Like however the fuck you wanna feel …
There should be a song that helps you feel that way.
Ich durfte DMX ganz klassisch über "X Gon' Give It to Ya" entdecken. Bei jeder Party in unserem JuZ feierten die älteren und daher coolen Jungs entweder dazu oder zu "Ruff Ryders' Anthem". Gott sei Dank gab es Mitte der 2000er schon YouTube und noch LimeWire, sodass ich in kürzester Zeit alles aufsaugen und nachholen konnte, was Earl Simmons auf uns unschuldige Kids so losließ. Ruff Ryders wurde zwei Wochen später die einzige Crew überhaupt, "Where the Hood At?" der heimliche Soundtrack jeder Schulhofschlägerei und die erste Kette sollte unbedingt so dick und grobmaschig sein wie im Video zu "What's My Name?". Heute denke ich, dass die Faszination, die der New Yorker ausübte, und vor allem die Geschwindigkeit, mit der er einen in den Bann zog, daher kam, dass es selten einen Rapper gab, bei dem das Adjektiv "echt" so gut gepasst hat. Jede Zeile und vor allem die Art, mit der sie gerappt wurde, war pure Emotion. Da war kein Platz für einen doppelten Boden, witzige Vergleiche oder um die Ecke gedachte Wortspiele. DMX war wütend und das hat er einem so in die Fresse gehauen, dass man danach auch auf hundertachtzig war. Zumindest bis der nächste Song über die eigenen mentalen Krisen kam. Plötzlich war man wieder ganz nah am Wasser gebaut. Politische Statements waren kein reformistischer Quatsch, sondern die Aufforderung, nicht so gierig zu sein und schön ein fettes Stück vom Kuchen herzugeben: "You've been eating long enough now, stop beeing greedy." Mit der ersten gebellten Silbe wusste man, da ist jemand, der Dreck gefressen hat und alle damit bewerfen will. Simmons war sicherlich nicht der feinste Lyricist und größte Flowroboter vor dem Herrn. Der ziemlich peinliche erste Part auf "Where the Hood At?" zeigt das ganz gut. In dieser Hinsicht war er auch absolut kein typisches Beispiel der New Yorker Tradition und konnte sich mit anderen Rappern seiner Generation wie Jay-Z, Busta Rhymes oder natürlich Biggie – alle vier gingen übrigens auf dieselbe Schule – nicht messen. Aber was DMX sagte, meinte er auch genau so, und er stellte sicher, dass es jeder wusste. Diese Energie und ungezügelte Ruffness ist in der Hinsicht absolut auf Augenhöhe mit den stärksten 2Pac-Songs und wird heutzutage von Rappern wie 6ix9ine eher konterkariert. Dennoch tut man DMX unrecht, ihn nur auf seine Power und Emotionalität zu reduzieren. Auf "Who We Be" etablierte er zum Beispiel einen Flow, der auf einem gewissen "Sonnenbank Flavor" komplett abgeschaut und als große Neuerung verkauft wurde. Auch "Lord Give Me a Sign" schaffte das Kunststück, inhaltlich tiefgehend zu sein und dennoch technisch absolut sauber zu bleiben.
Neben der großartigen Musik, die Earl Simmons erschuf, gab es allerdings auch ein Privatleben und damit Dämonen, die den Rapper sein Leben lang verfolgen sollten. Die Biografie von DMX zeigt, dass man manchmal wirklich nicht das Ghetto aus dem Jungen bekommt. Schon in der Jugend kamen die ersten Gefängnisaufenthalte und Erfahrungen mit Drogen. Zeitlebens schaffte er es nie, diesem Teufelskreis dauerhaft zu entkommen. Viele der zahlreichen Verurteilungen, die Simmons über die Jahre sammelte, standen im Zusammenhang mit Tierquälerei von Hunden – eigentlich seine liebsten und ein Stück weit auch identitätsstiftende Geschöpfe in seinem Leben. Diese Tatsache lässt die Zwiespältigkeit und innere Zerrissenheit von DMX erahnen. Große Comeback-Ankündigungen und -Versuche mussten aufgrund von Strafverfolgung oder Reha immer wieder verschoben oder abgesagt werden. Am 9. April ist DMX im Alter von 50 Jahren vermutlich an einer Überdosis verstorben. Er hinterlässt ein musikalisches Erbe, das die Zeit überdauern wird. Rest in Peace, Big Dog.
(Simon Back)
(Grafik von Daniel Fersch)