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Interview

Forcki9ers

"Wir wol­len echt kei­nen Poli­ti­schen machen, aber die­ses frei­heit­li­che und selbst­be­stimm­te Leben fern­ab von staat­li­cher Regu­lie­rung ist unse­re Mit­te." – Die Forcki9ers im Inter­view über Fried­richs­hain, die Fas­zi­na­ti­on Batt­ler­ap sowie Par­al­le­len zwi­schen Orwells "1984" und der heu­ti­gen Zeit.

Das Repre­sen­ten der eige­nen Hood ist seit jeher ein zen­tra­ler Bau­stein der HipHop-​Kultur. Die­sem Ansatz haben sich auch die Forcki9ers aus Berlin-​Friedrichshain ver­schrie­ben. Das Leben in F-​Hain und das täg­li­che Hän­gen am Forcken­beck­platz bil­den die Basis für mitt­ler­wei­le zwei Alben und eine EP von Rino Man­din­go, Kong, Finest, Bene­lüx, Haw­kO­ne und DJ Cut­rock. Auf der neu­en Plat­te "Peters­bur­ger Hän­gung" las­sen die vier Rap­per neben Battle- und Representer-​Lyrics aber auch immer wie­der Sozi­al­kri­tik, Exis­tenz­ängs­te und poli­ti­sche State­ments durch­schim­mern. Im Inter­view spra­chen wir über die man­geln­de Reprä­sen­ta­ti­on Fried­richs­hains in der deut­schen Rap­sze­ne, die Fas­zi­na­ti­on für Batt­ler­ap, Pazi­fis­mus – und natür­lich Otter.

MZEE​.com​: Euer Album­co­ver ziert – wie schon bei den vor­he­ri­gen Plat­ten – der Otter. Die­se Tie­re sehen süß aus, sind aber gefähr­li­che Jäger – und den­noch ver­spielt. Sie gehen geschickt mit Werk­zeu­gen um und sind aus­ge­spro­chen intel­li­gent. Inwie­fern könnt ihr euch mit Ottern identifizieren?

Finest: Mit dem Aus­se­hen vor allem. (lacht)

Bene­lüx: Natür­lich sind wir begeis­ter­te Otter-​Fans. Das sind sehr put­zi­ge Wesen. Durch die­sen nied­li­chen Aspekt wird die Intel­li­genz aller­dings manch­mal außen vor gelas­sen. Wenn man sieht, wie die jagen und spie­len, ist das schon krass. Im Gro­ßen und Gan­zen sind wir mit dem Otter als Wap­pen­tier sehr glück­lich. Ab und zu muss man halt ins Otter­zen­trum. Wir ottern auch ein­fach ger­ne. Die Bedeu­tung kann dann jeder für sich selbst aus­le­gen, wie er mag. Die Spra­che spielt für uns eine gro­ße Rol­le, was im Deutschrap auch nichts Beson­de­res ist. Die­se Lingo-​Geschichten und der aktu­el­le Sprech befeu­ern sich dann gegen­sei­tig. Es macht Spaß, etwas Eige­nes auszubauen.

Kong: Jedem Otter-​Freund soll­te man eine Pil­ger­rei­se ins Otter­zen­trum Han­kens­büt­tel ans Herz legen. Die Otter dort haut­nah zu erle­ben, ist eine ein­zig­ar­ti­ge Erfahrung.

Bene­lüx: Dort haben wir auch unser Video zu "M10er Kurs" gedreht.

MZEE​.com​: Habt ihr Lieblingsotter?

Kong: Der Fisch­ot­ter ist schon nice.

Bene­lüx: Das Out­ro der "Fei­er­abend­scha­blo­ne" ver­rät dahin­ge­hend schon mal, dass es meis­tens die wil­den, ver­spiel­ten Otter sind. Das waren in dem Fall ara­bi­sche. Ich per­sön­lich bevor­zu­ge eher die klei­nen Arten mit den schma­len Köp­fen. Aber das ist Geschmackssache.

MZEE​.com​: Der zen­tra­le Inhalt eurer Musik ist das Leben rund um den Forcken­beck­platz in Fried­richs­hain. Was macht eure Gegend für euch so besonders?

Bene­lüx: Ich hän­ge mitt­ler­wei­le seit zehn Jah­ren hier in Fried­richs­hain. Das Beson­de­re für uns ist, dass wir alle direkt um den For­cki gewohnt und uns hier ken­nen­ge­lernt haben. Wir haben hier ein­fach sehr viel Zeit mit­ein­an­der ver­bracht. Und wie das in Ber­lin nun mal ist: Sobald du in dei­ner Gegend alles hast, machst du nicht mehr vie­le Aus­flü­ge woan­ders hin. Wenn man ein­fach nur rum­hängt und kei­ne beson­de­re Ver­an­stal­tung statt­fin­det, bleibt man schon eher in sei­nem Kiez – von daher ver­brin­gen wir hier viel Zeit und zele­brie­ren das.

MZEE​.com​: Geht es um die Gegend an sich oder um einen Ort, an dem ihr zusam­men seid?

Bene­lüx: In Fried­richs­hain ist extrem viel pas­siert. Jeder kennt die Techno-​Clubs an der War­schau­er Stra­ße. Da ist 24/​7 was los. Wir repre­sen­ten aber den Nord­kiez. Da gibt es weni­ger Touristen-​Hustle, obwohl das natür­lich trotz­dem immer prä­sent ist, weil du nur zehn Minu­ten dahin läufst. Vie­le Leu­te, die Ber­lin besu­chen, sind für die­se Zeit in Fried­richs­hain unter­ge­bracht. Du merkst, dass alles sehr jung ist und die alten Men­schen immer mehr weg­gen­tri­fi­ziert wer­den. Es woh­nen sel­ten drei Omas bei dir im Haus.

Rino Man­din­go: Mei­ner Mei­nung nach ist Prenz­lau­er Berg am stärks­ten gen­tri­fi­ziert. Danach kommt Kreuz­berg auf Platz zwei und dann Fried­richs­hain auf dem drit­ten Platz. Bene sagt ganz klar, du musst Fried­richs­hain unter­tei­len. Der Nord­kiez ist das alter­na­tiv und links ange­hauch­te Vier­tel, das noch nicht tou­ris­tisch erschlos­sen ist und am ehes­ten dem Prenz­lau­er Berg um die Mau­er­wen­de ähnelt. Alles süd­lich von der Frank­fur­ter Allee ist der Ort, an dem Erasmus-​Studenten und ande­re Leu­te den güns­ti­gen Life­style und die Party-​Szene genie­ßen. Wir wol­len echt kei­nen Poli­ti­schen machen, aber die­ses frei­heit­li­che und selbst­be­stimm­te Leben fern­ab von staat­li­cher Regu­lie­rung ist unse­re Mit­te. Da ist der Nord­kiez viel­leicht das Äqui­va­lent zu St. Pau­li in Hamburg.

Kong: Es ist ein star­kes lin­kes Zen­trum mit einer poli­ti­schen Bri­sanz, weil man zwi­schen auto­no­men Frei­räu­men lebt, die man für selbst­ver­ständ­lich hält. Gleich­zei­tig erlebt man ganz kras­sen Kapi­ta­lis­mus, der die­ses Gen­tri­fi­zie­rungs­the­ma erst ein­ge­lei­tet hat und wei­ter befeu­ert. Für mich per­sön­lich ist es auch des­halb eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit, hier zu leben, weil ein poli­ti­scher Kampf stattfindet.

Bene­lüx: Aus rap­t­ech­ni­scher Sicht ist Fried­richs­hain nichts, was man sich aus­su­chen wür­de, um es zu repre­sen­ten. Der Kiez wird eher belä­chelt wegen der gan­zen Hipster- und Techno-​Szene. Das löst bei den Leu­ten Cringe-​Momente aus. "Was willst du Huren­sohn in der Freestyle-​Cypher? Du siehst aus wie ein zuge­zo­ge­ner Fried­richs­hai­ner!" (Anm. d. Red: Zei­le von Kara­te Andi) Inso­fern ist da nichts Kal­kül, son­dern wir konn­ten eine Lücke fül­len, indem wir eine Rap­crew aus F-​Hain sind.

MZEE​.com​: Inwie­fern denkt ihr, dass sich das Leben in Fried­richs­hain in eurer Musik wie­der­spie­gelt bezie­hungs­wei­se es den Sound beeinflusst?

Rino Man­din­go: Pils­kills sind für mich Fried­richs­hai­ner Urge­stei­ne. Ihres war eins der ers­ten Tapes, das ich mir mit 16 Jah­ren gekauft habe. Damals bin ich aus dem Speck­gür­tel von Ber­lin nach Fried­richs­hain gefah­ren, um mir die Show anzugucken.

MZEE​.com​: Fin­det sich davon aus dei­ner Sicht etwas bei euch wieder?

Rino Man­din­go: Nein, abso­lut nicht. Ich glau­be, man hat ein­fach einen gewis­sen Respekt vor den Künst­lern. Aber unse­ren Sound beein­flusst das nicht, wür­de ich sagen.

Bene­lüx: Im deut­schen Rap gibt es bestimm­te Nischen und wir iden­ti­fi­zie­ren uns schon mit einem gewis­sen Sound­bild. Wenn du das Line-​Up der Tape­fa­brik durch­gehst, fin­den wir uns da sicher­lich wie­der. Es gibt natür­lich auch noch einen ganz ande­ren Ber­li­ner Sound, der sei­ne Daseins­be­rech­ti­gung hat, aber eben anders ist. In der Hin­sicht ist Fried­richs­hain – bis auf uns – gar nicht repre­sen­tet, weil es nicht für die­ses coo­le, har­te Ber­lin steht, das sich vie­le zu eigen machen wollen.

MZEE​.com​: Ihr habt vor zwei Jah­ren auf der DLTLLY-​Bühne des splash! Fes­ti­vals gestan­den. Eini­ge von euch haben auch solo an Batt­les teil­ge­nom­men. Was macht für euch die Fas­zi­na­ti­on an Batt­ler­ap aus?

Rino Man­din­go: Ich habe den größ­ten Battle-​Hintergrund, was DLTLLY und so wei­ter betrifft. Mein ers­tes Batt­le habe ich damals nur gemacht, weil Jamie und Han­no – die Grün­der – enge Freun­de von uns sind und mich dort hin­ge­lockt haben. Ich hat­te gar kei­ne Idee oder Ahnung, was das eigent­lich ist. Vor allem die ers­te Erfah­rung nach dem Batt­le war für mich prä­gend. Du schießt dich drei Mona­te lang auf jeman­den ein und beschäf­tigst dich jeden Tag mit die­ser Per­son und ihrem Umfeld. Dann kommt es zum Show­down und man klatscht sich alles an den Kopf. Das Gefühl, das ich danach hat­te, hat­te ich noch nie. Wenn du Streit mit Freun­den hast oder dich über jeman­den ärgerst, sprichst du das oft nicht aus und schleppst es Jah­re mit dir her­um. Dage­gen ist die­ses Battle-​Ding eine rich­ti­ge Kathar­sis. Es ist unfass­bar, wie frei man danach mit Leu­ten reden kann. Alles ist aus der Welt geschafft. Das ist etwas völ­lig ande­res, als Musik zu machen. Man steckt extrem viel Arbeit da rein und es ist ein ganz ande­res Genre.

Finest: Und was Songs angeht: Es macht ein­fach Lau­ne. (lacht) Wenn du eine lus­ti­ge Zei­le hast, die puncht, macht das auch auf der Büh­ne voll Bock, weil die Lines so viel Ener­gie haben. Wenn mit dem pathe­ti­schen Zei­ge­fin­ger gewe­delt wird, fin­de ich das meis­tens nur anstren­gend. Wenn man das macht, dann muss man es unglaub­lich klug und cool machen. Erzählt man mir von etwas, gehe ich oft davon aus, dass der­je­ni­ge glaubt, ich wür­de das nicht wis­sen. Aber vie­les weiß ich halt, das muss mir dann kei­ner mit erho­be­nem Zei­ge­fin­ger erzäh­len. Des­halb pro­bie­ren wir, das ein biss­chen anders zu machen. Die Inhal­te, die wir in unse­ren Songs haben, streu­en wir neben­bei ein, um zum Bei­spiel zum Den­ken anzu­re­gen. Das geht viel über Wortspiele.

Bene­lüx: Wir set­zen uns bewusst nicht extra hin und beschlie­ßen, einen schlau­en Track über Gen­tri­fi­zie­rung oder Diver­si­tät zu machen. Natür­lich sind wir alle Battlerap-​Fans und fei­ern das. Aber wenn wir nur sol­che Tex­te schrei­ben wür­den, käme wahr­schein­lich schnell Lan­ge­wei­le auf. So hat es sich erge­ben, dass mal jemand eine Hook-​Idee hat, die einen roten Faden vor­gibt. Trotz­dem hat jeder in sei­nem Part die Frei­hei­ten, so zu schrei­ben, wie er Bock hat. Die Art und Wei­se, wie wir Batt­le­ly­rics schrei­ben, ist dann aber schon anders als klas­si­scher "Auf die Fresse"-Battletalk.

MZEE​.com​: Ihr macht auf der Plat­te klar, dass ihr kei­ne Lust auf das Hams­ter­rad des All­tags habt und eure Zukunft noch unge­wiss ist. Gibt es Momen­te, in denen man damit nur schwer klar­kommt? Pla­gen euch Existenzängste?

Finest: Kommt es so rüber, als wäre das nicht der Fall? Ich glau­be, wir ver­su­chen mit unse­ren Tex­ten aus­zu­drü­cken, dass wir mög­lichst posi­tiv damit umge­hen, dass wir alle kein Geld haben. Also, ja klar, mich hat das The­ma sehr lan­ge beschäf­tigt. Ich wuss­te nicht, ob ich die Uni abschlie­ße und habe ewig dafür gebraucht.

Rino Man­din­go: Das klingt voll eli­tär. Als ob Uni dein ein­zi­ges Pro­blem wäre.

Finest: Ja, es war auf jeden Fall nicht leicht. Ich habe immer neben­her gear­bei­tet, um alles über die Büh­ne zu bekom­men und hat­te danach ordent­lich Schulden.

Rino Man­din­go: Ich habe Finest unfass­bar lieb. Er ist für mich der Inbe­griff davon, wie die Welt funk­tio­niert: Es trifft immer die Fal­schen. Wem wird zwei­mal die Kre­dit­kar­te geklaut? Finest. Wer wird vom Hund gebis­sen? Finest. Ein Vogel scheißt vom Him­mel und wen trifft es? Finest. Wir chil­len nach dem Auf­tritt im Bäl­le­bad und wer ver­liert sein Portemonnaie?

Alle: Finest!

Finest: So gehen wir das an. Wir ver­lie­ren das Porte­mon­naie und das ist bit­ter. Aber auch nicht so schlimm, weil eh nicht viel drin war.

Rino Man­din­go: Das macht ihn aus. Ich bewun­de­re krass, dass er immer das Bes­te dar­aus macht.

Kong: Bei "Fei­er­abend­scha­blo­ne" haben wir das eher zele­briert, aber bei "Peters­bur­ger Hän­gung" kam die Kri­tik mit durch, die schon beim letz­ten Album in uns schlum­mer­te. Durch Tracks wie "Issow" oder "Zin­ses­zins" hat sie eine Form bekom­men und wur­de kon­kret. Wir haben zwar ein hohes Maß an Kri­tik, aber auch die Den­ke, dass man aus dem Kleins­ten das Größ­te schöp­fen kann.

Bene­lüx: Wir haben natür­lich alle die­se Ängs­te, wie es mit dem Pla­ne­ten wei­ter­geht und was in Deutsch­land poli­tisch pas­siert. Wir machen uns vie­le Gedan­ken dar­über. Trotz­dem muss man mor­gens auf­ste­hen und eine Tak­tik ent­wi­ckeln, wie man sei­nen Lebens­mut nicht ver­liert – und dabei hel­fen wir uns gegen­sei­tig. Dar­über zu reden, ist wich­tig. Das scheint wohl auf der Plat­te durch, ohne dass es kal­ku­liert war.

Rino Man­din­go: Das hast du schön gesagt, Bro.

MZEE​.com​: Ihr habt den Track gera­de schon ange­spro­chen: Auf eurem Kapitalismus-​kritischen Track "Zin­ses­zins" trefft ihr Aus­sa­gen wie "Düsen­jä­ger wer­fen die Ren­di­te ab" und "Ver­kaufs­schla­ger Leo­pard 2". Seid ihr im All­ge­mei­nen Pazi­fis­ten oder stört euch nur, dass mit etwas Schlech­tem wie Waf­fen so viel Geld ver­dient wird?

Bene­lüx: Wir haben erst vor ein paar Tagen mit­ein­an­der dar­über gespro­chen. Für mich gibt es nichts, das so ambi­va­lent ist wie Schuss­waf­fen. Ich habe kei­nen Bock dar­auf, dass jemand in mei­ner Anwe­sen­heit mit einer schar­fen Wum­me her­um­fuch­telt – oder auch nur mit einer Sof­ta­ir. Das mag ich gar nicht. Aber ich bin trotz­dem, schon seit­dem ich ein Kind bin, fas­zi­niert davon. Ich ste­he auf Wes­tern. Die­se Ambi­va­lenz ist ganz schwie­rig zu ver­ba­li­sie­ren und für mich selbst zu defi­nie­ren. Ich gucke mir auch den neu­en Bruce Willis-​Streifen an und feie­re den ab – inklu­si­ve der Gewalt. Das ist aber kla­res Enter­tain­ment. In mei­nem ech­ten Leben möch­te ich das nie­mals haben. Kin­der neh­men sich einen Stock und spie­len damit, als wäre es eine Schuss­waf­fe. Das pas­siert, weil uns die Gesell­schaft das vorlebt.

Kong: Ich kom­me aus einem pol­ni­schen Haus­halt, in dem das Mili­tär eine gro­ße Rol­le gespielt hat. Mein Opa war 30 Jah­re beim Mili­tär, dadurch hat man damals auch gewis­se Pri­vi­le­gi­en genos­sen. Ich ken­ne es von Kin­des­al­ter an, mit Waf­fen zu spie­len. Ich bin ein Pazi­fist mit Waf­fen­fe­tisch und ein Nihi­list, der ein Gut­mensch ist. Die Welt ist nicht nur eins, sie hat ganz vie­le Gesichter.

MZEE​.com​: Geor­ge Orwell sag­te mal: "Leu­te, die durch Geld und Kano­nen vor der Wirk­lich­keit geschützt sind, has­sen die Gewalt zu Recht und wol­len nicht ein­se­hen, dass sie Bestand­teil der moder­nen Gesell­schaft ist und dass ihre eige­nen zar­ten Gefüh­le und edlen Ansich­ten nur das Ergeb­nis sind von Unge­rech­tig­keit, geschützt durch Macht." – Seid ihr geplagt von Welt­schmerz? Was ist der rich­ti­ge Umgang damit?

Finest: Stark. Ich habe "1984" gera­de gele­sen und muss­te sofort an Euro­pa und Fron­tex den­ken. Im Buch ist das Minis­te­ri­um für Frie­den für den Krieg zustän­dig. Die Poli­ti­ker ver­wen­den dort "Neu­sprech", um durch Euphe­mis­men Din­ge zu ver­harm­lo­sen und die Men­schen zu blen­den. So, wie wir bei dem Gehalt von Poli­ti­kern von Diä­ten spre­chen. Man müss­te mei­nen, dass sie ihre Gehäl­ter ver­schlan­ken, aber das ist nicht der Fall. Ich füh­le mich schon in gewis­ser Wei­se ver­ant­wort­lich dafür, was im Kon­text des Schutz­fak­tors von Euro­pa pas­siert. Es ist scha­de, dass ein Rechts­ruck durch Euro­pa geht und der Natio­na­lis­mus über­all aufkeimt.

Kong: Ich zitie­re Ador­no eigent­lich nicht ger­ne, aber er sag­te mal: "Du kannst nicht gesund in einer kran­ken Welt leben." Das sagt eigent­lich schon alles. Das Bewusst­sein dar­über ist kei­ne Erha­ben­heit, son­dern nur ein Umgang damit. Das ist das, was mich letz­ten Endes antreibt. Ein gesun­der Umgang mit sich selbst bedeu­tet auch, sich von sämt­li­chen Dog­men zu befrei­en. Dann kann man mit kla­ren Gedan­ken an die Din­ge gehen, um zu über­le­gen, was rich­tig oder falsch ist – auch gegen­über ande­ren Menschen.

Bene­lüx: Ich fin­de das super­schwie­rig, weil das Leben gene­rell eine Her­aus­for­de­rung ist. Man kann sich für alles Mög­li­che sen­si­bi­li­sie­ren – ob das Spra­che ist, die ande­re ver­letzt oder die nächs­ten grö­ße­ren Ebe­nen. Man kann sich immer die­se Fra­gen stel­len und sich über­le­gen, was man vom Leben will und wie man es leben will. Wie möch­te ich zu ande­ren sein? Wie sol­len mich ande­re wahr­neh­men? Das durch­zieht alles. Wenn einen eine Fra­ge umtreibt, redet man dar­über und dis­ku­tiert. Man erwischt sich abends in der Knei­pe, wie man wie­der über die­ses und jenes spricht und am nächs­ten Tag ste­hen wir trotz­dem alle auf und machen wei­ter mit dem All­tag. Trotz­dem ist es – glau­be ich – immer wich­tig, sich gegen­sei­tig zu erin­nern, für The­men zu sen­si­bi­li­sie­ren und dann gemein­sam Stel­lung zu bezie­hen und dabei einen kla­ren Kurs zu wäh­len. Aber das sind alles so gro­ße, schwe­re Wor­te. Am Ende des Tages ken­nen wir das ja: In einem ein­zel­nen Gespräch kann man all die­se The­men nicht klä­ren. Und es nutzt auch nichts, wenn wir – eine Grup­pe wei­ßer, hete­ro­se­xu­el­ler Män­ner – über irgend­wel­che Din­ge reden, in deren Mit­tel­punkt wir ste­hen, anstatt uns als Reprä­sen­tan­ten die­ses Pro­blems zu sehen.

MZEE​.com​: Zum Abschluss: Was steht in nächs­ter Zeit bei euch an? 

Kong: Es ist tat­säch­lich schon etwas in der Pipe­line, das über Bret­ter­bu­de und unse­re Netz­wer­ke kom­men wird: ein Album von Dig­gy Mac Dirt und mir. Es heißt "KD RATIO" und wird Anfang nächs­ten Jah­res kom­men. Grü­ße gehen an die­ser Stel­le an ihn raus. (lacht)

Rino Man­din­go: Von Haw­kO­ne und mir wird nächs­tes Jahr auch ein Album kommen.

Bene­lüx: Ja, schick' mal den Beat durch jetzt, Dicker­chen. Wir müs­sen uns da noch einigen.

Rino Man­din­go: Ja, dein Part ist der letz­te, Bene.

Bene­lüx: Das ist aber die­ses Mal nicht mei­ne Schuld. Und da ich eh gera­de rede, kann ich auch ver­ra­ten, dass ich im nächs­ten Jahr auf jeden Fall mit Haw­kO­ne eine EP drop­pe. Die ist auch schon auf einem guten Weg. Um nicht zu sagen: fast fer­tig. (lacht) Das Pro­blem ist, dass wir Bock haben, neue Solo-​Sachen zu machen, aber gleich­zei­tig schon wie­der neue Forcki9ers-​Sachen in der Pipe­line sind. Das ist die Gang. Das ande­re machen wir alles nebenbei.

Rino Man­din­go: Im Grun­de haben wir schon ein neu­es Album fer­tig und das ist sound­tech­nisch sehr breit auf­ge­stellt. Wir wer­den mal gucken, wie wir damit umge­hen. Wir haben wie­der viel gemacht und uns nicht so ein­ge­schränkt, was den Sound angeht.

Bene­lüx: Wir haben das Glück, mit Haw­kO­ne jeman­den zu haben, der alles bedie­nen kann und trotz­dem eine Hand­schrift hat. Das ist total abge­fah­ren. Der hat uns immer wie­der so Din­ger hin­ge­wor­fen, weil er Bock drauf hat­te. Gera­de jemand wie Kong springt dann wie ein klei­nes Äff­chen aufs Klet­ter­ge­rüst und sucht sei­nen sty­li­schen Weg. Es kom­men safe auch Sachen, die man von uns so noch nicht gehört hat.

(Alex­an­der Hol­len­horst & Yas­mi­na Rossmeisl)
(Fotos von Hen­rik P & Eddy Kruse)