An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des Autors und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
In unserem aktuellen Kommentar beschäftigt sich unser Redakteur Daniel mit den Gefahren, die Interviews wie das von Fler und KenFM innehaben können.
Ein Rapper zu Gast in einem Interviewformat von KenFM. Nein, es handelt sich weder um Chris Ares noch um Absztrakkt. Fler, dessen Name gepaart mit dem Wort "Interview" bei vielen Verfolgern der deutschen Rapszene schon freudigen Schaum vorm Mund erzeugt, sitzt Ken Jebsen in der Szenerie einer heruntergekommenen Tankstelle gegenüber. Dieser bietet sonst Leuten wie Elsässer, Ulfkotte oder Hörstel eine Plattform zum Schwurbeln und Schwadronieren über geheime Eliten und andere Kopp Verlag-beliebte Themen.
Das klingt auf vielen Ebenen schwierig. Nicht nur, weil hier zwei so komplett verschiedene Attitüden aufeinandertreffen, dass sich die Fremdscham über 90 Minuten konstant zu halten scheint. Angefangen damit, wie Jebsen seine sonstigen Zuschauer darüber informiert, dass man Fler auch als "Flizzy" kenne und dabei wie jemand weit über dem Renteneintritt wirkt, der die Bewerber für das neue Jugendwort des Jahres aus der Tageszeitung zitiert. Bis hin zum letztendlichen, lieblosen Abschiedshändedruck der beiden. Besonders, weil KenFM klar geworden zu sein scheint, dass er und sein Gesprächspartner nicht so sehr wie von ihm erwartet auf einer Wellenlänge liegen.
Hier soll es aber auch gar nicht so sehr um die Frage gehen, ob oder wie stark die Unterhaltungskultur zwischen den beiden floriert – denn Jebsen dürfte dennoch sehr wohl das erreicht haben, was er mit diesem Interview bezwecken wollte. Er hat Fler sicher nicht eingeladen, ihm damit das Ego gestreichelt und den Bauch gepinselt, um über die Resonanz von "Atlantis" zu reden. Es geht einzig und allein um die Erweiterung des eigenen Hörerkreises.
Dass die Zahl fleißiger KenFM-Konsumenten, die nach dem Interview regelmäßig Fler-Alben streamen, deutlich geringer sein dürfte als die von Fler-Fans, die daraufhin beginnen, sich für die Kanäle von Jebsen zu interessieren, sollte klar sein. Dies lässt sich nicht zuletzt aus den Kommentarspalten entsprechender Posts seitens Fler erlesen – auch wenn hier natürlich immer hinterfragt werden sollte, wie legitim und botfrei derlei Sektionen am Ende sind. So macht er sich letztlich zum Helfershelfer äußerst fragwürdiger Ideen und Gesinnungen.
Flers Gedankenwelt selbst mag hier auch kein gänzlich unbeschriebenes Blatt sein. Die Drohungen gegen weibliche Twitteruser oder der vor einigen Jahren veröffentlichte Brief über die "mangelnde Dankbarkeit von 'Gästen' in diesem Land" gibt darüber schon lange Aufschluss. Doch hier lässt er sich zu einem noch viel problematischeren Steigbügelhalter machen. Von Leuten, die nicht einfach nur selbst gefährliches Gedankengut hegen, sondern gemeinsam mit anderen agieren, die noch viel gefährlichere Ziele anstreben.
Dies ist auch kein Einzelfall. Namen wie Kianush, Marvin Game, PA Sports oder Sido werden immer wieder zum Multiplikator für die kruden Thesen von Leon Lovelock, Tilman Knechtel und Co., indem sie völlig unkritisch mit ihnen oder über sie reden. So wird eine Mischung aus eigener Dummheit und Geltungsdrang – und ganz unabhängig davon, ob sie selbst ähnliche Meinungen oder Gedankengänge vertreten – zum Brandbeschleuniger für Flammenherde rund um Elitengeschwurbel, rechte Ideologien und Antisemitismus.
Man mag von sonstigen Fler-Interviews halten, was man möchte: Dass man ein solches hier aus den unterschiedlichsten Gründen ganz sicher nicht mehr braucht, dürfte so ziemlich jedem klar sein.
(Daniel Fersch)
(Grafik von Daniel Fersch)