Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Dein neues Album "A Taste of Honey" hat kürzlich den Bienenstock verlassen – eine Platte, deren Instrumentals deine liebsten Honigsorten repräsentieren sollen. Wenn du nur einen der Beats wählen dürftest, um jemandem das Album zu präsentieren, welcher wäre das?
Edward Sizzerhand: Das ist schwer zu beantworten. Ich finde, dass meine Musik, wie auch Honig, sehr stimmungsbezogen eingesetzt werden kann. Das Album ist sehr facettenreich. Es gibt Beats, die richtig nach vorne gehen wie zum Beispiel "Lavender" und "Colza", aber auch solche, die ziemlich chillig geworden sind wie "Alpinerose" oder "Sunflower". Für jede Stimmung ist was dabei … Um deine Frage aber zu beantworten: Ich finde "Basswood" am treffendsten. Es ist ein untypischer, abstrakter Beat im Dreivierteltakt auf einem ungewöhnlichen Album. Die ganze Platte ist etwas speziell. Beats, die man nach unterschiedlichen Geschmäckern baut, sind einfach etwas anders.
MZEE.com: Neben deinem neuen Album warst du bereits an einer Vielzahl anderer Produktionen beteiligt und hast unter anderem mit der legendären Crew Square One für Aufsehen gesorgt. Welches Werk würdest du empfehlen, um einen möglichst genauen Eindruck von deinem Schaffen zu erhalten?
Edward Sizzerhand: Die Liste ist lang, doch wird man vieles gar nicht mehr digital finden. Früher wurde ein DJ oft an seinen Tapes gemessen. Mixtapes, wie man sie damals genannt hat. Es war entscheidend, wie man die Tracks überblendet, gecuttet und vor allem auch, welche Songs man zusammengestellt hat, um einen Gesamteindruck des großen Ganzen zu präsentieren. Die Live-Performance bei Battles oder Shows hatte ebenfalls einen hohen Stellenwert. All das ist leider nicht mehr abrufbar. Es gibt aber auch Werke meiner damaligen Crew Square One, mit denen man einen guten Eindruck bekommt, welchen Sound und Anspruch wir damals hatten. Das Album "Walk of Life" ist da ein gutes Beispiel. Die Beats, Rhymes und Cuts sind zeitlos. Das kann man sich durchaus heute noch anhören. Darauf ist auch mein DJ-Track "Unorthodox", den man unter anderem als digitales Re-Release auf Spotify findet.
MZEE.com: Wie eben schon erwähnt, haben dich verschiedene Honigsorten zu den 14 Anspielstationen des Albums inspiriert. Wie genau transferiert man diesen Geschmack in Klänge? Wie hat Honig dich zu deiner Musik angeregt?
Edward Sizzerhand: Ich mache Musik schon sehr viel länger als Honig, daher kam mir der Gedanke erst während meiner Imkermeister-Ausbildung. Als Imker habe ich sehr viel mit Honigsensorik zu tun, weil es sehr viele unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt. Und das, obwohl die verschiedenen Sorten teilweise von denselben Bienenstöcken eingetragen werden. Da fand ich den Vergleich gar nicht so abwegig. Auch ich sitze vor meinen Kisten im Studio und mache unterschiedliche Beats, die unterschiedliche Stimmungen haben. Honig ist nicht nur süß. Es gibt Sorten, die sind würzig oder bitter, andere sehr blumig, erdig, fruchtig oder minzig-frisch. Wenn man diese Eigenschaften auf Musik projiziert, kann man die Beats schon gut in gewisse Geschmäcker packen. Es geht bei Honig auch nicht nur um den Geschmack – das Aussehen spielt ebenfalls eine große Rolle. Ein gutes Beispiel dafür ist der Beat "Forest" auf meinem Album. Die Sorte Forest beschreibt Waldhonig. Der Vergleich passt hier. Der Honig ist geschmacklich sehr intensiv, kräftig-würzig und hat eine sehr dunkle, edelbraune, rötliche bis leicht grünliche Farbe. Das beschreibt den Track schon ganz gut. Die Drums sind kräftig, die Horns am Anfang kommen ziemlich dunkel und düster und die Stimmung wechselt plötzlich intensiv in eine ganz andere Richtung.
MZEE.com: "A Taste of Honey" soll unter anderem auf das Bienensterben aufmerksam machen. Jeden Cent, den du damit verdienst, steckst du in die Aufzucht deiner Schützlinge im Zuge der Imkerei Sizzerbees. Hältst du es für wichtig, mit deiner Kunst auch eine übergeordnete Botschaft zu vermitteln?
Edward Sizzerhand: Für mich ist die Bienenzucht sehr wichtig. Sie spielt in der Tat eine übergeordnete Rolle in meinem Leben. Dieselbe Passion habe ich – nach wie vor – für die Musik. Als Imker bist du allerdings unterschiedlichen Gefahren ausgesetzt: klimatische Bedingungen, Pestizide in der Landwirtschaft, Parasitenbefall und andere Krankheiten. Daher kann man immer wieder mal Rückschläge erleben. Unabhängig davon, wie das Album jetzt läuft, werde ich meine Imkerei Sizzerbees weiter aufbauen und Bienenzucht betreiben. Ich finde nur, dass es wichtig ist, sich mit dem Thema Bienensterben auseinanderzusetzen. In Bayern war dieses Jahr das "Volksbegehren Artenvielfalt", bei dem sich viele Menschen erfolgreich beteiligt haben. Nun muss die Politik reagieren. Um selbst zu helfen, kann man regionale Imker mehr unterstützen. Sie halten schließlich die Bienen, die unsere regionalen Pflanzen bestäuben und leckeren Honig machen. Man muss keinen importierten Honig aus einem Plastiksqueezer im Supermarkt kaufen. "Buy Local – Eat Local & Save the Bees" ist die Botschaft!
MZEE.com: Du bist nicht nur Vollblut-Producer, sondern inzwischen auch studierter Imkermeister. Wenn du entscheiden müsstest, wofür dein Herz mehr schlägt: Beats oder Bees?
Edward Sizzerhand: Ich glaube, da muss man sich nicht entscheiden. Ich bin in beiden Bereichen sehr verzahnt und hänge da gerne mit drin, denn beides hat sich zu einer Art Berufung entwickelt. Die Bienensaison ist eher im Frühling und Sommer. Im Herbst und Winter sitze ich dann mehr im Studio und schraube an Beats. Bei den Bienen arbeitet man tagsüber. So kann man abends auch mal als DJ auflegen oder ein Beatset spielen. Wie du siehst, lässt sich das alles arrangieren. Ich glaube, viel schlimmer wäre es, keine Leidenschaft für etwas zu haben, das als Wegweiser für ein erfülltes Leben dienen kann. In dem Punkt habe ich einigen als Imker und Musiker doch etwas voraus. Übrigens bin ich auch Fußball- und Basketballfan und würde mich sehr schwertun, eines zu wählen. Am Samstag verfolge ich Fußball und unter der Woche auch gerne mal die NBA. Geht alles …
Edward Sizzerhand auf Instagram
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
Du bist der Meinung, Du oder jemand, den Du kennst, sollte sich unserem Soundcheck unterziehen? Wir freuen uns über Bewerbungen oder Empfehlungen mit dem Betreff "Soundcheck – *Künstlername*" an daniel@mzee.com.