Es ist kalt, es ist grau, es gibt immer noch Corona. Die ideale Zeit also, um Tag für Tag bei unserem Adventskalender mitzufiebern. Wieder werfen wir einen Blick zurück auf die letzten 24 Jahre: Welche Meilensteine gab es? Welche Momente sorgten dafür, dass deutscher Rap einflussreicher wurde denn je? Weil uns Alben zu einfach sind (und wir sie schon hatten, siehe hier), haben wir uns dieses Jahr drangemacht und den jeweils einen Track gesucht, der die Szene über sein Erscheinungsjahr hinaus entscheidend geprägt hat. Jeden Tag stellen wir Euch somit – angefangen 1997 – einen Song vor, der entweder durch seinen Sound, seinen Inhalt oder seine Form unserem Lieblingsgenre seinen Stempel aufgedrückt hat.
1997: Freundeskreis – A-N-N-A
Sieh' da: Anna war ein HipHop-Fan.
Schon vor 24 Jahren gab es Tracks, deren Relevanz über ihren eigenen Mikrokosmos hinausging. Es dauerte zwar mehr als ein Jahrzehnt, bis mich der Song "A-N-N-A" in seinen Bann zog, doch vielen anderen ging es schon 1997 so. Als zweite Single des Debüt-Albums der Kolchose-Legenden Freundeskreis re-releast, wurde er dann endlich zum Sommerhit.
Der Sound und die Aufarbeitung des Themas von "A-N-N-A" sind exemplarisch für FK und das Album. "Quadratur des Kreises" war eine meiner ersten Rap-CDs, die es für jede Minute auf der 19-Track-Platte wert war, den Kaufpreis vom schmalen Taschengeld zu bezahlen. Freundeskreis haben damals im Blick gehabt, wie divers HipHop sein soll und was für eine Art von Kultur und Werten dahintersteht. "Es geht darum, wie man sich mit etwas beschäftigt, und nicht darum, mit was", um eine von Falk Schachts letzteren Phrasenschwein-Instagram-Wahrheiten zu zitieren. Genau das vermittelt "A-N-N-A": Max Herre gibt der Protagonistin die starke Position und stellt sich neben ihr eher klein dar. Er möchte den Moment festhalten und sich am liebsten für immer mit ihr unter diesem Vordach ins Trockene retten. Doch so schnell der Moment kam, ist er auch schon wieder verflogen. Das soll wohl auch das Video verdeutlichen, welches Max Herre unter anderem auf der Flucht vor jemandem zeigt. Etwas überdramatisiert, aber verständlich, wenn HipHop-Fan Anna mit dem nächsten Bus wegfährt.
Gerade diese Art, über Gefühle zu sprechen, machte den Song aus. Vorher gab es kaum "Liebesraps" in den deutschsprachigen Charts. Mit FKs Hitsingle haben die Stuttgarter wohl den markantesten, ehrlichsten und gefühlvollsten Rap über eine Frau geschrieben und "A-N-N-A" zu einem der schönsten Liebeslieder, die jemals auf Deutsch gerappt wurden, gemacht. So sollte HipHop sein: herzlich, gefühlvoll und solidarisch.
(Malte Soap)
(Grafik von Daniel Fersch)