen, die sich verletzlich zeigen und aussprechen können, dass sie an der Stelle ein Problem haben wie in "Drake ist auch nicht glücklich". Ob das gelungen ist, müssen am Ende die Journalist:innen und Hörer:innen bewerten.
MZEE.com: Ist es für dich leichter, andere Perspektiven einzunehmen, weil du sehr viel – unter anderem auch Theaterstücke – schreibst?
CONNY: Meine Agenda ist es, die Gesellschaft abzubilden und Dinge sichtbar zu machen. Dafür brauche ich eine große Bühne. Es gibt dieses Bild von den sich selbst malenden Händen (Anm. d. Red.: "Drawing Hands" von M. C. Escher). Inzwischen denke ich in Projekten. Ich glaube, dass die Entscheidung, sich nicht nur auf das Genre Rap zu beschränken, mir die Möglichkeit gibt, größer zu denken. Ich schreibe Kurzgeschichten, Prosa, ein Theaterstück oder eben einen Song. Ich will damit nicht sagen, dass Rap alleine klein gedacht ist, aber wenn man sich von Anfang an einen Rahmen steckt, kann dieser einen auch begrenzen. Das siehst du auch an der Textmenge, die ich schreibe. "Drake ist auch nicht glücklich" hat zweimal 24 Zeilen. Wer schreibt das heutzutage noch? Haiyti hatte mal so 'nen Tweet: "Welcher Hurensohn schreibt heute eigentlich noch 16er?" (lacht) Den Screenshot habe ich meinen beiden Produzenten Johannes und Elias (Anm. d. Red.: DONKONG und Black Lemon) geschickt und meinte: "Fuck! Sie hat uns erwischt." (lacht)
MZEE.com: Einige Eigenschaften, wie zum Beispiel Fürsorglichkeit, werden eher Frauen zugeschrieben. Im Gegensatz dazu wird etwa Aggressivität als eher männlich verortet. Solche geschlechterspezifischen Stereotypen sind immer noch vorherrschend. Was macht es mit uns, wenn das Ausleben bestimmter Eigenschaften erschwert wird?
CONNY: Ich finde es gefährlich, wenn so etwas mit Scham kompensiert wird. Ich überzeichne das mal ein bisschen. Was ist zum Beispiel mit der Frage nach Elternzeit für Männer? Für viele ist das gar nicht so einfach, weil es sich komisch anfühlt, wenn der Mann zu Hause bleibt. Viele Männer würden vielleicht sagen, dass das nicht daran liegt, dass sie sich schämen. Aber warum machen es nur so wenige? Ist es wirklich nur die sexistische Struktur von Ehegattensplitting oder steckt da nicht noch mehr dahinter? Und zur Aggression: Frauen, denen es unangenehm ist, wenn sie wütend werden. Oder ihre wütenden Aussagen danach zurücknehmen, weil sie sich im Nachhinein für diese Emotion schämen. Diese Schemata, die uns vorgeben, welche Eigenschaften wir als männlich oder weiblich verorten, führen dazu, dass man denkt, sie seien für das andere Geschlecht nicht so cool. Ganz viele menschliche Emotionen werden als unangenehm empfunden, aber brauchen trotzdem einen Output. Wie bei mir: dann färbt man sich die Haare rosa und erfindet Mary Poppins-Figuren. (lacht) Es bahnt sich den Weg und ist bei vielen gar nicht mal so konstruktiv. Es kann auch anders enden, in Depressionen zum Beispiel. Ich glaube, dieses Einteilen von Eigenschaften in Geschlechter beraubt uns unserer Menschlichkeit. Das finde ich schrecklich. Ich wünsche mir, für ganz viele Menschen, dass sie alle Eigenschaften ausleben können, die sie möchten.
MZEE.com: Vorbilder, die so etwas vorleben, sind wichtig. Ich denke da zum Beispiel an Rapperinnen. Es gibt mittlerweile mehr erfolgreiche Frauen in der Szene als früher. Woran, glaubst du, liegt es, dass sie sich ihren Raum vermehrt nehmen?
CONNY: Ich kann dir das nicht auf einer quantitativen Ebene mit Zahlen belegen. Vielleicht gab es vorher auch mehr, die einfach nicht sichtbar waren. Die Sichtbarkeit ist gestiegen, weil es Dinge wie Mona Linas Label "365XX" nur für Frauen gibt. Das ist supernice. Ich denke auch, dass es damit zu tun hat, dass der Feminismus inzwischen stärker in den Mainstream gekommen ist. Ich argumentiere natürlich aus einer Bubble heraus, in der er schon längst die Hoheitsmacht an sich gerissen hat. Dadurch, dass er nun stärker vertreten ist, wurden viele Frauen empowered. Strukturen müssen neu gedacht werden und werden dadurch aufgebrochen. Du hast gesagt, dass es wichtig ist, Vorbilder zu haben und das glaube ich auch. Im Nachhinein ist es lächerlich, dass Leute gesagt haben, dass Frauen nicht rappen könnten. Wie ist dieses Argument zustande gekommen? Es gibt ja keine biologische Veranlagung, die die Fähigkeit, zu rappen, auf das Y-Chromosom legt. Ich glaube, dass vielen Männern aufgefallen ist, dass eine Unsicherheit bestanden hat, wie weibliche MCs performen, weil es eben so wenige Vorbilder gab. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, habe ich erst mal alle meine Lieblingsrapper kopiert. Wenn du das als Frau machst, kopierst du einen Habitus, der super männlich geprägt ist. Das kommt dann total irritierend in einer Gesellschaft, die auf deine Gender-Performance fokussiert ist. In einer komplett von Männern dominierten Musikszene ist es als Frau tausendmal härter, sich etwas selbst zu erarbeiten. Jetzt, wo es mehr Frauen und Vorbilder gibt, können Rapperinnen, bevor sie ihr eigenes Ding finden, ganz anders experimentieren. Und das ist so wichtig.
MZEE.com: Ich denke, dass sich das allgemein zum Positiven verändert hat. Das wird zum Beispiel an der Debatte um das Gendern von Texten deutlich. Es gibt eine Studie mit Grundschulkindern, die besagt, dass sich Schülerinnen eher in männerdominierten Berufen sehen, wenn ihnen diese in gegenderter Form vorgestellt werden.
CONNY: Von der Studie habe ich auch gehört. Damit ist eigentlich alles gesagt. Wenn das der Preis dafür ist, dass Menschen ganz andere Träume haben, dann bin ich bereit, den zu zahlen. Ich verstehe nicht, wie sich Spitzenpolitiker wie Friedrich Merz hinstellen und das lächerlich machen können. Das ist so absurd. Ich versuche, in meiner Sprechsprache und auch auf WhatsApp zu gendern. Ich habe auch schon mehrfach überlegt, in meinen Songs in Zukunft die Genderlücke zu rappen. Ich finde es geil, gegendert zu rappen. Warum nicht?
MZEE.com: Ich denke, wir können davon alle nur profitieren.
CONNY: Ich glaube ganz stark daran, dass Sprache unsere Welt konstruiert. Ich bin "Sprachkünstler" und glaube daran, dass ich mit Sprache meine Traumzukunft aufbauen kann. Deshalb muss ich ganz vorne mit dabei sein. Lass uns die Zukunft positiv gestalten. Klar, man muss sich umgewöhnen und alle Umstellungen sind am Anfang komisch. Aber ich mache das gerne, weil es die Sichtbarkeit für Frauen in unserer Gesellschaft erhöht. Die muss auch über viele andere Mittel und Wege erhöht werden, aber das ist eine Kleinigkeit. Die kann ich sofort umsetzen und dann mache ich das.
(Malin Teegen)
(Fotos von Niels Freidel)