Es ist kalt, es ist grau, es gibt immer noch Corona. Die ideale Zeit also, um Tag für Tag bei unserem Adventskalender mitzufiebern. Wieder werfen wir einen Blick zurück auf die letzten 24 Jahre: Welche Meilensteine gab es? Welche Momente sorgten dafür, dass deutscher Rap einflussreicher wurde denn je? Weil uns Alben zu einfach sind (und wir sie schon hatten, siehe hier), haben wir uns dieses Jahr drangemacht und den jeweils einen Track gesucht, der die Szene über sein Erscheinungsjahr hinaus entscheidend geprägt hat. Jeden Tag stellen wir Euch somit – angefangen 1997 – einen Song vor, der entweder durch seinen Sound, seinen Inhalt oder seine Form unserem Lieblingsgenre seinen Stempel aufgedrückt hat.
2008: Peter Fox – Alles Neu
Ich bin die Abrissbirne für die d-d-d-deutsche Szene.
Dieser Satz aus dem Track "Alles neu" fasst Peter Fox' Botschaft 2008 mehr als treffend zusammen. Im charmanten Größenwahn rechnet er mit der Vergangenheit ab und ist bereit, nicht nur Berlin, sondern gleich die gesamte Welt mit seinem neuen Sound zu revolutionieren.
Der Frontmann von Seeed nimmt seine Hörer mit "Alles Neu" mit auf eine Reise der Selbstoptimierung, auf der er sein altes Leben hinter sich lässt. Als "Update Peter Fox 1.1" hat er sich selbst neu erfunden, doch das ist ihm nicht genug: Auch seine Umgebung möchte er mitreißen und musikalisch global vorpreschen. Die melodische Untermalung durch Schostakowitschs siebte Sinfonie ist bewusst gewählt – nicht ohne Grund wird sie umgangssprachlich auch Kriegssinfonie genannt. Rückblickend ist klar: Peter Fox ist kein Mann der leeren Worte, "Peter Fox 1.1" lässt seinen Worten Taten folgen. Über eine Million verkaufte Einheiten sprechen eindeutig für eine gewonnene Schlacht. Metaphorisch lässt der Track viel Spielraum. Vielleicht ist er aber gerade deshalb so alltagstauglich. Darüber hinaus lässt sich der Bezug zum eigenen Leben leicht herstellen, denn wer verspricht sich selbst nicht gelegentlich, alte Marotten aufzugeben und sich stetig zu optimieren? Ob Fox wirklich komplett mit seiner Vergangenheit bricht, sei es musikalisch oder privat, bleibt offen. Fakt ist aber, dass der vorab als Single releaste Track die nationale Erwartungshaltung an eines der im Nachhinein wegweisendsten Alben der Deutschrap-Geschichte definitiv hat in die Höhe schießen lassen.
"Alles neu" sollte nicht nur Motto des gleichnamigen Songs werden, sondern Deutschrap nachhaltig wieder kommerziell machen, ohne dabei zu weit in popmusikalische Sphären abzudriften. Nicht ohne Grund gilt sein Soloprojekt "Stadtaffe" als Wegbereiter für Ikonen wie Marteria oder Casper.
(Armina Takvorijan)
(Grafik von Daniel Fersch)