An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des Autors und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
In unserem aktuellen Kommentar blickt unser Redakteur Christof auf die Reimliga Battle Arena zurück, die demnächst ihre Pforten schließt.
Was haben "Stiefvater", "Warmer Bruder" und "Schwiegersohn" gemeinsam? Sie waren bei der Reimliga Battle Arena, kurz RBA, angemeldet. Und was haben sie noch gemeinsam? Richtig, sie bilden seit dem Jahr 2000 die Crew K.I.Z. Sie und einige weitere mittlerweile sehr bekannte Rapper zog es also Anfang der Nullerjahre zur RBA. Doch was hat es damit auf sich?
Die RBA entstand im Jahr 1997 als Online-Battle-Plattform im deutschsprachigen Raum. Das Konzept sah wie folgt aus: Es gab nach dem Herausfordern eines Gegners eine Deadline, bis zu der die eigene Runde als mp3-Datei hochgeladen werden musste. Man lud neben seiner Runde den Beat hoch, damit der Gegner darauf antworten konnte. Ein Battle ging dabei über drei Runden.
Große Popularität erlangte die Reimliga ab etwa 2005. Das dürfte erstens damit zusammenhängen, dass die Anzahl der Internetanschlüsse zu dieser Zeit rasant anstieg und zweitens, dass deutscher Rap sehr populär wurde. Es war die Zeit des Aufstiegs von Independent-Labels wie Aggro Berlin und Selfmade Records sowie HipHop-Internetplattformen wie rap.de, MZEE.com und eben der RBA.
Eine Liste mit bekannten Rappern, deren Karriere in der RBA begann oder zumindest dort einen großen Entwicklungsschritt machte, ließe sich lange fortsetzen. Ein gewisser "DERKOLLEGAH" ließ sich dort unter den Usern finden und auch Casper war als "Firstofthegangtodie" aktiv. Female MCs wie Juju und addeN begannen, ihren Kontrahenten in dieser Männerdomäne Respekt einzuflößen. Cro, der seine ersten Schritte am Mic ebenfalls in der RBA wagte, startete noch ein Battle, als er schon lange in den deutschen Charts zu finden war. Solche "Comebacks" bekannter Rapper blieben allerdings leider die Ausnahme. Doch nicht nur Entwicklungen von Künstlern fanden auf RBA-Boden statt. Aus dem RBA-Forum entstand das rappers.in-Forum und auf rappers.in entstand das VBT, vorangetrieben von RBA-Mitgliedern. Das Battleformat VBT, das ab etwa 2011 große Bekanntheit auf YouTube erlangte, stammt quasi direkt von der Reimliga Battle Arena ab und wurde am Ende sogar deren Konkurrenz.
Ich persönlich stieß 2005 zur RBA und fand mich schnell wieder in einer Community, in der sich viele Crews oder "Lager" bildeten, inklusive dazugehöriger Neckereien, Insiderwitze (nette junge Männer* erinnern sich) und vieler Gags. Auch das RBA-Forum war gut besucht und bleibt mir im Kopf als ein witziger, sehr kurzweiliger Ort. Zeitweise verbrachte ich während meiner Ausbildung im Büro einen schon ungesunden Teil meiner Arbeitszeit im Forum, was meine Arbeitsleistung dermaßen beeinflusste, dass ich Anfang 2008 die Reißleine zog und meinen Account im Forum löschen ließ. An der Battle-Plattform nahm ich aber noch bis 2015 teil.
Nach nunmehr 23 Jahren kündigte nun also Kay, der langjährige Betreiber der Liga, in der ersten Oktoberwoche auf Facebook deren Einstellung zum Ende des Jahres an. So traurig dieser Schritt ist, kam er für mich nicht überraschend und ist nachvollziehbar: Die RBA büßte in den letzten zehn Jahren sehr an Relevanz ein, hauptsächlich abgelöst durch Video-Battleformate wie das VBT oder JBB. Musikvideos beziehungsweise die visuelle Stimulation nahmen in Battles eine zunehmend wichtigere Rolle ein. Schade, dass die RBA in Zeiten der Pandemie kein Comeback mehr erleben konnte, denn schnell und unkompliziert während eines Lockdowns von zu Hause aus ein Battle zu führen, hätte sicher so einige triste Tage retten können. Aber es sollte wohl leider nicht sein – die Popularität stieg nicht mehr an. Also, alte Hasen: Sichert noch schnell eure eigenen Battles und Lieblingsrunden. Leser, die zum ersten Mal von der RBA hören: Auf YouTube gibt es so einige Schätze, wenn ihr "best of RBA" sucht. Auch wenn die Reimliga ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, hier geht ein wichtiger Teil der deutschen Rap-Geschichte zu Ende. Durch sie habe ich einiges gelernt und viele langjährige Freundschaften geschlossen. Ich kann nur sagen: Danke und goodbye, RBA!
*Anm. d. Red.: Tippte man in das Forum der RBA das Wort "Hurensohn" ein, so wurde dieses automatisiert durch "netter junger Mann" ersetzt.
(Christof Mager)
(Grafik von Daniel Fersch)