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Adventskalender

24 Jahre deutscher Rap in Tracks: Türchen #13 – Tua (2009)

24 Tür­chen, 24 Jah­re deut­sche Rap-​Geschichte – in unse­rem Advents­ka­len­der las­sen wir die letz­ten Jah­re anhand aus­ge­wähl­ter Tracks Revue pas­sie­ren. Heu­te: "MDMA" von Tua aus dem Jahr 2009.

Es ist kalt, es ist grau, es gibt immer noch Coro­na. Die idea­le Zeit also, um Tag für Tag bei unse­rem Advents­ka­len­der mit­zu­fie­bern. Wie­der wer­fen wir einen Blick zurück auf die letz­ten 24 Jah­re: Wel­che Mei­len­stei­ne gab es? Wel­che Momen­te sorg­ten dafür, dass deut­scher Rap ein­fluss­rei­cher wur­de denn je? Weil uns Alben zu ein­fach sind (und wir sie schon hat­ten, sie­he hier), haben wir uns die­ses Jahr dran­ge­macht und den jeweils einen Track gesucht, der die Sze­ne über sein Erschei­nungs­jahr hin­aus ent­schei­dend geprägt hat. Jeden Tag stel­len wir Euch somit – ange­fan­gen 1997 – einen Song vor, der ent­we­der durch sei­nen Sound, sei­nen Inhalt oder sei­ne Form unse­rem Lieb­lings­gen­re sei­nen Stem­pel auf­ge­drückt hat.

 

2009: Tua – MDMA

Und ich hab' all die guten Gefüh­le gera­de im Bauch.
Ich frag' mich nur: 'Süße, magst du mich auch?'

"Ich ver­ste­he gar nicht, wo all die­ser Dog­ma­tis­mus her­kommt, bei einer Kunst­form, die doch aus Samplen, neu zusam­men­fü­gen und Quer­ver­wei­sen besteht", sag­te Tua schon 2009 im Inter­view. Sein Album "Grau" war gera­de erschie­nen und soll­te zum Para­de­bei­spiel für deut­schen Rap wer­den, der sich weder musi­ka­li­sche noch inhalt­li­che Gren­zen setzt. Einer der her­aus­ste­chen­den Songs des in sich so stim­mi­gen Klas­si­kers ist "MDMA".

Die offen­sicht­li­che Dop­pel­deu­tig­keit des Titels, der sowohl den Haupt­wirk­stoff von Ecsta­sy als auch den Satz "Magst du mich auch?" abkürzt, legt den Grund­stein für einen Song, der den Hörer auf einen hek­ti­schen und wech­sel­haf­ten Gefühlstrip ein­lädt. Der 7/​8-​Takt des Instru­men­tals und die an Hea­vy Metal erin­nern­den Gitar­ren­parts wir­ken im Kon­trast zu Tuas melo­di­schem Flow und Gesangs­pas­sa­gen zunächst fast ver­wir­rend. Spä­tes­tens nach meh­re­ren Durch­gän­gen macht dies den Track aber zu dem außer­ge­wöhn­li­chen Werk, das er ist. Genau wie die unkon­ven­tio­nel­le Instru­men­tie­rung ist Tuas offe­ne und ver­letz­li­che Her­an­ge­hens­wei­se an bei­de The­ma­ti­ken, die der Song behan­delt, außer­ge­wöhn­lich für deut­schen Rap im Jahr 2009. Sowohl "MDMA" als auch "Grau" sind als Mei­len­stei­ne anzu­se­hen, wenn­gleich Tua die­se Aner­ken­nung zum Release ver­wehrt blieb. Gleich­zei­tig waren sie ein Vor­ge­schmack auf das, was der Künst­ler mit den fol­gen­den Releases bis hin zum selbst­be­ti­tel­ten Album zehn Jah­re spä­ter fol­gen las­sen soll­te. Wenn über Inno­va­ti­on und Krea­ti­vi­tät in Rap­deutsch­land gespro­chen wird, führt kein Weg am Namen Tua vorbei.

Zu "MDMA" kann man eben­so nach­denk­lich im Sofa ver­sin­ken und sich die Decke über den Kopf zie­hen wie enthu­si­as­tisch durch sei­ne Woh­nung tan­zen. In jedem Fall ver­langt der Song die gan­ze Auf­merk­sam­keit des Hörers, um sein vol­les Poten­zi­al zu ent­fal­ten. Und das ist eine Blau­pau­se, die Tua deut­schem Rap min­des­tens seit dem Release von "Grau" vor­ge­legt hat – die wohl bis heu­te kaum jemand so gut umzu­set­zen ver­mag wie der Reutlinger.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)