Humor ist ein Thema, das im Rap schon immer eine große Rolle spielt – egal, ob in Form von Überspitzung, Ironie, Sarkasmus oder Zynismus. Juse Ju ist ein Künstler, den unter anderem ein guter Sinn für Humor auszeichnet, den er mit all seinen Facetten in den richtigen Momenten einsetzt. Zeilen wie "Blumentopf sind weg, jetzt fehlt dein Feindbild. Dumm, wenn man die Mittelschicht ist, aber nicht sein will" oder "Echte Männer teil'n Frauen ein in Heilige und Huren. Das sind einfache Strukturen" sind nur zwei von vielen Beispielen, die das unter Beweis stellen. Steckt hinter Humor auch immer ein bisschen Ernsthaftigkeit? Bei Juse Ju trifft das auf jeden Fall oft zu, wie er uns in diesem Gespräch erläutert hat. Auch wann Witze nicht angebracht sind, wer zu den lustigsten Rappern in Deutschland gehört und wie Humor einem helfen kann, mit Problemen umzugehen, haben wir mit ihm thematisiert.
MZEE.com: Du bist in Deutschland, Amerika und Japan aufgewachsen. Was macht deutschen Humor für dich aus? Und was unterscheidet ihn vom Humor anderer Kulturen?
Juse Ju: Der deutsche Humor, der gut ist – also der wenigste – ist sehr intelligent, clever und eher unterschwellig. Nicht so hau drauf. Es gibt gutes politisches Kabarett und natürlich gab es auch lustige Deutsche, zum Beispiel Loriot. Zu 90 Prozent ist es aber Klamauk und Blödel-Oli Pocher-Trottel-Humor. Amerikanischer Humor ist, würde ich sagen, der Mainstream, den wir alle am meisten konsumieren. Den japanischen Humor finde ich persönlich total geil. Ich glaube aber, dass der für Leute, die nicht längere Zeit in Japan verbracht haben, oft eher schwer zu verstehen ist. Jeder Humor geht aus den Zwängen und Eigenarten der jeweiligen Gesellschaft hervor. Die amerikanische ist unserer Gesellschaft ähnlicher als die japanische. Wenn man die aber kennt und versteht, ist es megawitzig.
MZEE.com: Was sind in deinen Augen die Besonderheiten des japanischen Humors?
Juse Ju: Es geht viel um Schein und Sein sowie um Zwänge. Das greift jetzt natürlich die Klischees über die japanische Gesellschaft auf. In Japan geht es oft um das Scheitern am eigenen Perfektionismus. Das finde ich persönlich total witzig, weil ich mich damit identifizieren kann. In den USA gehört Humor viel mehr dazu als bei uns. Es wird fast immer Comic Relief genutzt – egal, wie ernst die Lage ist. Wenn in Deutschland ein halbwegs ernstes Thema aufkommt, darf man keine Witze darüber machen. Das lässt sich auch gut auf Rap übertragen. Es gibt schon deutsche Gangster-Rapper mit Humor. Aber die Art, wie 50 Cent bei Jimmy Fallon über sich selbst lachen kann, ist in Deutschland undenkbar. Das würde Bushido nicht machen, glaube ich.
MZEE.com: In deiner ersten Single-Auskopplung "TNT" deines aktuellen Albums sprichst du über deinen Zivildienst in der Psychiatrie. Welche Rolle hat Humor für dich in dieser Zeit gespielt?
Juse Ju: Die Psychiatrie ist viel witziger als der Song. Wenn ich einen Track mache, konzentriere ich mich auf einen Aspekt. Ich will kein möglichst breites Bild zeigen, sondern eine Emotion verstärken. Mir ging es dort nicht so gut. Aber natürlich war es auch unfassbar witzig. Wenn die Tür vom Schwesternzimmer zuging, haben wir die ganze Zeit Jokes über Patienten gemacht. Die waren einfach superlustig. Bevor jetzt irgendwelche Moralapostel kommen und das nicht in Ordnung finden: Die armen Krankenpfleger in der Psychiatrie kriegen so viel Scheiße ab, solang sie außerhalb des Schwesternzimmers sind. Und Scheiße meine ich im wahrsten Sinne des Wortes. Die stecken so viel ein, die dürfen meinetwegen Witze über meine tote Großmutter machen. Die Patienten, über die ich im Song rede, gibt es auch. Ich habe natürlich die Namen verändert, das wäre sonst gegen das Gesetz. Aber die Dinge, die ich beschreibe, sind genauso passiert. Die haben einfach so wirres Zeug erzählt, dass es schon lustig war. Die waren auch selbst lustig drauf. Es ist nicht so, dass Schizophrene keinen Humor hätten. Wir haben superviel gelacht. Anders geht es nicht. Ich denke, wenn du den Pflegern in der Psychiatrie verbieten würdest zu lachen, hättest du bald keine mehr.
MZEE.com: War ein lockerer Umgang auch eine Hilfe bei der Arbeit mit den Patienten?
Juse Ju: Ja, schon. Ich hatte zum Beispiel eine komische Ebene mit einer älteren Frau. Die war megaweird und wir haben uns immer gefoppt. Man hat sehr viele Nonsens-Gespräche geführt, weil die Menschen dort einfach viel Zeit haben. Die meisten absolvieren jeden Tag einige Therapiesitzungen, trotzdem haben die nur vier bis fünf Stunden täglich etwas zu tun. Den Rest der Zeit müssen die eben rumbringen. Dadurch führt man die ganze Zeit merkwürdige und auch sehr lustige Gespräche. Ich als Zivi hatte oft Aufsichtsschichten und mehr Zeit als die Krankenschwestern und Pfleger, um mit den Patienten Späße zu machen.
MZEE.com: Wie hilfreich, denkst du, ist Humor im Umgang mit eigenen psychischen Problemen oder Krankheiten?
Juse Ju: Komplett hilfreich. Ich finde es nicht gut, dass Leute dauernd Humor problematisieren. Es gibt ja auch Stand-up-Comedians, die über Depressionen sprechen. Der bekannteste ist wahrscheinlich Nico Semsrott. Das ist superwichtig. Wenn immer ein schwerer Stein auf dir liegt, kannst du nicht damit umgehen. Ich habe keine psychische Erkrankung, deshalb mache ich nicht viele Witze darüber. Aber ich halte es allgemein für wichtig, mit seinen eigenen Schwächen humorvoll umzugehen. Das relativiert und setzt es in ein Verhältnis. Wir finden immer alles wahnsinnig schwer und bedeutend. Ich denke aber, dass man darüber lachen können muss. Das können die Amerikaner beispielsweise viel besser als die Deutschen. Das Leben ist tragikomisch, es ist immer tragisch und komisch gleichzeitig. Rapper wollen die Musik oft deep und düster halten. Die wirklich erfolgreichen Rapper wie Capital Bra oder Haftbefehl haben aber Humor. Die sind ja voll witzig.
MZEE.com: Es gibt im Bereich Mental Health mittlerweile eine relativ große Meme-Kultur. Da lässt sich auf der einen Seite argumentieren, dass es bei der Verarbeitung von Problemen hilft. Auf der anderen Seite könnte man zu bedenken geben, dass es Probleme nur zur Seite schiebt.
Juse Ju: Es geht immer um das "Wie". Es gibt ja auch Alt-Right-"Humor", der nur versucht, rechte Ideologie in Witze zu verpacken. Das finde ich nicht gut. Ich finde auch 90 Prozent von dem, was an Rap rauskommt, scheiße. Trotzdem würde ich nicht per se sagen, man sollte nicht rappen. Alles, was man macht, muss man gut machen. Ich habe das Gefühl, dass vor allem in Internet-Diskussionen alle Seiten sehr radikale Regeln vorlegen wollen. Über das und das darf man keinen Witz machen, Punkt. Dafür bin ich zu universalistisch liberal eingestellt. Das ist aber kein Freifahrtschein dafür, über alles Jokes machen zu dürfen. Witze sind auch nicht gleich Witze. Witze sind Sachen, die witzig sind. Wenn du dich darüber lustig machst, dass jemand eine Behinderung hat, ist das nicht lustig, sondern sadistisch. Wenn du aber einen Witz über eine andere Eigenschaft dieses Menschen machst, die er besonders auslebt, kann man darüber meiner Meinung nach einen Witz machen. Guter Humor zielt auf universelle menschliche Eigenschaften ab. Schlechter Humor geht auf Merkmale ein, die im Endeffekt rassistisch oder ähnliches sind.
MZEE.com: Auf dem Track "Unter der Sonne" thematisierst du den Tod deines Patenonkels. Wie viel Platz hat Humor bei solch einer schweren Thematik?
Juse Ju: Über den Tod kann man sehr viele Witze machen. Er betrifft jeden und ist insofern ein relativ faires Thema. Du musst halt darüber nachdenken, ob du jemandem, dessen Vater gerade gestorben ist, einen Witz über den Tod erzählst. Das könnte nach hinten losgehen. Aber per se finde ich das überhaupt nicht problematisch.
MZEE.com: Danger Dan hat auf seinem letzten Album mit "Wir lachen uns tot" dem Thema "Humor zur Verdrängung" einen Song gewidmet. Inwiefern spielt das bei dir eine Rolle?
Juse Ju: In dem Song geht es um Verdrängung, aber vor allem auch um Humor, der in bestimmten Situationen verwendet wird. Natürlich kann man damit vielem ausweichen. Wenn ein ernstes Thema angesprochen wird, kann man hundert Witze darüber machen. Ich bin auch sehr gut darin, solchen Themen durch einen Spruch aus dem Weg zu gehen. Der Song ist für mich aber keine generelle Kritik an Humor. Es geht um die Frage, ob wir dazu bereit sind, uns mal etwas tiefer und grausamer mit unseren Problemen auseinanderzusetzen. Du kannst Probleme auch anders wegschieben und dich wie der deutsche Nachkriegsmann mit Molle und Korn in die Kneipe setzen und mit niemandem reden. So kannst du die Frage nach einer tiefen Angststörung oder emotionalen Bindungsproblemen abblocken.
MZEE.com: Gibt es für dich Situationen, in denen Humor völlig unangebracht ist? Ich denke zum Beispiel, dass das aktuelle Black Lives Matter-Movement völlig zu Recht sehr ernst, direkt und ohne große humoristische Einlagen stattfindet.
Juse Ju: Das stimmt. In diesem Fall könnte Humor an der falschen Stelle das ernste Anliegen untergraben – und das wäre scheiße. Das ist guter politischer Aktivismus mit einem Ziel und da ist Humor, vor allem zum jetzigen Zeitpunkt, wahrscheinlich kontraproduktiv. Deshalb halten sich in dieser Hinsicht Chris Rock oder Dave Chappelle vielleicht eher zurück. Es ist ja eben nicht witzig. Deshalb finde ich diese Vorgehensweise total legitim. Im Allgemeinen würde ich aber nie absolute Regeln festlegen. Read the room. Mach nicht auf der Beerdigung eines Menschen, der in einem Unfall gestorben ist, Witze über Flugzeugabstürze. Allgemein darf man aber vielleicht schon Witze darüber machen.
MZEE.com: Viele Menschen nutzen Humor als Mittel, um Dinge anzusprechen, bei denen sie es sich mit einer ernsten Ansprache nicht trauen würden. Wie viele Unsicherheiten verstecken sich hinter deinen Witzen?
Juse Ju: Puh, da bräuchte ich eine Psychoanalyse. Ich verstecke sicherlich sehr viel. Das muss man aber nicht negativ sehen. Vielleicht ist das ganz gut so und ich verarbeite dadurch Dinge. Warum nicht? Es ist etwas sehr Deutsches, dass man immer die dunkle Seite des Mondes sieht. Du wirst gefragt, was du mit deinem Humor verdrängst. Nicht, wie du auf diese Weise mit Dingen umgehen kannst. Es wird negativ gedeutet: "Du verdrängst etwas, das ist schlecht, der Humor muss weg. Du musst dich jetzt damit auseinandersetzen. Sieh einfach ein, du bist ein Wrack!" Es funktioniert natürlich sehr viel besser, einfach mit der ernsten Thematik zu leben, dass man ein Wrack ist. Insofern ist Humor per se eine gute Sache. Man lacht und das ist gesund. (lacht) Ihr könnt davon ausgehen: Jeder Rapper hat einen Vollschaden. Das ist einfach so. Du musst komplett geistesgestört sein, um Rapper zu sein. Allein, wie wir uns in der Öffentlichkeit verhalten, zeigt, dass wir einen Schatten haben. Du fängst doch nicht an zu rappen und begibst dich in ein Umfeld, wo es normal ist, sich gegenseitig als Hurensohn zu bezeichnen, wenn du nicht irgendetwas zu verarbeiten hast.
MZEE.com: Viele junge Menschen, die anfangen zu rappen, hoffen sicher einfach auf großen Erfolg. Glaubst du, Mero hat in seine Handykamera gerappt, um etwas zu verarbeiten?
Juse Ju: Na ja, warum hatte er den Drang, sich so in die Öffentlichkeit zu stellen? Wieso braucht er diese Bestätigung von außen? Das könnte man zum Beispiel fragen. Ich meine das nicht despektierlich, ich brauche das ja auch. Um da hinzukommen, wo Mero ist, muss man einen ganz schönen Drive haben. Du musst dich echt dahinterklemmen, um eine Karriere wie er hinzulegen. Die Leute sehen das und denken, dass der einfach einen Hype hat. Ich bin mir sicher, der Typ arbeitet jeden Tag zwölf Stunden. Das lohnt sich finanziell natürlich auch sehr für ihn.
MZEE.com: Du hast, wenn auch nur für kurze Zeit, für Reality-Formate wie "Die Mädchen-Gang" Drehbücher geschrieben. Wieso, denkst du, amüsieren sich so viele Menschen gerne auf dem Rücken anderer? Comedians und Entertainer mit einem solchen Schwerpunkt wie Mario Barth, Stefan Raab oder Oliver Pocher sind auf diese Weise ja sehr erfolgreich.
Juse Ju: Dazu gibt es viele Thesen. Die negative ist, dass sich die Menschen überlegen fühlen. Man kann auch eine positive These aufstellen, und zwar die, dass sich die Menschen selbst wiedererkennen. Vielleicht denken manche gar nicht, dass die Darsteller in Reality-Shows alle scheiße sind, sondern dass man eben auch so ein Leben führen kann. Es nimmt vielleicht die Schwere aus dem Alltag, zu sehen, dass andere Menschen auch nicht perfekt sind. Die Frage ist immer, wie hämisch es wird. "Frauentausch" beispielsweise war sehr hämisch, Leute wie Mario Barth sind es auch. Sein Trick ist ja einfach. Er stellt sich selbst als Trottel dar, damit es okay erscheint, was er macht. Sein Prinzip ist ja nicht "Frauen sind scheiße", sondern "Männer sind Schweine, Frauen aber auch". So heißt, glaube ich, ein Programm von ihm. Ich finde Mario Barth-Bashing vollkommen angebracht, weil er ein Trottel und sein Männer- und Frauen-Bild outdated ist. Das interessiert nur Leute, die in der Vergangenheit leben – die Witze hätte er auch in der Bonner Republik 1985 machen können. Es ist das Gegenteil von fresh, innovativ und lustig. Das liegt aber für mich nicht daran, dass er Witze über Frauen macht, sondern weil es langweilig und dumm ist. Das spiegelt für mich nicht die Realität wider. Er kaut nur irgendwelche Klischees durch. Und Humor, der die Realität nicht widerspiegelt, finde ich langweilig. Die Menge an Menschen, die Mario Barth oder Oliver Pocher begeistern, zeigt einem, dass man in einer Bubble lebt. Ich kenne niemanden, der sowas lustig findet. Ich will das auch nicht total relativieren, manche Comedians sind schon problematisch. Die Chris Tall-Argumentation, dass er Klischee-Witze über Minderheiten machen kann, weil er selbst dick ist, ist für mich äußerst dumm. Oli Pocher ist auch ein problematischer Typ, weil er Humor als Deckmantel für irgendwelche Parolen benutzt.
MZEE.com: Lass uns noch etwas über Rap sprechen. Wie viel Humor tut Rap deiner Meinung nach gut, ohne dass er in eine "Blödel-Richtung" abdriftet?
Juse Ju: Die Frage ist nicht, wie viel Humor du hast, sondern, ob er passt. Wie viele Instrumente braucht ein guter Beat? Manchmal drei, manchmal hundert. Es ist keine Grundsatzfrage. Ich finde, Rap braucht Humor. Viele Menschen sagen, Rap dürfe nicht lustig sein. Fickt euch. Rap war immer lustig, auch wenn er von der Straße kommt. Der erste internationale Hit "Rapper's Delight" von der Sugarhill Gang war megalustig. Wenn Rap nicht lustig sein darf, darf es auch keine Punchlines geben. Haftbefehl rappt "Azzlack dreht ab, auch in der Edeldisko. Du kommst nicht rein, weil du trägst Fishbone" und das ist für mich eine superwitzige Zeile. Er trägt das geil vor und dazu stimmt es auch noch. (lacht) Niemand würde deshalb sagen, dass Haftbefehl nicht real sei. Menschen reden auf einem vollkommenen Idioten-Niveau über Humor im Rap. Es ist fast schon wieder witzig, wie dumm das zum Teil ist. Ich musste in den letzten Jahren immer wieder die Diskussion darüber führen, ob Rap ironisch sein darf. Die Frage allein ist schon dumm. Wer seid ihr, die kommunistische Partei, die festlegt, was Kunst ist und was nicht? Völlig absurd. Glauben die Leute, Ice Cube würde keine Ironie in seinen Liedern verwenden? Die wissen gar nicht, was das ist. Eine Punchline ist keine Ironie, sondern eine Überspitzung. Das ist etwas völlig anderes. Wenn Snaga & Pillath sagen, dass sie so viele Fressen polieren, dass Zahnärzte sie zum Essen einladen, ist das superwitzig, aber nicht ironisch. Ironie ist, wenn du etwas sagst und damit das Gegenteil meinst. Pillath meint mit der Zeile nicht, dass er wenige Fressen poliert. Meinem Umfeld und mir wird ja gerne vorgeworfen, wir würden ironischen Rap machen. Das kann nur jemand sagen, der sich erstens nicht mit unserer Musik befasst hat und zweitens keine Ahnung davon hat, was Ironie ist. Technisch gesehen ist es das, was ich auf dem Song "Propaganda" mache. Ich nehme die Position einer Person ein, die ich scheiße finde, und deklariere das, was er macht. Das ist trotzdem ein relativ ernster Song. Auch die Argumentation ist immer sehr dumm: "Man versteckt sich vor echten Aussagen, weil man das Gegenteil sagt." Wenn du meine Aussage in "Propaganda" deshalb nicht verstehst, bist du einfach geistig umnachtet, sorry. Eigentlich wollen die Leute damit sagen, dass sie diese mittelschichtigen, grünversifften Gutmensch-Rapper-Arschlöcher nicht leiden können. Okay, easy. Darüber können wir reden, ich finde auch sehr viele Sachen wack. Aber komm mir doch nicht als der Kunsttheoretiker um die Ecke, der durchschaut hat, dass Ironie der Teufel ist. Du bist einfach nur ein Trottel und hast keine Ahnung, wovon du redest.
MZEE.com: Konsumierst du selbst eher lustige oder ernste Musik?
Juse Ju: Mir persönlich war Humor im Rap nie so wichtig. Das mag überraschend sein und natürlich hab' ich den 90ern auch Fünf Sterne Deluxe gehört. Aber die Alben, die mich am meisten geprägt haben, waren relativ ernste Sachen, zum Beispiel "Kopfnicker" von Massive Töne. "Vom Bordstein bis zur Skyline" von Bushido hat sicher einen gewissen Street-Humor, ist aber eher düster. Casper hab' ich super gefeiert, der ist auch nicht gerade der Joke-Mann Nummer eins. Dendemann hat mich sehr geprägt, der hat sicherlich einen krassen Wortspiel-Humor. Ich mochte aber eher diese rotzige und analytische "Über den Dingen"-Attitüde, die er vor allem zu Eins Zwo-Zeiten an den Tag gelegt hat. Ich höre sonst sehr viel Rock und Grunge und mag Musik eher, wenn sie traurig und düster ist. Eine krasse Rolle hat Humor für mich eher im Punchline- und Battlerap-Bereich gespielt. Das ist ganz andere Musik. Die Leute wissen nicht, dass auf einem Album von mir acht Songs bitterernst gemeint sind. Die sehen dann "German Angst" oder so und denken, das ist Juse Ju.
MZEE.com: Kannst du uns zum Abschluss noch die deiner Meinung nach witzigsten deutschen Rapper nennen?
Juse Ju: Der Humor von Snaga & Pillath war wirklich mind blowing, ich finde das bis heute so lustig. "Die linke & die rechte Hand Gottes" und "Eine Frage der Ehre" haben für mich ein sehr hohes Level. Ich finde auch Haftbefehl sehr witzig. Sachen wie "Warum kommt Hafts Album denn schon wieder im Winter? Das ist Räubermusik und da wird's früher dunkel, was 'ne Frage, behindert?" finde ich superlustig. Man kann sich richtig gut vorstellen, wie er dir erklärt, dass du das nicht checkst, weil es Straßenmusik ist. (lacht) Er hat einen sehr geilen, eigenen Humor, mit dem man nicht rechnet. Außerdem würde ich Danger Dan nennen. Der schreibt auf eine assoziative Art Zeilen, die ich persönlich lustig finde. Das ist aber, glaube ich, interner Rapper-Humor. Man weiß, dass er sich einen Ast gefreut hat, als er das geschrieben hat. (lacht) "Als ich vierzehn war, hatte ich eine lange Matte, eine Jeansjacke an und im Ärmel eine Ratte." Diese superbilligen Reime, die auch gefreestylet sein könnten. Da muss ich wahnsinnig lachen. Ich finde es eher selten witzig, wenn Leute aktiv versuchen, Jokes zu erzählen. Insgesamt legen die Antilopen, auch NMZS, als er noch gelebt hat, einen sehr guten Humor an den Tag. Edgar Wasser hat auch einen großartigen, sehr düsteren Humor. Ich mag es, dass er auf die Fresse gibt. Der überlegt nicht, ob die Zeile zu hart ist, sondern lässt sie einfach stehen. Die Jokes, die er macht, haben einen Anlass. Er zitiert Savas' "Alle MCs sind schwul in Deutschland" und sagt darauf "Hat schon einen Grund, dass ich keinen Freund hab'". Diese Zeile ist so vieldeutig und man weiß, wie Edgar das meint. Er entlarvt es total, "schwul" als Schimpfwort zu benutzen. Das ist für mich guter deutscher Humor.
(Alexander Hollenhorst & Yasmina Rossmeisl)
(Fotos von V.Raeter)