Die deutsche Sprache hat sich in den letzten Jahrhunderten enorm verändert und befindet sich auch weiterhin in einem stetigen Wandel. Die Sprache der Dichter und Denker wirkt für viele heute enorm veraltet und befremdlich. Trotzdem sind einige Themen, die bereits Goethe und Co. besprochen haben, auch Inhalte moderner Kulturen wie HipHop. So sind zum Beispiel Inhalte wie Liebe oder Politik bis heute allgegenwärtig in der Gesellschaft und Kunst verankert. Außerdem sind diese Themen Teil der Arbeit des Goethe-Instituts. Dass eine Institution, welche den Namen "Goethe" trägt und sich mit Sprachvermittlung und kulturellem Austausch befasst, ist also ebenfalls passend. Doch heißt das Goethe-Institut schon immer so? Wer beziehungsweise was ist das Goethe-Institut überhaupt? Was wird dort gemacht und warum ist deutscher Rap daran beteiligt?
Die Geschichte des Goethe-Instituts
Das Institut wurde im Jahr 1951 gegründet und ist seitdem die Nachfolgeorganisation der Deutschen Akademie, die bereits zwischen 1925 und 1945 bestand. Schon die Deutsche Akademie hatte zum Ziel, die deutsche Kultur und Sprache im Ausland zu fördern. Dabei war sie in eine "wissenschaftliche" und eine "praktische" Abteilung unterteilt, wobei die "praktische" Abteilung anfangs primär für deutschen Sprachunterricht speziell in Südosteuropa zuständig war. Leider wurde auch sie Teil der deutschen Kriegspropaganda in den 30er und 40er Jahren und somit kein unwichtiger Teil der Machenschaften der deutschen Nationalsozialisten. Bis 1945 erlitt die Deutsche Akademie zunehmend Verluste: Die meisten Organisationsgebäude in München wurden während des Zweiten Weltkriegs zerstört und eine Vielzahl an Mitarbeitern insbesondere in den letzten Kriegsjahren zum Wehrdienst eingezogen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Akademie dann von der amerikanischen Besatzungsmacht aufgelöst, da sie ein Teil der deutschen Spionage- und Propagandamaschinerie war.
1950 wurde die Deutsche Akademie allerdings wieder in das Münchner Vereinsregister eingetragen, um das noch vorhandene Vermögen der Institution zu sichern. Dieses wurde dann überwiegend für die Gründung des Goethe-Instituts 1951 genutzt. Kritisch zu betrachten ist dabei, dass ein Großteil der Mitarbeiter der Deutschen Akademie übernommen wurde. Diese Mitarbeiter waren zumeist beteiligt an den nationalsozialistischen Tätigkeiten der Akademie. So zum Beispiel einer der Mitbegründer des Goethe-Instituts, Franz Thierfelder. Dieser musste zuvor die Deutsche Akademie selbst zwar offiziell wegen mangelnder Identifikation mit der nationalsozialistischen Gesinnung verlassen, allerdings leistete er in den 30er Jahren enorme Propagandaarbeit für die Nationalsozialisten.
In den ersten Nachkriegsjahren beschäftigte sich das Goethe-Institut primär mit den Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung von Deutschlehrern im Ausland. Die Ausrichtung des Instituts wurde mit Beginn der 60er um den Bereich der Kulturarbeit erweitert. Zwischen 1959 und 1960 gab es neben dem Goethe-Institut noch zwei weitere "Arten" von Kulturinstitutionen im Ausland. Zum einen die deutschen Kulturinstitute, welche von lokalen deutsch-ausländischen Kulturgesellschaften betrieben wurden, und zum anderen die sogenannten "bundeseigenen Kulturinstitutionen", die zum Auswärtigen Amt gehörten. Davon gab es etwa 35, überwiegend vertreten in den Metropolen anderer europäischer Länder. Diese glichen allerdings eher Bibliotheken und Leseräumen als Veranstaltungsorten zur Sprachvermittlung. Speziell um die Sprachförderung und Kulturvermittlung im Ausland zu vereinfachen, wurden diese Institutionen dann dem Goethe-Institut angegliedert. Hauptverantwortlich dafür war Dieter Sattler, Kulturverantwortlicher des Auswärtigen Amts. Unter seiner Leitung wurden die Haushaltsausgaben für sein Ressort von knapp 60 Millionen Mark auf über 216 Millionen Mark gesteigert. Ein Großteil dieses Geldes floss in den Ausbau des Goethe-Instituts. Im Zuge der Studentenbewegungen im Jahr 1968, bei der die verschiedensten gesellschaftlichen Themen kritisiert und angeklagt wurden, wie zum Beispiel die veraltete Hochschulpolitik oder die zunehmende Entwicklung in Richtung einer Konsumgesellschaft in Deutschland, erweiterte auch das Goethe-Institut seine Tätigkeitsfelder. Infolgedessen kam es zu einer Umstrukturierung des Instituts. Das Ziel: die Umsetzung einer umfassenden kulturellen Programmarbeit, welche bis heute fortbesteht. Dabei ging es im Kern um zwei Aspekte. Zum einen das Schaffen einer möglichst breiten kulturellen Ausrichtung, also die Vertretung von sowohl Kunst, Film, Musik, Sprache als auch Wissenschaft. Und zum anderen die Idee eines möglichst kulturspezifisch angepassten Programms an die jeweiligen Länder. Dieses sollte nicht mit anderen lokalen kulturellen Veranstaltungen konkurrieren, sondern jene bestenfalls ergänzen und dabei für alle sozialen Schichten zugänglich sein. Diese Zielsetzung war allerdings bis Mitte der 70er Jahre enorm durch das politische Vorhaben – insbesondere vom Auswärtigen Amt – vorherbestimmt. So durften kulturelle Inhalte zunächst immer nur in enger Absprache mit dem Auswärtigen Amt vorbereitet und organisiert werden. Grundsätzlich fanden keine Veranstaltungen ohne Zustimmung des Außenministeriums statt. Dies sollte sich 1976 durch den geschlossenen Rahmenvertrag zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut ändern. In diesem wurde unter anderem festgehalten, dass das Institut fortan eine unabhängige Kulturinstitution und somit auch allein für die kulturelle Programmgestaltung zuständig ist.
Das Goethe-Institut konnte sich nun also leisten, kritisch Stellung zu deutscher und internationaler Politik zu beziehen, ohne dabei international "die Stellung" Deutschlands auf politischer Ebene zu gefährden. Es ist damit zu einem eigenen unabhängigen politischen Akteur geworden. So wurden einige Institute, die sich zum Beispiel in diktatorischen Ländern befanden, sehr schnell zu Treffpunkten für politische Oppositionen und Freigeister, um sich ungehindert austauschen zu können. Und genau hier kommt HipHop ins Spiel. Kaum eine andere Musikrichtung beziehungsweise Kultur hat einen politischen und sozialkritischen Kern wie HipHop. Bereits die Geburtsstunde der HipHop-Kultur Mitte der 70er Jahre stand ganz im Sinne einer avantgardistischen Grundhaltung. Also dem radikalen Anklagen von politischen Verhältnissen und einem Brechen mit ästhetischen Normen im Bereich von Kunst und Mode. Im Bereich der Sprachvermittlung sollte HipHop also eine Stütze für das Goethe-Institut werden und speziell eines der vier Elemente sich als hilfreich erweisen: der Rap.
Das Goethe-Institut trifft auf Rap
Doch warum Rap und nicht irgendeine andere Musikrichtung? Rap hat gleich zwei große Vorteile gegenüber anderen Genres. Im Vergleich zu ihnen ist das Arbeiten an bereits bestehenden Rap-Texten im Kontext von Workshops und Sprachkursen viel praktischer. Denn sowohl die Vielzahl an Inhalten als auch die rein quantitative Summe an Worten übersteigen die Lyrics sämtlicher anderer Genres. Außerdem ist auch das Selbermachen bei Workshops wesentlich einfacher und erfordert zumindest zu Beginn weniger musikalisches Wissen als andere Musikrichtungen. Dazu folgt Sprechgesang einer relativ einfachen Rhythmik, welche zum Beispiel durch einen Beatloop unterstützt werden kann. Somit ist er angenehmer vorzutragen als Gedichte und zudem einfacher als Gesang. Denn Tonhöhen oder eine ausgefeilte Atemtechnik spielen erst mal keine große Rolle und Rap entspricht gleichzeitig noch am ehesten dem gesprochenen Wort. Im Zweifel muss sich ein Text nicht mal reimen. Es reicht bereits aus, diesen rhythmisch zu sprechen. Das Goethe-Institut bietet mittlerweile eine Vielzahl an Lernmaterialien in diesem Bereich an, wie zum Beispiel Arbeitsblätter zum Track "Identitaeter" von Chefket. Insofern bieten Workshops mit Rapmusik eine tolle Alternative zu klassischen Sprachkursen. Diese werden zum Teil sogar von wahren HipHop-Urgesteinen geleitet. So war der Rapper Spax bereits in Westafrika, Portugal und Neuseeland für das Goethe-Institut unterwegs.
Das Institut schafft jedoch längst nicht nur die Möglichkeit für die Organisation von Workshops, sondern bietet den "Berufsrappern" auch etwaige Unterstützungsmöglichkeiten, um international Konzerte oder ganze Touren zu spielen. Eine Option, die für die meisten Künstler ohne das Institut wohl nicht realisierbar wäre. Denn selbst das Planen von Konzerten im deutschsprachigen Raum bedarf einiges an finanziellen Möglichkeiten und im besten Fall ein gut aufgestelltes Team aus Künstlern, Labels, Veranstaltern und Locations. Ist die Suche nach einer passenden Location im deutschsprachigen Raum noch relativ einfach, ist das im Ausland nicht der Fall. Dort stellt bereits das Abschätzen der Publikumsgröße die Veranstalter vor eine große Herausforderung, fernab von Problematiken wie ausreichender Ton- und Lichttechnik oder Ausstattung des Verantstaltungsorts. Ein ähnliches Problem ereilt auch häufig etwas kleinere HipHop-Acts aus Amerika bei Auftritten in Deutschland. Nicht selten beschweren sich Fans darüber, dass so mancher Künstler in schlecht ausgestatteten oder veralteten Locations spielt, obwohl es wesentlich passendere Alternativen gäbe. Eine Problematik, die mithilfe des Goethe-Instituts stark abgeschwächt wird. Das Finden eines geeigneten Veranstaltungsorts wird durch die teilweise jahrzehntelangen Connections des Instituts mit den verschiedenen lokalen Musikszenen enorm vereinfacht. Zudem kann ein Finanzierungszuschuss von Künstlern oder Labels beantragt werden, der dann entweder vom Institut selbst oder vom Auswärtigen Amt erhalten wird, um zum Beispiel die höheren Reisekosten zu decken. Außerdem ist somit auch noch meistens für ein "ausreichendes" Publikum gesorgt. So werden vom Goethe-Institut häufig ganze Schulkassen zum Konzertbesuch eingeladen, um auf der einen Seite für ein angemessenes Publikum zu sorgen und auf der anderen Seite den Schülern die Möglichkeit zu bieten, an kulturellen Aktivitäten teilhaben zu können.
Deutsche HipHop-Künstler unterwegs in aller Welt
Bei einer der ersten Connections zwischen dem Goethe-Institut und HipHop-Künstlern wurde diese Möglichkeit bereits nahezu voll ausgeschöpft. Das Institut entwickelte 2000 gemeinsam mit dem russischen Bildungsministerium eine Konzert- und Workshop-Reise mit Fettes Brot. Tourstopps waren unter anderem in Moskau und Sankt Petersburg. Teilweise kamen die Schulklassen zu den Konzerten sogar mit Bussen aus Sibirien angereist. Bei den Sprachworkshops gab es sowohl für die Schüler als auch Künstler einiges zu lernen, ganz im Sinne von "Each one teach one". Zudem lernten die Brote auch lokale HipHop-Acts kennen, die bei ihren Konzerten zumeist als Vorgruppe spielten. Doch warum wurde Fettes Brot eingeladen und nicht etwa ein Künstler mit stärkerem Russland-Bezug?
Das Goethe-Institut verfolgte bereits seit den 70ern die Idee, bei all ihren Projekten eine gewisse sozial- und Politik-kritische Komponente miteinfließen zu lassen. Fettes Brot schrieben schon in den 90er Jahren einige gesellschafts- und Politik-kritische Songs und Zeilen. Bereits 1994 hieß es auf ihrer ersten gemeinsamen EP "Mitschnacker": "Dies ist nicht Amerika, wie ihr sicher wisst. Doch warum müssen wir so werden, wie Amerika schon ist?! […] Weißbrot, Schwarzbrot – scheiß auf den Farbcode!" Deutschland, aber vor allem auch Russland hatten und haben beide ein großes Problem mit rassistischen Tendenzen innerhalb der Gesellschaft. Speziell auf politischer, medialer und institutioneller Ebene könnten die rassistischen Entwicklungen in Russland kaum sichtbarer werden. Die Auswahl von Fettes Brot seitens des Goethe-Instituts dürfte also definitiv auch mit ihren Textinhalten zusammengehangen haben. Auch der Name ihres damals aktuellen Projekts "Fettes Brot für die Welt" hätte dabei kaum passender sein können, ganz im Sinne der Völkerverständigung. Dass diese Tour längst nicht nur für die russischen Schüler und HipHop-Fans ein voller Erfolg war, sondern auch die Band selbst enorm beeinflusste, wurde schnell deutlich. Bis heute berichten Fettes Brot gerne in Interviews über ihre Tourerfahrungen in Russland. Und dass das Intro ihrer im direkten Anschluss 2001 entstandenen Single "Schwule Mädchen" auf Russisch vorgetragen wurde, ist vermutlich kein Zufall. Insofern ist die Zusammenarbeit von Künstlern und dem Goethe-Institut gewiss keine kulturelle Einbahnstraße, welche lediglich auf die Verbreitung der deutschen Sprache abzielt. Es ist vielmehr eine Möglichkeit, für noch mehr kulturellen Austausch zu sorgen. Die Brote wären vermutlich ohne das Goethe-Institut niemals in Russland gelandet, zumindest nicht im Bandkontext.
Ähnlich dürfte es auch anderen Künstlern gehen, die in den letzten Jahren mit dem Goethe-Institut zusammengearbeitet haben. Vermutlich hätte sich auch 2017 Megalohs Reise durch Afrika ohne die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut wesentlich privater gestaltet. Stattdessen tourte der Rapper ganz im Sinne seines Projekts BSMG durch einige Ostafrikanische Staaten, um Konzerte zu spielen und an Workshops mit anderen Musikern teilzunehmen. Hatte er anfangs noch etwas Sorgen um mangelnde Reaktionen und Interaktionen bei Konzerten mit dem Publikum, konnten diese schnell verworfen werden. Tanzen, Kopfnicken, Klatschen oder die klassischen "HipHop-Hände" funktionieren halt auch, wenn man nichts oder nur einen Bruchteil des gesprochenen Wortes versteht, sofern der musikalische Vibe des Künstlers den Nerv des Publikums trifft. Für Megaloh war die Tour beziehungsweise Reise als voller Erfolg zu verbuchen. So entstanden während der Zeit in Ostafrika einige Musikvideos für BSMG und auch der kulturelle und musikalische Austausch hätte kaum größer sein können.
Allerdings ist natürlich nicht jede Kooperation zwischen Künstlern und dem Goethe-Institut gut gelaufen. Insofern wurden einige Zusammenarbeiten im Nachhinein vom Institut kritisiert und als missglückt betrachtet. Beispielsweise war Massiv 2008 im Nahen Osten auf Tour, etwa in Palästina, woher er ursprünglich stammt. Im ersten Augenblick also eine passende Auswahl. Allerdings waren 2008 die militärischen Konflikte im Nahen Osten bereits auf Hochtouren und somit auch speziell die Konfrontation zwischen Palästina und Israel. So kam es dort zu kriegerischen Auseinandersetzungen, unter anderem im Gazastreifen zwischen Palästinensern und dem israelitischen Militär. In dieser politisch enorm angespannten Lage dann einen Künstler auszuwählen, der zumindest damals überwiegend gewaltverherrlichende Songs schrieb und Texte rappte wie "Wer will Krieg, komm, Blut gegen Blut!", ist mit Sicherheit keine gute Idee gewesen. Insgesamt überwiegen jedoch die positiven Kooperationen und so waren in den letzten Jahren zum Beispiel Juse Ju und Fatoni in Japan und Korea unterwegs, Chefket in ganz Nordwest-Europa auf Tour oder Roger Rekless in Polen zu Besuch.
Das Goethe-Institut hat mittlerweile 157 Zweigstellen, ist auf jedem Kontinent vertreten und hat in einigen Ländern sogar mehrere Standorte. Somit kann der durch das Goethe-Institut ermöglichte Kulturaustausch auch für neue Entwicklungen in der deutschen Rap-Landschaft sorgen. Die schon langanhaltende Connection zwischen Goethe-Institut und HipHop-Szene zeigt bereits, dass Rapper einen Teil dazu beitragen können, deutsche Kultur zu vermitteln. Die Möglichkeiten, die Rap zum Erlernen von Sprache bietet, sind sehr vielfältig. Sowohl das Arbeiten an bereits bestehenden Texten als auch das Schreiben eigener Zeilen bietet gerade Kids und Jugendlichen Spaß am Erlernen von Sprache. Auch HipHop-Künstler sollten die Möglichkeit der engen Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut also weiterhin nutzen. Denn dabei können dann nicht nur Kunst, Kultur und Sprache vermittelt werden, sondern zusätzlich weitere internationale Connections entstehen. Und dieses Ziel, also der Kulturaustausch und die Verknüpfung verschiedener Ansätze, ist nicht nur ein wichtiger Teil der Arbeit vom Goethe-Institut, sondern prägt auch die deutsche HipHop-Kultur.
(Alec Weber)
(Titelbild von Janina Steffes)