"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Im Jahr 1997 erschien "Hows, Flows, Moneytoes" von Westberlin Maskulin und sollte die Musik aus dem Berliner Untergrund wie kaum ein anderes Werk beeinflussen. Das Duo, bestehend aus Kool Savas und Taktloss, hinterließ nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch bei mir einen bleibenden Eindruck.
Ich hörte das Album aber erst gute acht Jahre nach Release. In dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit der Szene Berlins: Täglich recherchierte ich neue Künstler, die wiederholt Westberlin Maskulin erwähnten und der Drang, die Musik selbst zu hören, wurde immer größer. Ich fühlte mich wie ein Schatzjäger auf der Suche nach dieser einen Band, die ihr Genre nachhaltig geprägt hatte. Diese eine Gruppe, die nicht unbedingt selbst kommerziell erfolgreich war, von allen Schlüsselfiguren aber als Erstes genannt wird, wenn es um Vorbilder und Einflüsse geht. Als ich dann endlich die Gelegenheit hatte, "Hoes, Flows, Moneytoes" zu hören, schaltete ich mein Handy aus und verschloss die Tür – niemand sollte mich bei der Analyse des Klassikers stören. Der rohe, asoziale und politisch absolut inkorrekte Rap faszinierte mich direkt, ich war wie überrollt nach dem ersten Hören und drückte direkt wieder auf Play. Zuerst schienen mir die KKS-Parts wie Erholung zwischen den Passagen von T-A-K. Doch schon ab der Hälfte wurde mir klar, wie perfekt zugeschnitten der unkonventionelle und nicht auf den Takt passende Rap zu den Texten und der Message der beiden passte. Die Platte zog mich in ihren Bann und ich verstand augenblicklich, weshalb sie so viel Einfluss auf die Szene genommen hatte.
Prinz Porno war einer der Künstler, die mich auf das Berliner Duo aufmerksam gemacht haben. Er rappte im Jahr 2005: "Ohne Maskulin gäb' es keinen Hype um Berlin. WBM war für meine Generation wie reines Kokain." Meiner Meinung nach hätte er keinen treffenderen Vergleich finden können. Denn abgesehen von den offensichtlichen negativen Eigenschaften von Droge und Album besitzen doch beide riesiges Suchtpotenzial.
(Blan P)