"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Eigentlich würde ich über mich selbst sagen, dass ich überwiegend von deutschem Rap geprägt worden bin. Bereits durch den Einfluss meiner Eltern wuchs ich in die Szene hinein. Doch das änderte sich zum Teil, als ich Eminems "The Marshall Mathers LP" in die Finger bekam. Denn diese Platte hat meinen Horizont in Bezug auf den HipHop-Kosmos enorm erweitert.
Damals war ich gerade einmal elf Jahre alt und bekam die CD vom Bruder einer Freundin geschenkt. Immer wenn ich bei den beiden zu Besuch war, spielte er Ems Platte ab, die ihm aus Amerika mitgebracht wurde. Obwohl ich nicht jedes Wort verstand, fesselten mich die Instrumentals, die ausgeprägten Stimmungen innerhalb der Songs und Eminems einzigartiger Flow sofort. Es war anders als alles, was ich bis dahin gehört hatte. Ich spielte das Teil rauf und runter und übersetzte mir mit meinen dürftigen Englischkenntnissen stückweise die Lyrics. Heute noch ist das Album für mich ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Die unzähligen Ohrwurm-Hooklines geben nahezu jedem Track Hit-Charakter. Ich möchte tanzen, fühle die rebellischen Lines und bin nach wie vor jedes Mal absolut begeistert von Eminems Skills, die für mich bis heute unantastbar bleiben. Ich brülle innerlich nahezu "Ja, man!", wenn ich die unzähligen Reimketten höre, und bekomme Gänsehaut, wenn der Titeltrack "Marshall Mathers" anspielt. Aufgrund seiner emotionalen Stimmlage sowie der deepen und ehrlichen Lines fühle ich eine starke Verbundenheit zum Künstler und seiner Musik, die sonst nur selten in mir geweckt wird.
Als mir damals das Album irgendwann von meiner Mutter abgenommen wurde, da Eminem sich den ein oder anderen Skandal geleistet hatte, brach für mich eine Welt zusammen. Vielleicht grabe ich gerade deshalb dieses Werk öfter als andere aus der Plattenkiste hervor. Ein weiterer Grund dafür ist, dass diese LP meiner Meinung nach mit dazu beigetragen hat, dass Rap sich zu Beginn der 2000er Jahre vor allem in Bezug auf technische Aspekte sehr verändert hat. Deshalb ist "The Marshall Mathers LP" ein Stück HipHop-Geschichte, das jeder kennen sollte.
(Dzermana Schönhaber)