Obwohl der Klimawandel mit seinen Folgen eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt, findet sich diese Thematik selten in Raptexten wieder. Dennoch gibt es Musiker, die solche Themen völlig unangestrengt in ihrer Musik unterbringen, ohne dem Klischee eines Öko-Rappers zu entsprechen. Der Kölner Veedel K rappt unter anderem über Wasserknappheit oder Fleischverzicht. Dabei schafft er es, diese Themen intelligent und geistreich zu verpacken, ohne den Hörer dabei zwingend belehren zu wollen. Das war für uns Grund genug, ihn zum Gespräch zu bitten und nachzufragen, welche Rolle Umweltschutz in seinem Leben spielt. Außerdem sprachen wir über Angst und Machtlosigkeit im Hinblick auf den Klimawandel sowie die Rolle von Kunst in der Klimakrise.
MZEE.com: In der Mockumentary auf Instagram zum Entstehungsprozess deines Albums "Techno" gibt es einen interessanten Wendepunkt. Du ziehst einen Auftritt bei einer Fridays for Future-Demo in letzter Sekunde einem anderen, sehr lukrativen Job vor. Welche Rolle spielt der Klimawandel für dich?
Veedel K: Was da gezeigt wird, spielt im Leben vieler Menschen eine Rolle. Es geht darum, wie man an Geld kommt. Was man dafür tut, ist unterschiedlich, aber entscheidend. Das Klimathema ist vielen bewusst, jedoch ignorieren es einige. Aber auch die, die sich dessen bewusst sind, müssen einer Lohnarbeit nachgehen. Die müssen Miete zahlen und haben vielleicht Kinder. Das haben wir in dem Film genauso dargestellt. Die Figur (Anm. d. Red.: Veedel K spielt sich selbst) braucht dringend Kohle und bekommt die Möglichkeit, in einer Fleischfabrik zu arbeiten. Wir wissen, dass große Fleischfabriken und die Massentierhaltung den Klimawandel befeuern. Der CO2-Ausstoß der Fleischindustrie ist extrem hoch und ein Faktor für den Klimawandel. Das Dramatische ist, dass die Figur zur letzten Option greift. Dieses Angebot ist die letzte Möglichkeit, um ihre Schulden zu bezahlen. So geht es wahrscheinlich vielen Leuten. Es gibt bestimmt nicht viele, die den Job machen, weil sie Bock darauf haben, sondern weil sie dazu gezwungen sind. Genau das wollten wir abbilden.
MZEE.com: Die Figur hat sich in letzter Sekunde anders entschieden.
Veedel K: Genau, es ist gut ausgegangen. Kein Spoiler für die Leute, die den Film noch nicht gesehen haben, aber es wirkt ja erst mal wie die richtige Entscheidung. Welche Konsequenz das am Ende hat, kann man in dem Film sehen.
MZEE.com: Ist es dir wichtig, deine Reichweite für gesellschaftspolitische Themen wie zum Beispiel den Klimawandel zu nutzen?
Veedel K: Das ist mir sehr wichtig, weil es ein Thema ist, das mich bewegt. Es bereitet mir Kopfzerbrechen und auch ein bisschen Angst. Ich nehme das auf jeden Fall ernst. Ich poste oft Sachen, über die ich nachdenke, auf die ich aufmerksam machen oder die ich unterstützen will. Dabei hilft ein bisschen Reichweite natürlich. Allerdings kann man von keinem Menschen verlangen, dass er seine Reichweite so nutzt. Es wäre schön, wenn alle sich zu bestimmten Themen äußern würden. Das ist jetzt sehr allgemein ausgedrückt: Man wünscht sich oft, dass Leute auf reale Probleme aufmerksam machen, anstatt Verschwörungstheorien zu verbreiten. Zum Beispiel auf den Rechtsruck. Das bleibt aus. Die Großen labern immer dieselbe Kacke, das ist man gewohnt. Von bestimmten Leuten erwarte ich nichts, von einigen kann man das auch nicht verlangen. Entweder es interessiert sie gar nicht oder sie sind zu besorgt, um Fans vor den Kopf zu stoßen. Waving The Guns machen dagegen immer wieder auf Dinge aufmerksam. Die sind andauernd am Start und werden dafür sehr respektiert, auch von mir. Ich finde es gut, dass sie immer wieder zu bestimmten Themen posten. Sie erreichen aber natürlich die Leute, die das genauso sehen. Das sind deren Fans. Menschen, die das sowieso nicht interessiert, kriegen das vielleicht gar nicht mit. Die hören andere Musiker, die nicht über so etwas reden. Da geht es um Bubbles, in denen die Leute sich aufhalten. Trotzdem: Wenn zum Beispiel Bushido mal etwas zu bestimmten Themen sagen würde, hätte das bestimmt eine Wirkung.
MZEE.com: Auf "Techno" sprichst du mehrmals den Umweltschutz an. Du rappst zum Beispiel über die begrenzte Ressource Wasser auf dem gleichnamigen Song. Könnte Wasserknappheit irgendwann zu einem großen Thema für die gesamte Menschheit werden?
Veedel K: Ja, davon gehe ich aus. Es wird noch lange dauern, bis das hier zum Thema wird, aber in vielen Ländern ist Wasser knapp. Wir sind ja gesegnet und leben im Überfluss. Wenn es irgendwann auch hier ernst wird, wird das natürlich ein Konfliktherd. Ich kann mir vorstellen, dass es so kommt. Ich bin aber kein Wissenschaftler und weiß nicht, wann. Wenn Wasser nicht mehr für jeden verfügbar sein sollte, weil es zum Beispiel privatisiert wird, wird die Hand um die Kehle der Menschen fester zugedrückt. Dann befindet man sich noch mehr in den Klauen der reichen Konzerne. Ich will gar nicht so viel darüber nachdenken, weil es einen fertigmacht. Es wird sehr verschwenderisch mit Wasser umgegangen. Man braucht viele tausend Liter, um bestimmte Sachen herzustellen. Fleisch oder Kaffee haben einen sehr hohen Wasserverbrauch, beides hat eine immer höhere Nachfrage bei den Leuten. Dadurch entsteht ein enorm hoher Bedarf an Wasser.
MZEE.com: In Lateinamerika oder auch Mexiko wird manchen Menschen das Wasser abgestellt, um damit Avocados in Amerika zu wässern. Da wird einem echt anders.
Veedel K: Deswegen sollte man immer conscious sein, was man einkauft und konsumiert. Man kann sich nur wünschen, dass die Leute sich dessen bewusst sind. Zum einen sollte man sich darüber im Klaren sein, unter welchen Arbeitsbedingungen etwas hergestellt wurde. Zum anderen ist es wichtig, welche Ressourcen aufgewendet und welche Lieferwege zurückgelegt werden mussten. Aber da sind wir wieder beim Thema, dass man sich bestimmte Sachen leisten können muss. Manche Menschen haben nicht die Möglichkeit, sich ein Produkt auszusuchen. Die müssen aufgrund ihrer finanziellen Situation ein bestimmtes nehmen, das eventuell zu schlechteren Bedingungen hergestellt wurde. Dennoch muss kein Mensch jeden Tag zehn Kilogramm Fleisch essen. Da kann man Geld einsparen und trotzdem gut leben, aber das müssen die Leute selbst entscheiden. Bei dem Thema muss ich an das KATAPULT-Magazin denken, für das ich aktuell Songs schreibe. Das Magazin behandelt sehr häufig ökologische, soziale oder politische Themen. Das solltet ihr unbedingt auschecken. Es kann die Leser besser über solche Themen aufklären als ich, denn ich bin kein Wissenschaftler, sondern ein Musiker. Aber mir liegt das Thema am Herzen.
MZEE.com: Auf dem Song "Papier Planet" thematisierst du das Waldsterben. Wie kam das zustande?
Veedel K: Das ist vom KATAPULT-Magazin ausgegangen, es ist das Titelthema der mittlerweile vorletzten erschienenen Ausgabe. Wir haben eine Kooperation. Das Thema Holzverbrauch und seine Auswirkungen auf das Klima haben sicherlich nicht viele Leute auf dem Schirm. Ich persönlich war vorher nicht gut darüber informiert. Ich wurde gefragt, ob ich einen Song dazu schreiben will. Das war natürlich eine Herausforderung für mich, weil es kein übliches Rapthema ist. Ich hatte Bock darauf und bin zufrieden mit dem Resultat. Manche haben vielleicht nicht unbedingt gecheckt, wieso ich plötzlich über Bäume rappe. Das Magazin ist auf jeden Fall richtig nice. Ich war in deren Redaktion in Greifswald und habe gesehen, wie die arbeiten. Das ist ein cooles Team aus Leuten mit Idealen, die auf seriöse Studien und Quellen zurückgreifen. Sie behandeln viele Themen, die eine große Bedeutung haben und wichtig für die Menschheit und den Planeten sind. Die verpacken sie auf eine unterhaltsame und nicht so schwere Art und Weise. Du wirst entertaint, wenn du die Artikel liest. Ich versuche, Themen genauso anzusprechen. So, dass du den Song gerne hörst, auch wenn das Thema etwas ernster ist.
MZEE.com: Man merkt beim Hören des Songs, dass du dich mit der Materie befasst hast.
Veedel K: Es war tatsächlich so, wie ich es auf dem Song erzähle. Ich bin im Speckgürtel von Köln in einer ländlichen Region aufgewachsen, wo viel Wald war. Wenn ich meine Mutter oder Oma dort besuche, erkenne ich die Gegend fast nicht mehr wieder. Es wurde viel abgeholzt, um Geld zu verdienen. Das war in der Geschichte schon immer so. Ich habe mal mit einem Typen gesprochen, der in der Nähe vom Hambacher Forst aufgewachsen ist. Dort hat RWE die ganzen Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Stattdessen sind jetzt riesengroße Löcher im Boden. Er meinte, jedes Bild aus seiner Kindheit und jede Erinnerung an die Gegend seien verschwunden. Jeder Ort, an dem er seine Kindheit verbracht hat, ist durch ein riesiges Loch ersetzt worden. Das ist mir im Gedächtnis geblieben, weil es ein krasses Bild ist. Bei mir ist es nicht so schlimm, aber ich habe etwas Ähnliches erlebt. Deshalb konnte ich mich beim Schreiben gut mit dem Thema identifizieren.
MZEE.com: Hast du manchmal Angst, machtlos gegen den Klimawandel zu sein? Wie gehst du damit um?
Veedel K: Ich mache es ähnlich, wie es aktuell bei Covid-19 empfohlen wird. Man sollte nicht zu viele Nachrichten konsumieren und die Twitter-Nutzung etwas reduzieren. Man kann dem aber nicht aus dem Weg gehen, weil man so damit überschüttet wird. Ich versuche natürlich, auf dem Laufenden zu bleiben. Dennoch schränke ich meine Aktivitäten etwas ein. Es ist ein Spagat zwischen Ignoranz und Informiertheit. Für mich klappt das ganz gut. Und ab und zu muss man sich wahrscheinlich besaufen. Das funktioniert auch. Da hat jeder seine eigenen Methoden.
MZEE.com: Trotz der ganzen schlechten Nachrichten muss man darauf achten, dass man mental gesund bleibt. Wenn die ganze Menschheit depressiv und psychisch krank wird, hilft das auch nicht.
Veedel K: Ich kann es zwar nicht mit Zahlen belegen, aber ich habe das Gefühl, dass der Leistungsdruck und die Verwertungsgesellschaft der letzten Jahrzehnte die Leute depressiv machen. Viele können da gut mitspielen und sind erfolgreich. Allerdings gibt es auch die, die in diesem Wettlauf nicht so gut hinterherkommen. Die bekommen das Gefühl suggeriert, weniger wert zu sein. Daran kann man zerbrechen oder depressiv werden. Auf der einen Seite gibt es ein paar Leute in der Rap-Bubble, die genau das thematisieren. Dieser krasse gesellschaftliche Druck ist ein wichtiges Thema. Auf der anderen Seite gibt es Rapper, die nur von Entwicklung und Effizienz erzählen. Dadurch wird natürlich auch ein ungeheurer Druck erzeugt. Deswegen finde ich es cool, dass einige dagegensprechen. Es ist gut, wenn Awareness dafür geschaffen wird. Außerdem ist es absolut nachvollziehbar, wenn Menschen aufgrund der ganzen schlechten Nachrichten depressiv werden. Man könnte zum Beispiel wirklich verrückt werden, wenn man sieht, wie egoistisch sich Menschen während der Corona-Krise verhalten.
MZEE.com: Die Regierung vollzieht aktuell drastische Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19. Findest du, dass die Politik beim Thema Klimawandel ähnlich konsequent reagieren sollte?
Veedel K: Es zeigt, dass die Regierung anscheinend in der Lage ist, drastische Maßnahmen durchzusetzen und anzugehen, wenn sie willens dazu ist. Bei anderen Themen wird es nicht getan, weil anscheinend die Bedrohung oder der Nutzen daraus nicht groß genug sind. Für die geflüchteten Menschen in Griechenland, die dort ausharren, unternimmt die Regierung gefühlt gar nichts. Jetzt sieht man, dass große Hebel in Gang gesetzt werden können.
MZEE.com: Ich glaube, dass gerade der Klimawandel die Situation der Geflüchteten noch verschlimmert. So wird es auch in Zukunft viele Menschen geben, die deswegen fliehen werden.
Veedel K: Davon gehe ich auch aus. Das wird voraussichtlich viele Leute betreffen. Durch Dürren, Desertifikation und Naturkatastrophen werden viele Menschen ihre komplette Lebensgrundlage verlieren, da das Land sie nicht mehr versorgen kann. Dagegen können die Leute nicht viel machen und sie werden flüchten. Sie gehen dann an Orte, von denen sie denken, dass dort bessere Lebensbedingungen herrschen. Das sind sehr dystopische Vorstellungen, aber wenn die gesamte Umwelt zerstört wird, wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen. Ich habe keine Ahnung, wann es soweit sein wird. Aber es wäre wahrscheinlich nicht verkehrt, alles zu tun, um das zu verhindern.
MZEE.com: Welche Schritte sollte man deiner Meinung nach unternehmen, um solche Folgen des Klimawandels einzudämmen?
Veedel K: Man sollte auf sein Konsumverhalten achten. Das kann man im Idealfall als Einzelner tun. Andererseits ist vielleicht auch nicht jeder dazu in der Lage. Wenn in sehr großen Teilen der Gesellschaft eine Awareness dafür da ist, kann es – denke ich – viel ausmachen. Ich glaube, es ist ein wichtiger Punkt, dass die Leute bestimmte Dinge nicht mehr kaufen und ihren Fleischkonsum reduzieren. Fridays for Future macht immer wieder beharrlich auf die Situation aufmerksam, um das Thema in den Medien zu halten. Damit können sie einen gewissen Druck auf die Regierung ausüben, die letzten Endes die großen Entscheidungen trifft.
MZEE.com: Du bist Veganer und rappst auf "Tofu" über deinen Fleischverzicht. Welche Rolle spielt der Klimaschutz für deine Ernährung?
Veedel K: Das Klima ist auf jeden Fall auch ein Grund. Der Hauptgrund sind die Tiere. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass Tiere getötet oder ausgebeutet werden. Es geschieht trotzdem noch, aber nicht mehr für mich. Ich habe eine Abneigung gegen Fleisch und Milch entwickelt. Meine Gesundheit ist ein weiterer Grund. Es gibt viele gute Gründe dafür, vegan zu leben. Und weil ich gerne die richtige Sache tue, habe ich mich dafür entschieden. (lacht) Ich kann es nur empfehlen, mir geht es sehr gut und ich fand es nicht schwer. Ich war vorher vier Jahre Vegetarier und lebe jetzt seit einem Jahr vegan. Die Umstellung lief peu à peu, ich habe eins nach dem anderen weggelassen. Wenn jemand das für sich in Erwägung zieht, würde ich ihm raten, es ähnlich zu machen. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Das ist nur meine Empfehlung.
MZEE.com: Es gibt viele Menschen, die nicht genug Geld haben, um sich fairere Produkte zu kaufen. Wie kann man mit diesem Problem umgehen?
Veedel K: Da ist wieder die Regierung gefragt. Sie müsste dafür sorgen, dass bestimmte Sachen vergünstigt werden. Dadurch könnte man sie attraktiver machen. Wenn klimafreundliche Produkte günstiger wären, würden sie mit Sicherheit mehr gekauft werden. Das Fleisch aus Massentierhaltung ist superbillig, sodass die Leute einfach zuschlagen. Wenn es teurer wäre, würden die Leute auch nicht so viel davon kaufen. So wie es derzeit ist, ist es für das Klima, die Menschen und die Tiere sehr schlecht. Das ist das Problem.
MZEE.com: Zum Abschluss habe ich ein Zitat für dich dabei. Es stammt von einer Kunstdirektorin aus London, Judith Knight: "Artists can communicate in a way that scientists can't." – Welche Aufgabe hat die Kunst in der Klimakrise für dich?
Veedel K: Das Zitat würde ich so auf jeden Fall unterschreiben. Kunst kann bestimmte Themen mehr Leuten nahebringen als ein wissenschaftlicher Text, weil die Präsentation zugänglicher ist. Ein Song ist viel einfacher zu konsumieren. Er schafft es im Idealfall, dass Menschen auf ein Thema aufmerksam werden und sich ein paar Gedanken darüber machen.
(Malin Teegen)
(Fotos von Niels Freidel)