Wenn wir von Vandalismus sprechen, meinen wir nicht die Straftat, sondern den Rapper, der zuvor unter dem Namen Degenhardt bekannt war. Kürzlich ist Vandalismus mit "Freunde lügen nicht" wieder in Erscheinung getreten und macht seinem Namen alle Ehre, indem er deutschen Rap musikalisch verwüsten und ihm Verstand einprügeln will. Der Sound seines neuen Albums ist wie gewohnt dreckig und bietet der Hörerschaft eine erfrischende Abwechslung zum Modus Mio-Rap. Um herauszufinden, was alles hinter dieser Person steckt, baten wir Vandalismus zum Interview und fragten ihn, wie es zu dem Namenswechsel kam, welche Musik er hört und wie er die Entwicklung von Rap betrachtet. Außerdem redeten wir über die Bedeutung von Freundschaft, seine Haltung gegenüber Charles Bukowski und verschiedene Jugendkulturen.
MZEE.com: Degenhardt, Vandalismus und weitere – du änderst deinen Namen bei vielen deiner Releases. Was genau steckt dahinter?
Vandalismus: Ich sehe die anderen Namen jetzt nicht als großen Unterschied – ob das jetzt Disko Degenhardt, Degenhardt oder Destroy Degenhardt ist. Das ist für mich ein Name. Wie ich mich jeweils nenne, ist eine Spielart für mich. Ich mache das, wie ich Lust habe. Du sagst ja auch nicht Kool Savas oder KKS, da sehe ich keinen Unterschied. Jetzt habe ich zum ersten Mal einen anderen Namen, weil ich Bock auf etwas anderes hatte.
MZEE.com: Gab es einen bestimmten Grund, weshalb du dir den Namen Vandalismus gegeben hast?
Vandalismus: Nö, ich wollte einfach einen coolen neuen Namen, der mir gefällt. Das war eher Zufall. Ich hab' ein bisschen rumgesucht und den irgendwo gelesen, ohne aktiv darüber nachzudenken. Der ist in dem Findungsprozess einfach aufgeploppt. Ich fand den Namen so bescheuert und skurril, dass ich ihn gut fand. Ich hab' den dann ein bisschen mit mir rumgetragen, hatte übel Spaß daran und dachte mir: "Ach komm', genau das sollst du ja machen. Du sollst Spaß haben und dich nicht so mega verkopfen." Ich meine, in Zeiten, in denen sich Leute Haftbefehl oder Capital nennen, ist mein Künstlername ja noch relativ normal. (lacht) Der hängt noch mit anderen Hobbys zusammen. Deswegen passt das gut.
MZEE.com: Also hast du vor, den Namen beizubehalten und dadurch in Kauf zu nehmen, dass es mit Google-Ergebnissen schwieriger werden könnte?
Vandalismus: Ja, ich find' den cool. Aber das mit den Google-Ergebnissen habe ich wirklich nicht gut bedacht. Das muss ich zugeben. Auch in Bezug auf Social Media-Accounts ist das natürlich extrem schwierig. Das hat in meiner Denke nicht stattgefunden, weil ich erst dachte: "Wie würde sich das denn anfühlen, wenn das auf dem Cover steht?" (überlegt) Ich hab' das mehr aus der künstlerischen Sichtweise betrachtet. Das Marketing hab' ich dabei nicht bedacht, hätte ich aber eh ignoriert. Es ist für mich eigentlich erst der zweite Künstlername. Es ist also nicht bei jedem Release so – das ist jetzt, nach neun Releases, der erste komplett neue Name.
MZEE.com: Reden wir über dein neues Album. "Freunde lügen nicht" startet mit einem Zitat aus "Misfits" – hat dich die Serie beim Schaffensprozess inspiriert?
Vandalismus: (überlegt) Nein, nicht direkt. Aber generell schon, weil das Sachen sind, die mir wichtig sind. Ich habe ja früher schon Dialoge benutzt. Ich bin voll der Film- und Serienjunkie. Also sind die Sachen, die ich sample, auch sehr aussagekräftig für mich. Entweder habe ich direkt ein Sample oder ich schaue ganz am Ende, wo man noch etwas aufhübschen kann. Das ist dann die Feinarbeit. Ich habe ja sonst immer sehr düstere und deepe Zitate benutzt. Ich suche mir das vorher immer zurecht, dass ich 10 bis 20 Ausschnitte hab' und gucke dann, wo was passt. Es ist eher so, dass das Album die Samples begründet. Ich wusste, dass alles etwas frecher sein sollte. Dementsprechend habe ich das ausgesucht. Ein bisschen in die Fresse, ein bisschen lustig.
MZEE.com: Du rappst auf dem Track "Boss der neuen Welt" davon, dass du früher einmal der "falsche Freund" warst. Wurdest du in Bezug auf Freundschaft auch enttäuscht?
Vandalismus: Na ja, enttäuscht … Klar, auch. Ich glaube, in Bezug auf Freundschaft bin ich mittlerweile ein ganz gesundes Mittelmaß. Mir ist es schwergefallen, richtige Freunde zu erkennen, deswegen heißt das Album so. Ich wollte damit verdeutlichen, wie wichtig das ist. (überlegt) Genauso, wie andere Leute schlechter Umgang für mich waren, war ich das für andere. Besser gesagt, hab' ich das nicht erkannt und war ein Chaot, hab' Leute verletzt, wie auch ich verletzt wurde. Ich würde niemandem ganz klare Schuld zuweisen. Jeder Mensch ist nur so bescheuert, wie er halt ist. Kein Mensch kommt böse auf die Welt und niemand macht absichtlich böse Dinge. Das ist Teil der persönlichen Erfahrungen. Ich hab' damals mehr Freundschaften gehabt, als ich pflegen konnte. Heute gebe ich mir mehr Mühe, ein Freund zu sein. Früher war ich mehr in meinem Kopf. Durch das Skaten oder nächtliche Hobbys hab' ich immer ein großes Umfeld gehabt. Ich hab' das aber wahrscheinlich nicht wertgeschätzt oder gepflegt, wie ich sollte. Ich habe jetzt erkannt, dass das wichtiger ist als Glamour. Dass man merkt, dass man etwas dafür tun muss. Mehr an sich arbeiten – auch wenn die Gewichtung jetzt eine andere ist.
MZEE.com: Man findet auf deinem Album zahlreiche Punk-Querverweise. Was feierst du an dieser Musik? Würdest du dich selbst als Punk bezeichnen?
Vandalismus: Nicht wirklich. Ich würde mich als gar nichts mehr bezeichnen. Ich war aber mal ein sehr leidenschaftlicher Punk und ein sehr leidenschaftlicher HipHop-Head. Ich hatte eine Oi!-Skin-Phase und bin auch schon immer Skater gewesen … Ich hab' das alles immer sehr intensiv gemacht und Jugendkulturen gelebt. Das habe ich gesucht und fand es immer toll, Teil einer Gruppe zu sein. Jetzt bin ich einfach ich. Ich habe sehr viele Leidenschaften, bin mit Deutschpunk groß geworden, genauso wie mit Rapmusik. Ich hab' noch 'ne Punkband nebenher, was mega Spaß macht. Mit denen spiele ich live, aber wir sind keine Vollblutpunks. Wir sind auch keine HipHopper oder Metal-Typen. Irgendwann ist man ein schöner Mashup aus allem und das fühlt sich richtig an. Ich bin mit sehr viel deutschsprachiger Musik aufgewachsen. Das ging von Klaus Lage über Juliane Werding bis Udo Lindenberg. Danach kamen Deutschpunk und Rap. Mir waren Texte immer sehr wichtig, deswegen konnte ich mit deutschsprachiger Musik mehr anfangen. Bei Punk war es ganz klassisch: Daily Terror, N.O.E. und SLIME. Ich bin mit den Klassikern groß geworden, hab' das alles noch auf Vinyl und CD, liebs und höre es auch immer noch.
MZEE.com: Früher gab es eine recht krasse Lagerbildung, was die verschiedenen Genres betraf. Waren Punk und HipHop für dich gut miteinander vereinbar?
Vandalismus: Nein, gar nicht. Ich bin mit dieser Lagerbildung groß geworden und immer komplett in ein Genre reingestürzt. In meiner Punkphase bin ich mit Iro und vollgemalter Jeansjacke rumgelaufen und hab' die ganzen Rap-CDs nach hinten geräumt, sodass meine Freunde die nicht sehen. Dann hat sich das gewandelt – ich hab' die Punk-CDs unter das Regal geräumt und bin nur im schwarzen Hoodie und Bomberjacke rumgelaufen. Ich habe das immer sehr intensiv gemacht, fand das aber eigentlich scheiße. Ich bin mit einem gewissen Schizophrenie-Gefühl groß geworden. Andererseits hab' ich ja trotzdem Juliane Werding oder Karat gehört. Wenn ich alleine war und mit meinen Springerstiefeln dasaß, kam ich mir ein bisschen schizophren vor. Als Teenager ist man halt nicht so gefestigt, dass man sich selbst behauptet. Jetzt ist es wahrscheinlich etwas anderes, wie bei der Antilopen Gang oder Feine Sahne Fischfilet. Das ist ja kein Bruch mehr. Man muss sagen, dass HipHopper und Rapper auch Fachidioten oder -nazis sein können. Genau wie Metal-Typen, die nur Metal hören. Punk, Rock und Rap sind die Genres, die sich am meisten angenähert haben und sich tolerieren. Heute gehst du auf ein Konzert und hast Leute, die Vans, einen Rucksack, einen Hoodie, 'ne Bomberjacke und Patches tragen und musst dann nicht mehr sagen: "Ah, das ist ein Rapper, der auch Punk hört." Es gibt diese Mischwesen und das ist total super. Crossover mochte ich aber nie. Das fand ich immer total scheiße. Rock-Rap-Mucke. Ist immer noch so.
MZEE.com: Wo siehst du Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Rap und Punk? Da gab es ja zumindest gewisse Parallelen.
Vandalismus: Die Grundattitüde ist dieses DIY-Ding, sowohl im Punk als auch im Rap. Man kann mit sehr einfachen Mitteln schnell Musik machen – mal außen vor gelassen, wie gut die ist. Ob ich jetzt eine schrammelige Garagenband habe – obwohl das mittlerweile auch teurer ist – oder etwas schreibe und einfach rappe … Rapmucke geht inzwischen immer einfacher. Es geht aber nicht ums Geld. Ich bin ja nicht Prinz Pi mit seiner Klassengesellschaft. Dieses Gefühl "Okay, ich hab' Bock, etwas zu machen, dafür muss ich aber nicht in die Gesangsschule gehen oder 20 Jahre ein Instrument lernen, sondern kann mich mit Freunden treffen und loslegen" ist eine große Gemeinsamkeit. Zusätzlich war es damals die Starrköpfigkeit. Da bin ich leider ähnlich. (lacht) Inzwischen ist es so, dass beides eine gewisse Offenheit hat, sich auseinandersetzen will und nicht mehr diese verhärteten Fronten hat. Ich red' jetzt nicht von Samra und Capital Bra oder solchem Kram, sondern von Leuten wie Fatoni. Das ist keine krasse Nischenmusik mehr, genauso wie Punk. Feine Sahne Fischfilet sind beispielsweise auch Punk. Es darf noch real sein, ist aber trotzdem nicht nur für Fachidioten oder ein kleines Grüppchen. Es gibt gewisse Leute, die sich ein gesundes Mittelmaß erarbeitet haben. Dieser klassische Vans-Hoodie-Patches-Typ ist nichts Extremes, aber auch kein austauschbarer Mainstream. Es gibt bei beidem eine gesunde Basis, die Substanz hat.
MZEE.com: Nichtsdestotrotz positionierst du dich auf deinem Album klar gegen Rap im Allgemeinen. Gibt es dennoch Rap oder Musik anderer Genres, die du feierst, obwohl man das nicht von dir erwarten würde? Du hast bereits Juliane Werding erwähnt, was man dir nicht unbedingt zutraut.
Vandalismus: Spannende Frage. (überlegt) Ich finde auch Trap-Sachen gut. Mauli find' ich beispielsweise super, was mir Mucke-mäßig eigentlich nicht entspricht, wenn man mich in eine Sparte einordnen will. Ich hatte mal 'ne kurze Lil Xan-Phase. (lacht) Hm … Ich gucke mal gerade ganz frech in meinen Musikordner. (lacht) Ich stand früher auf sehr atzigen Sound. Sowas höre ich aber nicht mehr, weil ich keine Toleranz gegenüber Frauenfeindlichkeit und diesen Weltbildern zeigen möchte. Ich habe keine Guilty Pleasures mehr. Das will ich einfach keinen Zentimeter mehr unterstützen. Früher hab' ich noch gesagt: "Okay, ich kann mir mal 187 Strassenbande anhören, Bass Sultan Hengzt oder MC Bomber." Das mache ich nicht mehr. Den ganzen Straßenrap-Bereich habe ich komplett gecancelt. Corus 86 hab' ich sehr gefeiert. Harte Sachen. Ich fand aber auch das "Grape Tape" von LGoony ziemlich cool, genauso wie Sachen von DJ Heroin. Wenn wir den Rapbereich verlassen, gibt es megaviel. Ich hör' leidenschaftlich Karat oder eben Juliane Werding. Zuletzt habe ich wieder viel Roger Whittaker gehört, weil meine Oma das immer gehört hat. Sehr viel deutsche Musik, die man als Schlager bezeichnen würde. Ab und zu höre ich Gabba. Gerne auch Elektrosachen. Allerdings kein House, sondern eher Breakdance-Mucke. Viel Metal, viel Oi!-Skin. Das ist bunt gefächert.
MZEE.com: Im Pressetext auf der Website deines Labels Audiolith steht: "In Zeiten, in denen angesagter Deutschrap enger mit dem Schlager tanzt als jemals zuvor, wirkt Vandalismus' Battlerap schon fast wie Punk." – Stört dich die Schlager-Thematik tatsächlich oder ignorierst du sie und konzentrierst dich auf dein eigenes Ding?
Vandalismus: Ich schlafe deswegen nicht schlecht, aber es ist mir auch nicht egal. Ich hab' das Gefühl, dass Musik durch das ganze Modus Mio-Ding zum ersten Mal systematisch wird. Schlagermusik war in den letzten 10 bis 20 Jahren unheimliche Retortenmusik. Natürlich find' ich Sachen wie "Astronaut" von Sido scheiße, weil es nicht geil ist und meinen Geschmack nicht trifft. Es wirkt nicht so, als ob sich da einer Mühe gegeben hat oder etwas aussagen wollte, was für mich der Sinn von Mucke ist. Wenn man Musik nicht der Musik wegen macht, finde ich es verwerflich. Ich bin so sehr Künstler, dass ich sage: "Ich will Musik von jemandem hören, der Musik gemacht hat, weil er sie machen will. Nicht, weil er Geld verdienen will und das gut funktioniert." Rap ist so dumm und erfolgreich wie noch nie. Hä? Keiner sieht einen Zusammenhang? Hallo? Natürlich ist Rap erfolgreich wie nie. Gerade, weil er so dumm ist wie noch nie. Das ist kein Zufall. Es kommt daher, dass Rap total eingängig ist. Wenn jemand Bock hat, sowas zu machen, aus reinstem Herzen, dann ist das vollkommen in Ordnung. Aber das kann mir halt einer von vielen erzählen. Das stimmt einfach nicht. Wenn Musik zurechtgeschrumpft wird mit diesen ganzen Spotify-Modus Mio-Vorgaben, dass man keine langen Intros haben kann und ein Song nur so und so lang sein darf, weil du sonst nicht in das Raster kommst, dann finde ich das krass. Der Großteil unterwirft sich dem trotzdem – natürlich nicht alle. Ich kann mich auch auf den kleinen Teil konzentrieren. Ich lieb' die Sache ja. Früher gab es Conscious Rap, Trottel-Rap wie die Fantastischen Vier oder ganz wertvolle Sachen wie Curse. Dann gab es noch spaßige Sachen dazwischen – alles gut. Aber wenn du das Gefühl hast, dass Rap überschwemmt wird und diese Modus Mio-Vorgaben Amazon-mäßig dabei sind, alles zu übernehmen, dann darf man schon mal schreien: "Alter, was ist los? Stop!" Deswegen habe ich keine schlaflosen Nächte, aber schon das Gefühl, dass ich sagen muss: "Ey, mega scheiße!"
MZEE.com: Was deine Außendarstellung betrifft, hast du eine sehr spezielle Herangehensweise. Du bist keiner von denen, die einen besonderen Fokus auf ihre Maskierung legen. Andere Rapper, die anonym bleiben, inszenieren sich sehr stark mit ihrem Erscheinungsbild. Was hältst du davon und warum machst du es anders?
Vandalismus: Man kann ja nun nicht sagen, dass ich früher völlig unauffällig war. Die Frage ist, wie man das definiert. Ich finde die Art und Weise nicht unauffällig. Mir war das mit einer Maske einfach zu plakativ.
MZEE.com: Wenn ich das mit Cro oder Genetikk vergleiche, die mehr Wert auf ihre Optik legen, scheint es dir hingegen egal zu sein.
Vandalismus: (überlegt) Ganz egal war es mir nicht. Früher, vor circa fünf Jahren, wusste ich, dass ich mit den Tattoos trotzdem eine gewisse Außenwirkung habe. Das ist mittlerweile hinfällig, weil sie jeder Arsch hat. Früher habe ich mich mit dieser Wollmütze, dem Vollbart und zensierten Augen verdeckt. Das war meine "alte Maske". Das hat ja auch etwas hergemacht. Ich würde mich jetzt nicht so darstellen, als wäre ich voll auf Understatement gewesen. Aber es war immer meine Version. Wenn ich gar nicht hätte auftreten wollen, hätte ich das ja einfach verweigern können oder mein Gesicht komplett rausgehalten. Ein bisschen cool sollte das schon immer sein. Allerdings wurde es mir zunehmend unangenehmer, ein aufgetakeltes Outfit zu haben. Deswegen hatte ich immer wechselnde Masken und das wurde mir zu dramatisch. Ich bin dazu übergegangen, mich da rauszuhalten. Das mit der Anonymität ist trotzdem noch gut, das werde ich so beibehalten. Ansonsten bin ich megacool angezogen. Da finde ich Genetikk weitaus hässlicher. (lacht)
MZEE.com: Damit wollte ich auch gar nicht sagen, dass dein Outfit keine Coolness besitzt.
Vandalismus: Mir geht es um Ehrlichkeit. Wenn ich zu einem Fotoshooting geh', gehe ich hin, wie ich halt rumlaufe. Ich laufe – für mein Gefühl – so schon bescheuert genug herum. Mit Parka, Jogginghose und Springerstiefeln. Ich bin keine Nina Hagen oder ein Paradiesvogel. Ich gönn' mir schon 'ne ganze Menge, sodass ich mich wohlfühle und bin da sehr frei. Das soll so sein. Ich verkleide mich nicht. Das würde der Sache auch widersprechen.
MZEE.com: Generell bist du jemand, der sich eher darüber definiert, was er nicht ist. Beispielsweise erwähnst du auf "Du liest die falschen Bücher", dass du kein Fan von Charles Bukowski bist. Es gibt ja schon offensichtliche Parallelen zwischen dir und dem Schriftsteller. Warum bist du trotzdem kein Fan von ihm?
Vandalismus: Weil mir das zu plump war. Klar verstehe ich, dass da Querverweise Sinn machen. Ich habe den rausgekramt, weil da angeblich offensichtliche und teilweise berechtigte Parallelen sind und ich einfach sagen wollte: "Feier' ich nicht." Ich wollte mich davon abgrenzen. Ich bin kein verlorener, depressiver Säufer. Ich finde Bukowski sehr, sehr dünn. Das ist total plakativ, genau wie: "Wow, ich schreib' einen Roman und darin kommt ein Detektiv vor, der ein Alkoholproblem hat, total übernächtigt ist und als einsamer Cowboy rumläuft." Das ist ein total ausgelutschtes Männerbild und hat sehr wenig Substanz. So hab' ich mich nie gesehen und so war ich auch nie. Ich war immer ein sehr sensibler Mensch und hab' mich immer für schöne Sachen interessiert. Zwar habe ich in ähnlicher Form Verlorenheitsgefühle wie Bukowski gehabt, aber das war mir zu einfach. Nur kaputt zu sein, ist mir halt viel zu lame. Auch in meiner größten Kaputtheit war ich nicht so. Da habe ich trotzdem Gedichte geschrieben und bin ins Theater gegangen, selbst wenn ich davor und danach viel Bier getrunken hab'. Das ist mir zu plump. Deswegen war es mir wichtig, mich trotz eventueller Parallelen abzugrenzen.
MZEE.com: Du zeichnest ein sehr dreidimensionales Bild von dir. Würdest du unterschreiben, dass man in deiner Musik trotzdem eher das sieht, was du mit Bukowski gemeinsam hast, als den Theatergänger?
Vandalismus: Hm … Weiß ich nicht. Man nimmt sich ja immer das raus, was man hören will. Aber ich finde Bukowski lyrisch sehr plump. Das soll nicht vermessen klingen, aber keiner wird Bukowski als großen Lyriker bezeichnen. Ich hab' sehr viel bessere Zeilen geschrieben als er, was die Komplexität und den Gedankengang angeht. (lacht) Mag sein, dass das düster ist, aber ich habe auch Sachen gehört, die düster und schwierig sind und trotzdem noch komplex waren. Theater ist das größtmögliche Pendant, deswegen habe ich das gesagt. Es gibt Leute, die sehr traurige Sachen gemacht haben, aber trotzdem eine höhere Filigranität als Bukowski drin haben. Das sehe ich bei mir auch – ohne überheblich klingen zu wollen. Da sind mehr Gedanken als nur: "Ja geil, Sportwetten, Alkohol und ficken, yeah." Das ist doch keine Kunst. Wenn man diese Aura mitnehmen will, verstehe ich das schon. Steht ja jedem frei, aber ein bisschen komplexer darf es für mich persönlich schon noch sein.
MZEE.com: Zu guter Letzt möchten wir dich auf eine Line von dir ansprechen: "Wer nicht nachts da draußen ist, der sollte keine Texte schreiben." – Bist du der Meinung, dass man ohne Leid zu erfahren, keine gute Kunst kreieren kann?
Vandalismus: Nein, es muss kein Leid sein. Das meine ich damit nicht. Ich meine damit eher eine gewisse Auseinandersetzung. Dass man was macht, dass man aktiv ist, dass man lebt. Das muss nicht bedeuten, zu leiden. Nachts schläft man normalerweise, aber ich bin nachts viel unterwegs durch mein Hobby. (lacht) Es geht darum, dass man etwas erlebt und sich was traut. Da passiert etwas. Aber wenn du einfach nur dein Tralala machst, ist es sinnlos. Es kann statt Leid auch etwas total Schönes sein. Du kannst zwei Jahre durch die Welt reisen, tolle Menschen kennenlernen und dann schreibst du das beste Album. Du bist nachts unterwegs – in der Zeit, in der andere schlafen – und hast die Energie, um noch unterwegs zu sein und zu sagen: "Nein, hier ist noch nicht Ende, ich mach' noch was, ich geb' noch mal Gas." Wenn du noch Power hast, ein offener Mensch bist und bei dir etwas passiert, will ich was von dir hören. Das interessiert mich. Dass es Gucci gibt, weiß ich schon. War mir vorher schon egal.
(Steffen Bauer & Sicko)
(Fotos von Quinten Quist)