"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Joe Budden, Crooked I, Joell Ortiz und Royce Da 5'9". Diese vier Namen stehen für Technik, Hardcore-Rap und Lyrics auf höchstem Niveau. Als sie sich im Jahr 2009 zu der Supergroup Slaughterhouse zusammenschlossen, war also klar, wohin die Reise gehen sollte. Ein Rundumschlag an alle, die die Jungs noch immer unterschätzten, war angesagt: "I'm a sniper shootin' my way into your lame top ten, pistol at your head if I ain't next to Eminem."
Diese Attitüde der "Lyrical Murderers" sorgt bei mir sofort für zustimmendes Kopfnicken. Dazu trägt ebenfalls der New York-Flavor der selbstbetitelten Debütplatte bei. Das Album ist hart, kompromisslos und dennoch nicht einseitig. Die vier MCs vermitteln das Gefühl einer Cypher bestehend aus gleichgestellten Partnern mit massivem Hunger. Der Wettbewerb innerhalb des Slaughterhouse ist Teil der Erfolgsrezeptur und wirkt sich positiv auf Punchlines und Silbenzahl pro Reim aus. Dasselbe gilt für den Flow, wenn jeder der Jungs auf dem Intro "Sound Off" die Doubletime-Kanone hervorholt. Technik und Texte stehen klar im Vordergrund und lassen die stark produzierten Beat-Bretter, unter anderem von The Alchemist, Mr. Porter und DJ Khalil, beinahe in den Hintergrund rücken. Und auch wenn die Rapper auf "Cuckoo" klarstellen: "I don't need a hook for this one", schreiben sie auf "The One" oder "Not Tonight" doch radiotaugliche Refrains. Stark platzierte Features wie Fatman Scoop oder Pharoahe Monch verleihen dem "Slaughterhouse" den letzten Schliff.
Einem Gerücht nach ist das Album im Juni 2009 innerhalb von sechs Tagen entstanden. Wenn ich es höre, kommt für mich auch genau das rüber. Vier Jungs, die sich eine Woche im Keller eingeschlossen haben, um der Welt zu zeigen, dass sie ab jetzt übernehmen: "Sex and drugs and dirty money, on the race to rule the world, you cut your teeth on fame and diamonds, your time is up now: three, two, one – we number one!"
(Blan P)