Die Hoffnung: Dem griechischen Mythos nach wurde sie uns Menschen von der jungen Pandora in einer kleinen Schatulle geschenkt. Eine Schatulle, die all das Schlechte der Welt enthielt: Übel, Mühen, Krankheiten und sogar den Tod. Glücklicherweise jedoch legte ein uns Menschen freundlich gesinnter griechischer Gott auch die Hoffnung in diese Büchse. Ein Geschenk, welches wir ihm wohl nie vergessen werden – denn gerade jetzt haben wir sie doch so bitter nötig. Wie würden wir wohl sonst klarkommen? Klimakrise, COVID-19, Donald Trump und immer noch Rassismus in Deutschland und auf der ganzen Welt. An dieser Stelle ein Dankeschön an jenen, nicht namentlich bekannten griechischen Gott. Vielleicht war es göttliche Weitsicht oder einfach Zufall, aber wir können sie gerade wirklich gut gebrauchen. Auch in der literarischen Epoche des Sturm und Drang bildet die Hoffnung auf ein besseres Leben neben Genie, Schöpfung und Selbstverwirklichung eine der Grundsäulen dieser Zeit. Werte, die in unserem heutigen hedonistisch-geprägten Kosmos omnipräsent sind. Wohl kaum zufällig also, dass sie sich nun auf Crack Ignaz' neuem, gleichnamigen Album "Sturm & Drang" wiederfinden. Ein Genie-Streich, der weit weg von bestehenden Normen funktioniert und zwischen verschiedenen Genres eine ganz eigene Geschichte erzählt. Die Geschichte von einem Jungen, der hoffnungslos verliebt ist, aber weiterhin an das Gute glaubt und optimistisch in die Zukunft blickt. Nicht nur deshalb, sondern auch wegen seiner ehrlichen und offenen Art haben wir den letzten Dichter des "Sturm & Drang" zu einem Gespräch über Hoffnung, Liebe, Beziehungen und darüber, wie diese miteinander zusammenhängen, eingeladen.
MZEE.com: Vor fünf Jahren erschien mit "Kirsch" deine Debüt-EP und du hast eine Karriere als Musiker begonnen. Konntest du deine anfänglichen Erwartungen rückblickend verwirklichen?
Crack Ignaz: "Kirsch" war damals eher ein Selbstverwirklichungsprojekt und alles, was danach kam, war wirklich null eingeplant. Also die nicht vorhandenen Erwartungen wurden auf jeden Fall alle übertroffen. (lacht) Vorher hatte ich nämlich gar keine.
MZEE.com: Beim Red Bull Soundclash seid ihr 2017 als die neue Hoffnung am deutschsprachigen Rap-Himmel angetreten. War das vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet eine Erwartung, der man nicht gerecht werden konnte?
Crack Ignaz: Schwierig … Es ist schon irgendwie eine abstrakte Vorstellung, die Zukunft von einem ganzen Musikgenre zu sein. Mir war von Anfang an klar, dass wir dort die Underdogs sind. Das Ganze war im Endeffekt ja auch nur eine Inszenierung, oder? Damit man eine Story tellen kann, um das Event einzukleiden.
MZEE.com: Findest du denn immer noch, dass es die richtige Entscheidung war, mitzumachen oder würdest du aus heutiger Sicht lieber darauf verzichten?
Crack Ignaz: Es war auf jeden Fall eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Das war schon sehr lehrreich und spannend. Ich hab' dort einen richtigen Einblick in den Kern der Deutschrap-Szene bekommen und das war krass. Es ist echt wild, sagen wir es mal so. Vorher wusste ich auch schon in etwa, wie das Ganze läuft, aber ab dem Zeitpunkt wusste ich zu hundert Prozent Bescheid. Diese ganzen Fragezeichen waren danach weg.
MZEE.com: Ständiges Überdenken der Vergangenheit kann einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft verhindern. Der Wechsel zwischen diesen beiden Denkmustern wird auch auf deinem neuen Album "Sturm & Drang" des Öfteren aufgegriffen. Wann, meinst du, lohnt es sich, trotzdem zurückzuschauen?
Crack Ignaz: Wow, das ist keine leichte Frage. (lacht) Es lohnt sich immer, zurückzuschauen. Ohne sich daran zu erinnern, was passiert ist und was hinter einem liegt, kann man nicht wirklich vorankommen. Die schlechten und die guten Dinge – das sind alles Wegweiser für die Zukunft. Deshalb glaube ich nicht, dass es möglich ist, weiterzukommen, wenn man sich weigert, zurückzudenken. Nur so kann man aus Fehlern lernen.
MZEE.com: Apropos "Sturm & Drang": Die gleichnamige Epoche zeichnet sich dadurch aus, dass sie von der Hoffnung auf ein besseres Leben und dem Auflehnen gegen die bestehende Gesellschaftsordnung getrieben ist. Denkst du, dass wir uns gerade in einer ähnlichen Zeit befinden?
Crack Ignaz: Ja, das auf jeden Fall. Für mich lautet die Frage aber eher, ob wir uns jemals nicht in so einer Zeit befinden werden. Der Name des Albums hat allerdings nicht unbedingt mit der jetzigen Zeit und den Ereignissen zu tun, sondern kam eher daher, dass ich bestimmte Parallelen zwischen der Platte und der Epoche gesehen habe. Es gibt diesbezüglich auch ein paar Anspielungen. Als es fertig war, ist der Name dann quasi aus meinen Gefühlen und meinem Empfinden entstanden. Der Titel ist weniger auf die Gesellschaft bezogen, sondern vielmehr auf den Umgang mit Gefühlen, vor allem mit meinen eigenen.
MZEE.com: Ein weiteres Merkmal der Epoche ist die häufig behandelte hoffnungslose Liebe, die du auch auf deinen Songs "Bipolar" und "BMO" thematisierst. Was reizt dich an diesem Thema?
Crack Ignaz: Die hoffnungslose Liebe … Ist das nicht eine der schönsten Sachen? Und eins der Dinge im Leben, die das Menschsein am meisten definieren? Dass man etwas macht, was gar keinen Sinn ergibt? Diese "Trotzdem den Glauben nicht verlieren"-Einstellung und weiterhin das Gute zu tun, ist für mich etwas, das Schönheit ausstrahlt. Dabei geht man natürlich auch das Risiko ein, sich selbst zu verlieren, aber dadurch wird das Ganze ja erst pur. Wenn es nichts zu verlieren gibt, ist es leicht, für etwas zu kämpfen. Aber für eine Sache zu kämpfen, die schon verloren ist, widerspricht jeder Logik. Dadurch wird es zu mehr als die Sache selbst.
MZEE.com: Die Hoffnungslosigkeit ist ein Aspekt der Liebe, den man natürlich meistens erst im Nachhinein feststellt. Das ist einem selten von Anfang an bewusst und man nimmt es einfach hin.
Crack Ignaz: Ja, voll. Wobei … Was ist nicht hoffnungslos? Irgendwie ist doch das ganze Leben hoffnungslos. Jeder stirbt und jede Beziehung wird früher oder später auf die ein oder andere Art zu Ende gehen und keiner dieser Wege wird schön sein.
MZEE.com: Würdest du dich selbst denn als hoffnungslosen Menschen beschreiben?
Crack Ignaz: (lacht) Das ist schwierig. Wie definiert man das? Vielleicht bin ich von außen betrachtet kind of hoffnungslos, aber ich würde mich selbst als hoffnungsvollen Menschen sehen.
MZEE.com: Laut deiner YouTube-Bio hast du eine kreative Schaffenspause eingelegt, um über vergangene Beziehungen nachzudenken. Auf deinem neuen Album wirkt es so, als hättest du in dieser Zeit ein ziemlich negatives Beziehungsbild entwickelt. Wie wirkt sich das auf dein Leben aus?
Crack Ignaz: Ich würde nicht sagen, dass ich ein negatives Beziehungsbild entwickelt habe, zumindest habe ich nicht das Gefühl. Aber da stellt sich dann auch die Frage nach dem Vergleichswert. In Relation zu den meisten anderen Menschen hab' ich wahrscheinlich schon ein negatives Beziehungsbild, aber persönlich empfinde ich das nicht so. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich da genau stehe. Wahrscheinlich bin ich eher ein misstrauischer Typ, wobei es das auch nicht richtig trifft. Das ist wirklich schwer, das kann ich jetzt gar nicht so sagen. Als vorsichtig würde ich mich nicht bezeichnen, aber mir ist bewusst, dass jeder Mensch zwei Seiten hat. Und in meinem Privatleben … Das ist komplex, das könnte ich jetzt nicht so schnell erklären. (lacht)
MZEE.com: Wir haben dir noch ein Zitat von Carola Rackete mitgebracht: "Ich habe keine Hoffnung. Ich denke, das Konzept von Hoffnung ist falsch. Hoffnung heißt, man ist abhängig von der Entscheidung anderer. Man hofft immer nur in Situationen, in denen man nicht glaubt, dass man Einfluss haben kann." – Inwieweit würdest du dem zustimmen?
Crack Ignaz: Basically stimme ich ihr schon zu. Wo ich ihr allerdings widersprechen muss, ist, dass man nie hundertprozentige Kontrolle haben kann. Man ist immer ein Stück weit abhängig von der Welt. Hundertprozentige Kontrolle gibt es nicht, aber wenn es sie geben würde, wäre ich voll auf ihrer Seite.
MZEE.com: Obwohl du Solo-Künstler bist, hast du schon mit einigen Leuten eng zusammengearbeitet. Ist das ein Bereich, in dem du anderen vertrauen kannst?
Crack Ignaz: Ich kann anderen im künstlerischen Bereich auf jeden Fall besser vertrauen. Zumindest die Künstler, die ich um mich herum habe, sind sehr vertrauenswürdige Menschen. Aber das große, ganze Musikbusiness-Universum ist schon ein Haifischbecken, das muss man einfach so sagen.
MZEE.com: Du bist auf dem KitschKrieg-Album mit Modeselektor auf einem Track vertreten. Erhofft man sich von einem Song auf solch einem Album mehr Aufmerksamkeit, auch wenn das bedeutet, dass man mit einigen Künstlern "die Bühne teilt", die sehr in der Kritik stehen?
Crack Ignaz: (überlegt) Ich war bei der Entstehung des Albums oder der anderen Songs gar nicht involviert, sondern nur an diesem einen Track beteiligt. Für mich ist das cool. Es ist ja nicht mein eigenes Projekt. Ich bin nur ein kleiner Teil eines Projekts von jemand anderem. Deswegen fühl' ich mich da weder in der Verantwortung noch in irgendeiner Art mit den anderen Künstlern verbunden.
MZEE.com: Wir haben ja am Anfang unseres Interviews über die letzten fünf Jahre gesprochen. Was erhoffst du dir als Musiker für die nächsten fünf?
Crack Ignaz: Was ich mir erhoffe, ist eigentlich mehr Freiheit. Also mehr Möglichkeiten, musikalisch das zu machen, was ich mir vorstelle. Das ist, glaube ich, meine konkreteste Hoffnung. Ein eigenes Ding zu entwickeln, das die bestehenden Grenzen zwischen verschiedenen Genres aufbricht. Das wäre schon geil.
MZEE.com: Ist es für dich ein Anreiz, Vorreiter in etwas zu sein und dadurch anderen Musikschaffenden neue Türen zu öffnen?
Crack Ignaz: Das kommt voll auf den Umgang mit der Kunst an. Im Deutschrap werden Trends oft ausgeschlachtet und es dreht sich vieles um Profit. Es wäre mir sehr unangenehm, wenn ich das Glück hätte, eine innovative Idee beizutragen und diese dann nur ausgeschlachtet wird für nichts. Also für Klicks und Profit. Das wäre mies. Aber wenn ich etwas zur Musikszene im deutschsprachigen Raum beitrage und beispielsweise Newcomern die Möglichkeit geben könnte, weiterzukommen, wäre das eine sehr schöne Vorstellung. So war es bei mir ja auch. Es gab viele Leute, die mir diverse Wege geebnet haben.
MZEE:com: Hast du neben der Musik auch Ziele für dein Privatleben?
Crack Ignaz: Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube, mich stets zu verbessern – was auch immer das bedeutet.
(Jonas Jansen & Yasmina Rossmeisl)
(Fotos von Nina Francesca Nagale & Shirin Siebert)