Und wieder neigt sich ein prall gefülltes HipHop-Jahr dem Ende zu. Um es gebührend abzuschließen, stellten wir relevanten Persönlichkeiten der deutschen HipHop-Szene vier Fragen zu den vergangenen Monaten. Egal, ob Journalist, Rapper, Produzent oder andere, dem HipHop nahestehende Künstler – sie alle verraten uns ihre persönlichen Highlights aus 2019. Zudem beantworteten sie uns eine weitere Frage, um auch das vergangene Jahrzehnt noch einmal Revue passieren zu lassen. Somit lassen wir nicht nur ein einzelnes Jahr, sondern gleich eine ganze Dekade feierlich ausklingen. Wir wünschen unseren Lesern sowie allen Liebhabern und Protagonisten der Kultur eine besinnliche Weihnachtszeit.
Falk Schacht
MZEE.com: Welches Album aus diesem Jahr war dein absoluter Favorit?
Falk Schacht: Das beste Album des Jahres hat für mich KUMMER mit "KIOX" abgeliefert. Es ist so schmerzhaft, wie sehr seine Punchlines den Nagel auf den Kopf treffen und trotzdem jeder weitermacht, als wäre alles egal. Neben KUMMER gab es natürlich noch viel mehr Soundtracks zum Untergang: von Ulysse, Morlockk Dilemma, MC Rene, Fatoni, Johnny Rakete oder Flowin IMMOs "FILMMM".
MZEE.com: Und wer ist deine Persönlichkeit des Jahres der deutschen Rapszene?
Falk Schacht: Der MC ist weiblich. Das sind alle Frauen in der Szene, die in den letzten Monaten dafür gesorgt haben, dass ihre Sichtbarkeit erhöht wird. Im Speziellen würde ich da das Projekt "365 Female MCs" von Lina Burghausen von der Agentur Mona Lina hervorheben wollen. Das ist purer HipHop. Sie wusste etwas besser und hat es dann einfach gemacht.
MZEE.com: Von welchem Newcomer 2019 wird man in den nächsten Jahren noch viel hören?
Falk Schacht: Von Ulysse, Kwam.E, Felly, JACE, Donvtello, Tightill und einigen anderen wird noch vieles kommen.
MZEE.com: Welche Empfehlung aus dem Jahr 2019 kannst du unseren Lesern vor Ende des Jahres noch geben?
Falk Schacht: Meinen neuen Podcast mit Niko BACKSPIN, der "Rap ist Kampfsport" heißt, würde ich ganz uneigennützig empfehlen.
MZEE.com: Mit 2019 endet auch gleichzeitig eine Dekade. Was waren deine liebsten drei Alben aus den 2010er Jahren?
Falk Schacht: Caspers "XOXO" und Marterias "Zum Glück in die Zukunft". Deutscher Rap liegt am Boden und ist ideenlos as fuck. Diese beiden haben dabei geholfen, Deutschrap den Stock aus dem Arsch zu ziehen und die Kreativität und Lockerheit zurückzubringen. Audio88 & Yassins "Normaler Samt" zeigt auf beeindruckende Art und Weise, wie man sich vom Underground Act zu einem renommierten Künstler entwickeln kann, ohne dabei seine künstlerische Integrität zu verlieren. Niemand würde sagen: Früher war alles besser. Es war nur anders. Tonnen von Underground-Alben namenloser MCs oder einzelne Tracks, die einfach dope sind. Ich höre sehr viel Musik von Newcomern, weil sie am spannendsten ist. Sie haben nichts zu verlieren und trauen sich einfach mal, was zu machen. Das sind tausende Namen, die ich hier nicht unterbringen kann, ohne mit Excel-Dateien zu arbeiten.
Jule Wasabi
MZEE.com: Welches Album aus diesem Jahr war dein absoluter Favorit?
Jule Wasabi: Mein absoluter Favorit ist "Geist" von OG Keemo und Funkvater Frank. Ich finde, das ist einfach das krasseste Album.
MZEE.com: Und wer ist deine Persönlichkeit des Jahres der deutschen Rapszene?
Jule Wasabi: Das ist für mich KeKe, weil: Frauen an die Macht! Ich find' die einfach mega, das ganze Body Positivity-Ding. Die Features auf der Trettmann- und der KUMMER-Platte waren auch stark. Sie ist für mich ein absolutes Vorbild und ich lieb' sie total.
MZEE.com: Von welchem Newcomer 2019 wird man in den nächsten Jahren noch viel hören?
Jule Wasabi: Yung Kafa & Kücük Efendi. Ich mag den Sound von denen und finde das ganze Artwork krass. Ich kann total verstehen, dass Ufo361 das jetzt aufgegriffen hat. Die beiden legen einfach einen heftigen Job hin und deshalb ganz viel Liebe für die.
MZEE.com: Welche Empfehlung aus dem Jahr 2019 kannst du unseren Lesern vor Ende des Jahres noch geben?
Jule Wasabi: Den Part von Mikesh gegen Yarambo im Titlematch von Don't Let the Label Label You. Ich habe das auch vor einigen Wochen auf meinem Instagram-Account geteilt, weil ich es so stark finde, wie er sich einsetzt und Battlerap auf eine neuere, moderne Ebene hebt. Mir fehlen die Worte. Ich finde, das ist einer der krassesten Battlerap-Parts, die ich je gehört habe. Dass Mikesh da etwas schafft, was vorher in der Form noch keiner geschafft hat: eine lyrische Zerberstung auf einem Level, das endlich mal modern ist – und endlich mal Themen aufgreift … Er setzt sich als Mann so für Frauenrechte ein, das finde ich ultrakrass. Das sollte jeder gesehen haben.
MZEE.com: Mit 2019 endet auch gleichzeitig eine Dekade. Was waren deine liebsten drei Alben aus den 2010er Jahren?
Jule Wasabi: Das war für mich wahrscheinlich die wichtigste Deutschrap-Dekade in meinem Leben. 2012 habe ich mit Rap-Interviews angefangen und deshalb würde ich auf jeden Fall das Album, zu dem ich mein allererstes Deutschrap-Interview geführt habe, wählen: Das ist "Ganz oben" von K.I.Z. Mit dem hat für mich alles angefangen. Deshalb hat es für mich eine ganz persönliche Bedeutung. Ich fand das Album einfach krass, wobei mir eigentlich "Urlaub fürs Gehirn" noch besser gefallen hat. Trotzdem nehme ich wegen der persönlichen Bedeutung "Ganz oben". Das zweite ist die "Die Welle" von Lance Butters und Ahzumjot aus 2016. Diese Platte ist so gut und die beiden in der Kombination sind megastark. Ich höre das auf jeden Fall noch monatlich, obwohl es schon fast vier Jahre alt ist. Als ich das erste Mal den Track "Die Welle" gehört habe, bin ich in der Bahn nicht drauf klargekommen, dass deutscher Rap so gut sein kann. Für mich ist das auch einer der stärksten Songs, die es jemals im deutschsprachigen Rap gegeben hat. Damit stehe ich wahrscheinlich allein auf weiter Flur, weil es nie so als Favorit genannt wurde, aber das ist einer meiner Lieblingstracks und auch eins meiner liebsten Alben. Als drittes wähle ich eine Platte, die wahrscheinlich alle in ihre Favoriten packen würden: "DIY" von Trettmann. Ich hör' das so oft und finde es heftig, was er da geschafft hat. Für mich hat er Deutschrap dadurch auf eine neue Ebene gehoben, auch zusammenführend. In den ganzen Gangsterrap-Zeiten, in denen ich auch lange steckte, ist "DIY" für mich so eine Art neue Erlösung gewesen. Ein krasser Sound von Kitschkrieg, der ganz anders ist als das, was man zu dem Zeitpunkt kannte. Ich finde, dass Trettmann vor allem mit "Grauer Beton", aber auch mit ganz vielen anderen Tracks auf dem Album, neue Standards gesetzt hat. Und vor allem freue ich mich, dass er damit so ein Revival feiern konnte. Ich will jetzt nicht sagen, einen zweiten Frühling, weil es ja eigentlich sein Durchbruch war … Aber mal ganz weg von mir, meinen persönlichen Erlebnissen und meinem Gusto zu dem Album, ist es einfach heftig, dass er sich damit das Märchen selbst erfüllt hat. Deswegen gönne ich ihm das total. Immer noch ein krankes Album und ganz viel Liebe an Trettmann.
(Anna Eberding & Laila Drewes)
(Foto von Sandra Müller (Falk Schacht) & Oğuz Yilmaz (Jule Wasabi))
(Grafik von Daniel Fersch)