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Kommentar

Goodbye, RBA! – Ein Rückblick auf 23 Jahre Online-Battles

In unse­rem aktu­el­len Kom­men­tar blickt unser Redak­teur Chris­tof auf die Reim­li­ga Batt­le Are­na zurück, die dem­nächst ihre Pfor­ten schließt.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des Autors und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

In unse­rem aktu­el­len Kom­men­tar blickt unser Redak­teur Chris­tof auf die Reim­li­ga Batt­le Are­na zurück, die dem­nächst ihre Pfor­ten schließt.

 

Was haben "Stief­va­ter", "War­mer Bru­der" und "Schwie­ger­sohn" gemein­sam? Sie waren bei der Reim­li­ga Batt­le Are­na, kurz RBA, ange­mel­det. Und was haben sie noch gemein­sam? Rich­tig, sie bil­den seit dem Jahr 2000 die Crew K.I.Z. Sie und eini­ge wei­te­re mitt­ler­wei­le sehr bekann­te Rap­per zog es also Anfang der Nuller­jah­re zur RBA. Doch was hat es damit auf sich?

Die RBA ent­stand im Jahr 1997 als Online-​Battle-​Plattform im deutsch­spra­chi­gen Raum. Das Kon­zept sah wie folgt aus: Es gab nach dem Her­aus­for­dern eines Geg­ners eine Dead­line, bis zu der die eige­ne Run­de als mp3-​Datei hoch­ge­la­den wer­den muss­te. Man lud neben sei­ner Run­de den Beat hoch, damit der Geg­ner dar­auf ant­wor­ten konn­te. Ein Batt­le ging dabei über drei Runden.

Gro­ße Popu­la­ri­tät erlang­te die Reim­li­ga ab etwa 2005. Das dürf­te ers­tens damit zusam­men­hän­gen, dass die Anzahl der Inter­net­an­schlüs­se zu die­ser Zeit rasant anstieg und zwei­tens, dass deut­scher Rap sehr popu­lär wur­de. Es war die Zeit des Auf­stiegs von Independent-​Labels wie Aggro Ber­lin und Self­ma­de Records sowie HipHop-​Internetplattformen wie rap​.de, MZEE​.com und eben der RBA.

Eine Lis­te mit bekann­ten Rap­pern, deren Kar­rie­re in der RBA begann oder zumin­dest dort einen gro­ßen Ent­wick­lungs­schritt mach­te, lie­ße sich lan­ge fort­set­zen. Ein gewis­ser "DERKOLLEGAH" ließ sich dort unter den Usern fin­den und auch Cas­per war als "Fir­stof­t­he­gang­to­die" aktiv. Fema­le MCs wie Juju und addeN began­nen, ihren Kon­tra­hen­ten in die­ser Män­ner­do­mä­ne Respekt ein­zu­flö­ßen. Cro, der sei­ne ers­ten Schrit­te am Mic eben­falls in der RBA wag­te, star­te­te noch ein Batt­le, als er schon lan­ge in den deut­schen Charts zu fin­den war. Sol­che "Come­backs" bekann­ter Rap­per blie­ben aller­dings lei­der die Aus­nah­me. Doch nicht nur Ent­wick­lun­gen von Künst­lern fan­den auf RBA-​Boden statt. Aus dem RBA-​Forum ent­stand das rappers.in-Forum und auf rap​pers​.in ent­stand das VBT, vor­an­ge­trie­ben von RBA-​Mitgliedern. Das Batt­le­for­mat VBT, das ab etwa 2011 gro­ße Bekannt­heit auf You­Tube erlang­te, stammt qua­si direkt von der Reim­li­ga Batt­le Are­na ab und wur­de am Ende sogar deren Konkurrenz.

Ich per­sön­lich stieß 2005 zur RBA und fand mich schnell wie­der in einer Com­mu­ni­ty, in der sich vie­le Crews oder "Lager" bil­de­ten, inklu­si­ve dazu­ge­hö­ri­ger Necke­rei­en, Insi­der­wit­ze (net­te jun­ge Män­ner* erin­nern sich) und vie­ler Gags. Auch das RBA-​Forum war gut besucht und bleibt mir im Kopf als ein wit­zi­ger, sehr kurz­wei­li­ger Ort. Zeit­wei­se ver­brach­te ich wäh­rend mei­ner Aus­bil­dung im Büro einen schon unge­sun­den Teil mei­ner Arbeits­zeit im Forum, was mei­ne Arbeits­leis­tung der­ma­ßen beein­fluss­te, dass ich Anfang 2008 die Reiß­lei­ne zog und mei­nen Account im Forum löschen ließ. An der Battle-​Plattform nahm ich aber noch bis 2015 teil.

Nach nun­mehr 23 Jah­ren kün­dig­te nun also Kay, der lang­jäh­ri­ge Betrei­ber der Liga, in der ers­ten Okto­ber­wo­che auf Face­book deren Ein­stel­lung zum Ende des Jah­res an. So trau­rig die­ser Schritt ist, kam er für mich nicht über­ra­schend und ist nach­voll­zieh­bar: Die RBA büß­te in den letz­ten zehn Jah­ren sehr an Rele­vanz ein, haupt­säch­lich abge­löst durch Video-​Battleformate wie das VBT oder JBB. Musik­vi­de­os bezie­hungs­wei­se die visu­el­le Sti­mu­la­ti­on nah­men in Batt­les eine zuneh­mend wich­ti­ge­re Rol­le ein. Scha­de, dass die RBA in Zei­ten der Pan­de­mie kein Come­back mehr erle­ben konn­te, denn schnell und unkom­pli­ziert wäh­rend eines Lock­downs von zu Hau­se aus ein Batt­le zu füh­ren, hät­te sicher so eini­ge tris­te Tage ret­ten kön­nen. Aber es soll­te wohl lei­der nicht sein – die Popu­la­ri­tät stieg nicht mehr an. Also, alte Hasen: Sichert noch schnell eure eige­nen Batt­les und Lieb­lings­run­den. Leser, die zum ers­ten Mal von der RBA hören: Auf You­Tube gibt es so eini­ge Schät­ze, wenn ihr "best of RBA" sucht. Auch wenn die Reim­li­ga ein biss­chen in Ver­ges­sen­heit gera­ten ist, hier geht ein wich­ti­ger Teil der deut­schen Rap-​Geschichte zu Ende. Durch sie habe ich eini­ges gelernt und vie­le lang­jäh­ri­ge Freund­schaf­ten geschlos­sen. Ich kann nur sagen: Dan­ke und good­bye, RBA!

*Anm. d. Red.: Tipp­te man in das Forum der RBA das Wort "Huren­sohn" ein, so wur­de die­ses auto­ma­ti­siert durch "net­ter jun­ger Mann" ersetzt.

(Chris­tof Mager)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)