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City Nord – Nachtflug 126

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: City Nord mit "Nacht­flug 126".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künst­ler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der Gesprächs­part­ner ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Die Ham­bur­ger Crew City Nord besteht aus dem Rap­per Felix XL, dem Pro­du­cer Def Steff und dem DJ Mr. O-​Lee 47. Im Jahr 2002 haben sie ihr Debüt "Nacht­flug 126" releast. Dahin­ter steckt ein wirk­lich aus­ge­klü­gel­tes Kon­zept. Denn die Jungs erzäh­len nicht nur von ihrer Rei­se, son­dern laden mich als Hörer ein, dar­an teilzunehmen.

Ein­fach in den Flie­ger stei­gen und schon geht es los. Genau die­ses Gefühl bekommt man, wenn man den Play­but­ton drückt und das Intro anspielt. Eine Ste­war­dess macht eine Ansa­ge: Man sol­le sich nicht anschnal­len und auch das Rau­chen nicht ein­stel­len. Felix XL heißt mich anschlie­ßend "Herz­lich Will­kom­men" und ich füh­le mich direkt ange­spro­chen. Der Künst­ler erläu­tert mir in dem Repre­sen­ter, was City Nord als Crew aus­macht. Seicht glei­tet der Flie­ger auf fun­ky Beats wei­ter durch die Nacht. Eine pas­sen­de Instru­men­tie­rung mit Akus­tik­gi­tar­ren und Blä­sern weckt das Fern­weh in mir. Auch in sei­nen Lyrics denkt sich der Rap­per öfter in die Fer­ne, sei es wort­wört­lich oder im Wunsch nach posi­ti­ven Ver­än­de­run­gen inner­halb der Gesell­schaft. Durch sei­ne hoff­nungs­vol­le Wort­wahl gibt er mir immer wie­der das Gefühl, dass nichts aus­weg­los ist. Dabei flowt Felix XL abso­lut gelas­sen und den­noch dyna­misch. Wie die Cuts ein­ge­setzt sind und immer wie­der pas­sen­de Lines auf­tau­chen, die die Nacht­flug­idee auf­grei­fen, begeis­tert mich bei jedem Hören. In Kom­bi­na­ti­on mit gesell­schafts­kri­ti­schen Tracks wie "Plas­tik" lässt mich dies wie ein Kind füh­len, das von etwas tief im Her­zen berührt und fas­zi­niert ist.

Mit "Nacht­flug 126" haben City Nord ein sehr durch­dach­tes Album releast. Am Ende bin ich jedes Mal etwas trau­rig, wenn mit dem Anspie­len des Outros die "Lan­dung" bevor­steht. Doch gleich­zei­tig bin ich froh, ganz unkom­pli­ziert wie­der abhe­ben zu kön­nen, wenn ich das möch­te. Genau des­we­gen lie­be ich die­se Plat­te und fol­ge dem Wunsch von XL, mich an sie zu erin­nern, "wenn heu­te plötz­lich ges­tern ist", nur all­zu gern.

(Dzer­ma­na Schönhaber)