"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
So ziemlich jeder wird mir zustimmen, dass der Sommer die Zeit des Jahres ist, die uns viele unserer schönsten Erinnerungen schenkt. Spätestens, wenn die ersten Sonnenstrahlen förmlich auf meiner Haut brennen, schießt mir der Gedanke an das Album "A Long Hot Summer" in den Kopf und ich komme einfach nicht darum herum, Masta Ace' Klassiker anzuspielen.
Jeder hat Storys, die er Jahre später noch gerne erzählt – und diese Platte hat für viele meiner besten Momente den passenden Soundtrack geliefert. "A Long Hot Summer" ist keine Anreihung x-beliebiger Tracks, es handelt sich vielmehr um eine gerappte Geschichte. Ich kann mir nahezu bildlich vorstellen, wie das schäbige Motelzimmer aussieht, in dem der Künstler gemeinsam mit seinem Kumpel und inoffiziellen Manager Fats Belvedere eine Reise durch seinen ganz eigenen Sommer startet. Die Interludes, in denen die beiden sich unterhalten, finden wiederkehrend zwischen den Songs statt, sodass die Story durch diese erzählerischen Elemente stets mit einem roten Faden versehen ist. Masta Ace rappt auf der Platte über sein Dasein als Artist in New York: Er berichtet von seiner Sicht auf die Szene, vom Kampf gegen Labels, von kriminellen Machenschaften und nimmt mich sogar mit auf Tour in andere Länder. Man muss das Album aber nicht erst durchhören, damit es Sinn ergibt. Jeder Track ist auch für sich absolut hochwertig. Würde man mich nach meinem Favoriten fragen, ich wüsste keine Antwort. Denn ich liebe wirklich jeden der von souligen Samples durchzogenen 90er Jahre-Boom bap-Beats, Masta Ace' angenehme Stimme sowie seinen souveränen Flow und seine textlichen Skills.
Ich lehne mich sogar so weit aus dem Fenster und sage, dass "A Long Hot Summer" das gelungenste Konzeptalbum ist, das mir in all den Jahren in der Szene untergekommen ist. Es liegt mir schon eine Weile am Herzen, Euch dieses Meisterwerk vorzustellen. Aber ich wollte, dass auch Ihr diese Platte so fühlt wie ich – und das geht eben am besten im Sommer.
(Dzermana Schönhaber)