"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Eigentlich bin ich so gar nicht für poplastigen Rap zu haben. EDM-ähnliche Melodien, ungewöhnlich viel Gesang und nicht genügend Substanz. Eigentlich. Aber 2014 stieß ich auf den Wahl-Gießener Cameo und sein – nach wie vor einziges – Release "Planlos". Diese EP ist Raop durch und durch, ging mir allerdings direkt ins Ohr und bis heute nicht mehr raus. Aus gutem Grund.
Cameo war damals gerade 19 und noch nicht lange am Mic, doch nichts von beidem merkt man ihm auf der Platte an. Gleichzeitig beweist er sein Können als Producer, denn fünf von sechs Tracks sind selbst produziert. Die Instrumentals finden dabei genau das richtige Mittel zwischen elektronisch angehauchten Beats, jazzigen Samples und Klaviertönen. Damit schaffen Cameo und Gastproduzent Stiff.Scratch einen eingängigen Gute-Laune-Vibe, der selbst die weniger fröhlichen Tracks passend umrahmt. Weniger fröhlich in dem Sinne, dass der junge Rapper auf der EP für sein damaliges Alter typische Themen behandelt. So geht es zum Beispiel um die Planlosigkeit, die viele zwischen Schulabschluss und dem, was danach kommt, erfahren. Der Künstler setzt sich mit dem Yolo-Lebensmotto ebenso kritisch auseinander wie mit dem Davonrennen vor der eigenen Vergangenheit. Besonders beeindruckend ist dabei der dritte Track, auf dem das lyrische Ich von der Beziehung mit seiner "Muse" erzählt. Denn dieser stellt sich gleichzeitig als Konfrontation mit der eigenen Prokrastination heraus. Doch als wäre dieses Gespür für Beats und Texte noch nicht genug, schafft Cameo es außerdem, gleichermaßen routiniert zu rappen und enorm eingängige Hooks zu singen.
Kurzum entpuppte sich Cameo für mich als wahres Multitalent. Zwar sind die Themen nach dem eigenen Älterwerden nicht mehr so ansprechend wie damals, doch nach wie vor ist "Planlos" ein starkes Release. Obwohl es klar Raop ist, geht es mir gut ins Ohr, weil es aufgrund der intelligenten sprachlichen Bilder frei von Plattitüden ist. Schade, dass man von Cameo seitdem nichts mehr gehört hat …
(Lukas Päckert)