"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Musik ist schon immer ein großer Teil meines Lebens. Seit meiner frühesten Kindheit beeinflusst sie mich auf die ein oder andere Weise. Sie wirkt sich auf meinen Sprachgebrauch oder auch andere Lebensbereiche aus. Stets kann ich mich in ihr verlieren. Mein Kopf produziert regelrechte Filme, indem er Texte in Bilder zum Beat verwandelt. Kaum ein Album hat diese Eindrücke so hinterlassen wie "Böhse Enkelz" von K.I.Z.
Dass die Künstler im Zuchthaus für ein echtes Punchline-Massaker gut sind, war mir schon seit der ersten Platte bekannt. Dennoch hob das darauffolgende Werk die alles zerstörende Kunst auf ein neues Level. Im klassischen Mixtape-Sinne werden Hits neu interpretiert und vereinzelt ordentlich durch den Kakao gezogen. Genau dies gelingt den Kannibalen in Zivil perfekt. Der Fokus liegt sofort auf den Texten, die in bekannte Hooks und Melodien verpackt werden. Diese richten sich gegen alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist und schaffen es zusätzlich, mit gut versteckter Sozialkritik aufzuwarten. Auch wenn die Provokation natürlich im Vordergrund steht. Genau das überzeugte mein jugendliches Ich so sehr, dass ich wahlweise die CD allen Menschen vorgespielt habe, die sie nicht hören wollten, oder mich ihnen gegenüber monatelang von Zitat zu Zitat hangelte. "Schreib deinen Text in zehn Minuten, ich kauf' mir einen in drei" ist hier ein perfektes Beispiel. Die Punchline ist so einfach wie genial. Zudem bekommt sie extra Gewicht, wenn man bedenkt, dass sich auch 15 Jahre später Rapper gerne in Interviews damit brüsten, wie schnell sie ihre Texte verfassen. Und so ist sie mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Mit entsprechendem Bild, versteht sich.
Meine Sprache haben K.I.Z mit ihrem Wortwitz also zweifelsohne beeinflusst. "Ick verschränk' die Arme, nenn mich den Wandschrank" ist das Kaliber an Sprüchen, welche mein Umfeld bis heute ertragen muss. Auch mein Humor ist weiterhin von "Böhse Enkelz" geprägt. Denn sobald das Mixtape läuft, verliere ich mich wieder im alten Film.
(Blan P)