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Interview

Sorgenkind

"Den Frau­en, die das nicht akzep­tiert haben, hat man nicht zuge­hört und die haben sich auch nicht immer getraut, etwas zu sagen." – Sor­gen­kind im Inter­view über Frau­en­feind­lich­keit im deut­schen Rap, das Ein­schla­gen fal­scher Wege und sei­ne aktu­el­le EP "Voll geil hier".

Ob Rap, Rock oder Pop Niko Haug, auch bekannt als Sor­gen­kind, ist ein Mann, dem man vor allem eines unter­stel­len kann: Facet­ten­reich­tum. Auch sei­ne aktu­el­le EP "Voll geil hier" lässt sich kei­nes­falls auf ein Gen­re limi­tie­ren. Abseits der Plat­te zeigt er auf Tour bei der er selbst auf den kleins­ten Kon­zer­ten von sei­ner Live-​Band beglei­tet wird was für eine wich­ti­ge Rol­le die Musik in sei­nem Leben spielt. Was das für sei­nen Wer­de­gang zu bedeu­ten hat­te, wie er das The­ma Sexis­mus frü­her und heu­te wahr­ge­nom­men hat und wie er es schafft, Erfolgs­druck ent­ge­gen­zu­steu­ern, haben wir bei einem aus­gie­bi­gen Gespräch mit ihm erfahren. 

MZEE​.com: Lass uns zu Beginn einen Blick in die Ver­gan­gen­heit wer­fen: Im Intro eines RBA-​Battles von 2004 sag­te Kol­le­gah über dich, dass dein dama­li­ges Pseud­onym "Nug" für ihn kei­nen Sinn erge­be. Hat­te es denn einen?

Sor­gen­kind: Ja, das "N" stand für mei­nen Vor­na­men und das "UG" für die letz­ten Buch­sta­ben mei­nes Nach­na­mens. Also, wenn man so will, ergibt das Sinn … Aber dass ich mir die­sen Namen als Künst­ler­na­men gege­ben habe, ergibt im Nach­hin­ein für mich auch kei­nen Sinn. (lacht)

MZEE​.com: Des­we­gen dann auch die Namensänderung?

Sor­gen­kind: Genau. Zu der Zeit gab es den Namen Sor­gen­kind sogar schon. Ich woll­te mich nur nicht so nen­nen, weil das trau­rig klang. Als ich dann gemerkt habe, wie trau­rig ich bin, dach­te ich mir: Dann ist der Name halt auch trau­rig. (lacht) Nee, mei­ne Eltern und Leh­rer haben mich frü­her schon so genannt und das war dann mei­ne Art der Ver­tei­di­gung. Ich nen­ne mich so, dann tut's mir nicht mehr weh.

MZEE​.com: Wie sind dei­ne Eltern und Leh­rer dar­auf gekommen?

Sor­gen­kind: Mei­ne Leh­rer haben mei­ne Eltern dar­auf gebracht. Das war tat­säch­lich auch nur ein Eltern­abend, an dem mich drei Leh­rer unab­hän­gig von­ein­an­der Sor­gen­kind genannt haben. Mei­ne Eltern haben mich damit kon­fron­tiert und da war der Name dann gebo­ren. Ich war halt 15 oder 16, als ich ange­fan­gen habe, zu rap­pen. Der typi­sche Schü­ler, der viel Poten­zi­al hat und könn­te, aber nichts macht. Vor Kur­zem hat­te ich einen Auf­tritt in Bay­reuth und die Loca­ti­on war genau dort, wo wir in der Schu­le frü­her immer geraucht haben. Das war ein rich­ti­ger Flash­back. Ja, da ent­stand der Name Sorgenkind.

MZEE​.com: Du hast vor eini­ger Zeit dein Pro­jekt "Voll geil hier" ver­öf­fent­licht. Zwi­schen die­sem und dei­ner letz­ten EP "Som­mer­loch" lie­gen mehr als vier Jah­re. Wie­so war zwi­schen dei­nen Releases eine so gro­ße Zeit­span­ne und woher kam die Moti­va­ti­on, wie­der Solo-​Musik aufzunehmen?

Sor­gen­kind: Nach "Som­mer­loch" soll­te es eigent­lich direkt wei­ter­ge­hen und es sind in der Zwi­schen­zeit auch vie­le Sachen ent­stan­den. Ich hat­te ein Album rum­lie­gen, habe mich aber blö­der­wei­se dazu ent­schie­den, auf den rich­ti­gen Moment mit Geschäfts­men­schen zu war­ten. Die­ser Moment kam lei­der nie und irgend­wann habe ich gemerkt, dass jetzt zwei Jah­re ver­gan­gen sind und ich die gan­ze Zeit auf Leu­te war­te, die mich nur warm­hal­ten, obwohl ich die gan­ze Zeit Mucke gemacht habe. Am liebs­ten hät­te ich schon viel frü­her etwas rausgebracht.

MZEE​.com: Ist die Musik inzwi­schen dein Fulltime-​Job oder machst du noch etwas ande­res nebenher?

Sor­gen­kind: Ein, zwei Jah­re kann ich das jetzt Voll­zeit machen und neben­bei stu­die­re ich Ton­tech­nik. In die­sem Stu­di­um sehe ich eine klei­ne Alter­na­ti­ve bezie­hungs­wei­se beruf­lich auch noch ein zwei­tes Stand­bein. Soll­te es dar­auf hin­aus­lau­fen, dass ich mich nur auf die Musik kon­zen­trie­ren kann, wer­de ich das auch tun, solan­ge es geht. Ich bin da ein "Ganz oder gar nicht"-Mensch. Wenn ich einen ande­ren Job habe, kom­me ich nicht zum Musik­ma­chen und wenn ich Musik mache, gehe ich nicht neben­bei arbei­ten. Das geht bei mir irgend­wie nicht, des­we­gen mache ich das jetzt erst mal und dann che­cke ich, wie das läuft.

MZEE​.com: Spürst du auch Erfolgs­druck oder denkst du dir: "Wenn das nicht klappt mit der Musik, stür­ze ich mich ein­fach voll­kom­men in mein Studium"?

Sor­gen­kind: Ich ver­su­che, mich da mög­lichst frei von zu machen. Natür­lich spürt man den Erfolgs­druck, aber es lei­det auch die Musik dar­un­ter, wenn man sich davon nicht frei macht. Oft genug muss ich über­le­gen: Wofür mach' ich das? War­um mach' ich das? Mach' ich das, weil ich Erfolg haben will? Weil es mir Spaß macht? Es liegt auch in mei­ner Natur, dass ich mit dem, was ich tue, Erfolg haben will und Druck ver­spü­re. Man merkt das dann in den ruhi­gen Minu­ten, zum Bei­spiel kurz vor dem Ein­schla­fen. Aber eigent­lich will ich auch nur Mucke machen.

MZEE​.com: Sorgt die­ser Druck bei dir für Blo­cka­den? Oder ver­hin­derst du das, indem du dir dein zwei­tes Stand­bein aufbaust?

Sor­gen­kind: Das zwei­te Stand­bein habe ich mir vor allem auf­ge­baut, indem ich kauf­män­ni­sche Aus­bil­dun­gen gemacht habe. Aber das ist über­haupt nicht meins und ich will das nie wie­der machen. Die Aus­bil­dung an sich war rich­tig schreck­lich. Ich habe aber auch ein hal­bes Jahr im Lager gear­bei­tet und bin Gabel­stap­ler gefah­ren, das war rich­tig geil. Also das wür­de ich immer wie­der machen. (lacht) Das Schlim­me war eigent­lich nur, dass ich danach mein Abi nach­ge­holt habe und alles auf dem Wirt­schafts­zweig auf­bau­en woll­te. Irgend­wann habe ich gemerkt, dass das die kom­plett fal­sche Rich­tung ist. Ich habe aber wei­ter gemacht, weil ich eh schon dabei war. Als ich dann im ers­ten Semes­ter Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten saß und die Sachen zum drit­ten Mal gehört habe, dach­te ich mir: "Hey, kein Bock mehr, ich mach' jetzt Mucke und schau', was dar­aus wird." In der Zeit fand das VBT statt und ich hat­te eini­ge Auf­trit­te mit 3Plusss zusam­men. Bis dahin hat­te ich eigent­lich ein rela­tiv geord­ne­tes Leben, einen ziem­lich lücken­lo­sen Lebens­lauf und damit fing es dann an. Dann kamen erst mal ein paar Jah­re, in denen ich super lei­den­schaft­lich Musik gemacht habe, aber auch über­haupt kei­ne Koh­le hat­te, kei­nen Strom und sowas. Und da habe ich gemerkt: So geht's halt auch nicht. Ich habe mega­lan­ge gebraucht, um mich zu fan­gen. Ich fal­le sehr schnell in Löcher. Aber wäh­rend ich mei­ne Mucke gemacht habe, habe ich mei­ne Sachen auch immer sel­ber abge­mischt. Irgend­wie war das Inter­es­se an der Ton­tech­nik schon da. Und das ist mein Kom­pro­miss, dass ich, wenn es mit der eige­nen Mucke nicht läuft, durch die Tech­nik drum­her­um noch etwas mit Musik machen kann. Aber das ist auch etwas, das sich gegen­sei­tig befruch­tet. Ton­tech­nik­sa­chen sind immer prak­tisch, um sich selbst zu hel­fen zu wissen.

MZEE​.com: Aber wie ist die­ses Loch ent­stan­den? Dadurch, dass sich dei­ne Musik nicht eta­bliert hat oder nicht ren­ta­bel genug war?

Sor­gen­kind: Ich habe mit­ten­drin gemerkt, dass ich auch wei­ter Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten hät­te stu­die­ren kön­nen und alles neben­ein­an­der funk­tio­niert hät­te. Wie schlimm ich die­ses gan­ze Wirt­schafts­zeug fand, hat­te ich nicht mehr vor Augen. Dass es sich zu die­sem Zeit­punkt finan­zi­ell noch nicht ren­tiert, war mir eigent­lich von vorn­her­ein klar. Ich habe es halt falsch her­um gemacht. Ich habe erst das Stu­di­um geschmis­sen und dann mal geguckt, anstatt mich erst zu ori­en­tie­ren und dann das Stu­di­um zu schmei­ßen. Aber ey, mein Leben ist vol­ler sol­cher Ent­schei­dun­gen. Das ist Sorgenkind.

MZEE​.com: Wir wür­den ger­ne noch mal auf dein aktu­el­les Release ein­ge­hen, das vor allem in den Hooks wie­der rela­tiv Pop-​lastig gewor­den ist. In Deutsch­land ist Pop-​Musik häu­fig als inhalts­leer ver­schrien. Siehst du das ähn­lich oder kannst du deut­scher Pop-​Musik mehr abgewinnen?

Sor­gen­kind: Es gibt natür­lich die Musik, die man als inhalts­leer bezeich­nen kann. Es gibt aber defi­ni­tiv auch ande­ren Pop. Zum Bei­spiel habe ich sehr viel und ger­ne Clue­so gehört, der ist für mich genau das Gegen­teil und inhalt­lich ziem­lich groß. Und das ist auch eher das, wo ich hin will. Inhalts­leer geht für mich gar nicht. Der Text stand für mich stets im Vor­der­grund, aber pop­pig war ich auch schon immer. Das ist der Spa­gat, den ich schaf­fen will. Gene­rell ist Pop halt Berie­se­lung: das, was man im Radio und neben­her lau­fen lässt. Aber ich fin­de, es ist mög­lich, guten Pop mit tie­fen Tex­ten zu schrei­ben – wie jetzt ein Clue­so bei­spiels­wei­se. Er ist für mich das Gegenbeispiel.

MZEE​.com: In den letz­ten Jah­ren haben sich vie­le neue Mög­lich­kei­ten auf­ge­tan und die Musik­bran­che hat sich extrem ver­än­dert. Der Fokus liegt inzwi­schen eher auf Strea­ming­zah­len und YouTube-​Klicks. Gab es da Ent­wick­lun­gen, die dei­ne nor­ma­le Her­an­ge­hens­wei­se an die Musik ver­än­dert haben?

Sor­gen­kind: Also, mit Auto­tu­ne wer­de ich nicht warm. Ich mag Auto­tu­ne, das ist ein gutes Plug-​In, das man auf Hin­ter­grund­stim­men legen kann. Bei mir selbst kann ich mir es aber ein­fach nicht vor­stel­len. Ich brau­che es noch ein Stück­chen orga­ni­scher und mit Band. Was nicht hei­ßen soll, dass frü­her alles bes­ser war.

MZEE​.com: Glaubst du nicht, dass gera­de bei dei­ner facet­ten­rei­chen Musik Strea­ming­platt­for­men die Mög­lich­keit mit sich brin­gen, mehr poten­zi­el­le und ver­schie­de­ne Hörer anzu­spre­chen? Du bist ja eher in der HipHop-​Szene bekannt, aber den­noch in der Deutschpop-​Playlist von Spo­ti­fy zu finden. 

Sor­gen­kind: Für mich gab es da eigent­lich nie so die Gren­ze. Ich war auch nie der­je­ni­ge, der die HipHop-​Fahne krass hoch­ge­hal­ten hat. Ob ich jetzt unter Pop oder Hip­Hop auf­ge­führt wer­de, juckt mich erst mal gar nicht so sehr. Ich höre immer noch Rap, beim Tex­ten fühlt sich das auch immer noch nach Rap an. Aber wie es dann von außen wahr­ge­nom­men wird, ist mir vor allem dadurch, dass gera­de alles gesun­gen und geau­totunt wird gar nicht mehr so wichtig.

MZEE​.com: Fühlst du dich noch als Teil der Szene?

Sor­gen­kind: Na ja … (über­legt) Es fällt mir schwer, das zu behaup­ten. Ich gehe immer noch ger­ne zum splash!, ich bin ger­ne mit den Leu­ten unter­wegs. Die­je­ni­gen, die ich kann­te, fei­er' ich immer noch, aber ich war ja auch nie so krass Teil der Szene.

MZEE​.com: Man kann ja auch als Fan Teil der Sze­ne sein.

Sor­gen­kind: Als Mensch klar, da füh­le ich das immer noch. Ich ver­ste­he mich mit Hip­Hop­pern mehr als mit irgend­wel­chen Pop-​Leuten, natür­lich. Aber es ist jetzt nicht so, als wür­de ich dar­auf bestehen, in einer HipHop-​Playlist auf­zu­tau­chen. Auf der EP sind pop­pi­ge Sachen, aber auch Songs, die auf älte­re Releases gepasst hät­ten. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich jetzt krass von Hip­Hop weg ent­wi­ckelt hätte.

MZEE​.com: In den ver­gan­ge­nen Mona­ten ist meh­re­ren Rap­pern Sexis­mus und Gewalt gegen­über Frau­en vor­ge­wor­fen wor­den. Du hast dich in einem Tweet kri­tisch zu den Künst­lern und HipHop-​Medien geäu­ßert. Was stört dich an dem aktu­el­len Umgang mit die­sem The­ma und was wür­dest du dar­an ändern wollen?

Sor­gen­kind: Der Tweet war ja teil­wei­se falsch, weil es finan­zi­ell wirk­lich kei­nen Sinn ergibt, sich die­sen Kanz­lei­en ent­ge­gen­zu­stel­len, das ver­ste­he ich. Im Nach­hin­ein stört mich aber, dass man das gan­ze The­ma noch wei­ter pro­mo­tet, weil man es dadurch ja offen­sicht­lich unter­stützt. Da könn­te man ein Zei­chen set­zen. Man wird von kei­nem Anwalt ange­mahnt, dass man die nächs­te Sin­gle pos­ten muss. Das fin­de ich ein biss­chen schwach, das geht auch über Hip­Hop hin­aus. Man soll­te eigent­lich gar nicht dar­über reden müssen.

MZEE​.com: Inwie­fern kön­nen männ­li­che Künst­ler etwas bewir­ken? Natür­lich ist es zum einen die Auf­ga­be der Medi­en, aber Künst­ler sind näher an den Hörern und haben eine Vor­bild­funk­ti­on. Sie könn­ten Din­ge kri­tisch hin­ter­fra­gen oder bewusst ändern und Frau­en sup­port­en. Nicht nur Rap­pe­rin­nen, son­dern auch Fans, Pro­mo­te­rin­nen, Jour­na­lis­tin­nen und so weiter.

Sor­gen­kind: Also, die betref­fen­den Künst­ler könn­ten sich in die­ser Bezie­hung erst mal ändern, das wäre wahr­schein­lich das Wich­tigs­te. Dass Men­schen, die so etwas schon gemacht haben, sich vor­erst dafür ent­schul­di­gen. Ich fand den Track von den Orsons ganz geil, bei dem sie pein­li­che Sachen aus der Ver­gan­gen­heit reflek­tiert haben. Es ist gene­rell cool, sich im Nach­hin­ein ein­fach mal von alten Tex­ten zu distan­zie­ren und zu sagen: "Ich habe sol­che Tex­te geschrie­ben und dum­me Din­ge gemacht, aber ich will damit nichts mehr zu tun haben und schä­me mich dafür." Dazu kommt, dass man erst mal in einen Dia­log tre­ten soll­te. Das wür­de viel­leicht schon voll­kom­men rei­chen, statt die Situa­ti­on her­un­ter­zu­spie­len und die Vor­wür­fe mit der Unschulds­ver­mu­tung abzutun.

MZEE​.com: Hast du Lines, die du bereust und so heu­te nicht mehr brin­gen würdest?

Sor­gen­kind: Vie­le Sachen vom "Welt­ret­ter auf Jobsuche"-Album wür­de ich so nicht mehr sagen. Ich hat­te letz­tens einen Auf­tritt auf mei­ner Tour, bei dem ich zwei Lie­der von dem Album gespielt habe, unter ande­rem den Song "Son­ne scheint für dich". Da geht es um mei­ne Frau und ich beschrei­be sie als wun­der­schön und so. In der Hook ist dann die Auf­lö­sung, dass sie High Heels trägt und im Boden steckt. Und das war frü­her ein­fach so ein Witz. Hin­ter­her habe ich mit­be­kom­men, wie dar­über gespro­chen wur­de, dass der Text sexis­tisch sei. Ich habe dann erst mal ange­fan­gen, über mei­ne alten Sachen nach­zu­den­ken, bin aber bis­her zu kei­nem Ergeb­nis gekom­men, was den Song angeht, weil ich mir frü­her null Gedan­ken über sowas gemacht habe. Aber klar, auch in Batt­les … oh mein Gott. Es gibt auf jeden Fall eini­ge Tracks und Batt­les, bei denen das so ist.

MZEE​.com: Siehst du denn einen Unter­schied zwi­schen einem Batt­le und einem Track, den du auf CD raus­bringst und der dann auch ver­ewigt ist?

Sor­gen­kind: Gute Fra­ge … Für mich ist ein Batt­le irgend­wie ver­gäng­li­cher, aber gesagt ist gesagt. Ich glau­be, da geht es ein­fach gene­rell dar­um, dass man vie­les frü­her nicht auf dem Schirm hat­te und sich vor Augen füh­ren soll­te. Ich schä­me mich für einen pein­li­chen Battle-​Text genau­so wie für einen Track.

MZEE​.com: Der Batt­le­sze­ne wird häu­fig vor­ge­wor­fen, sehr frau­en­feind­lich zu sein, was es den Frau­en schwe­rer macht, sich dort zu eta­blie­ren. Wie hast du das damals empfunden?

Sor­gen­kind: Ich habe schon mit­be­kom­men, dass damals eini­ge Frau­en dabei waren und akzep­tiert haben, dass das so läuft, aber ich habe mir frü­her viel zu weni­ge Gedan­ken dar­über gemacht. Das "Mile of Style" war der Treff­punkt für die gesam­te Battlerap-​Szene, da waren Trai­ler­park, JAW und so wei­ter dabei. Dort waren sowohl Män­ner als auch Frau­en und man hat­te schon das Gefühl, dass die­se das auch fei­ern. Aber nur, weil sie das akzep­tie­ren, ist es nicht nötig, dass man so abwer­tend über Frau­en spricht. Es ist kein not­wen­di­ges Stil­mit­tel, ohne das nichts mehr mög­lich ist. Und den Frau­en, die das nicht akzep­tiert haben, hat man nicht zuge­hört und die haben sich auch nicht immer getraut, etwas zu sagen.

MZEE​.com: Glaubst du, dass man in der HipHop-​Szene eine Atmo­sphä­re schaf­fen kann, in der sich alle Frau­en unab­hän­gig von ihrer Rol­le wohl­füh­len, um ihnen das Spre­chen über nega­ti­ve Erfah­run­gen zu ermög­li­chen? Sodass etwas Ähn­li­ches wie eine -Debat­te statt­fin­den kann.

Sor­gen­kind: Ich fin­de es gut, dass von rap​.de der ers­te Ver­such gemacht wur­de, das zu unter­stüt­zen. Man soll­te den­je­ni­gen, denen so etwas pas­siert, auf jeden Fall das Gefühl geben, dass es genug Leu­te gibt, die einen auf­fan­gen und zuhö­ren und dass es nicht nur ein Medi­um ist, son­dern vie­le Rap­per und Medi­en mit­zie­hen. Sie kön­nen davon erzäh­len und man lacht sie nicht aus, man glaubt ihnen und hört ihnen zu. Das ist ja das, wovor vie­le die größ­te Angst haben, dass sie nicht ernst genom­men wer­den, vor Vic­tim Bla­ming. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt, aber es ist schlimm, dass sich so vie­le nicht trau­en, dar­über zu reden. Der Sup­port wäre wich­tig. Das war auch das, was mich bei mei­nem Tweet so auf­ge­regt hat, dass man das Pro­blem sieht und dann gar nichts macht.

MZEE​.com: Um das The­ma abzu­schlie­ßen und noch etwas Schö­nes dar­aus zu gewin­nen: Gibt es bestimm­te Frau­en, die du ger­ne sup­port­en wür­dest und die dei­ner Mei­nung nach zu wenig Auf­merk­sam­keit bekommen?

Sor­gen­kind: Frü­her in der RBA gab es Miss Spit­ty. Bei der fand ich es immer mega­scha­de, dass sie nicht mehr Auf­merk­sam­keit bekom­men hat. Was die­se Debat­te jetzt angeht, ist Lady Bitch Ray immer voll am Start und pos­tet auch ziem­lich viel. Ich fin­de das echt nicht schlecht, was sie schreibt, der soll­te man auf jeden Fall mal zuhören.

(Sven Aum­il­ler & Yas­mi­na Rossmeisl)
(Fotos: Ben Baumgarten)