Twit One
Twit One ist einer der umtriebigsten Beat-Produzenten des Landes. Dabei hat er seit Ende der 00er-Jahre nicht nur etliche Instrumental-Alben unter seinem eigenen Namen veröffentlicht – es befinden sich auch diverse Kollabo-Projekte mit verschiedenen MCs und Sängern in seiner Diskografie. Sieht man sich die Szene seiner Heimatstadt Köln an, so ist es nicht verwunderlich, wie beschäftigt Twit ist. Denn in der Metropole am Rhein floriert die Kunst des Beatbauens seit etlichen Jahren wie sonst kaum wo. Wir trafen uns mit dem Mitbesitzer des Groove Attack Recordstores, um ihm unter anderem Geheimtipps in Sachen Beat-Kultur zu entlocken und ihn zu seinen vielen Pseudonymen zu befragen.
MZEE.com: Zum Einstieg möchten wir gerne mit dir über die Beat-Kultur auf Festivals sprechen. Nur selten gibt es eine eigene Beat-Stage, die quasi gleichwertig neben den anderen Bühnen steht. Wie wichtig sind Veranstaltungen, bei denen das der Fall ist, für die deutsche Szene?
Twit One: Es ist auf jeden Fall toll für die Produzenten, auch mal ein wenig in den Vordergrund gerückt zu werden, anstatt immer nur Beiwerk zu sein. Natürlich gibt es auch genug introvertierte Produzenten, die da keinen Bock drauf haben. Aber für alle, die ihren Shit auch solo feiern wollen und auf diese Art ein bisschen was dazuverdienen können, ist das doch toll.
MZEE.com: Fehlt dir so etwas auf den meisten Festivals?
Twit One: Ich spiele eigentlich gar nicht so oft auf Festivals. Ein-, zweimal im Jahr – und dann eher weniger klassische HipHop-Festivals. Prinzipiell ist es aber cool, dass es da eine kleine Szene von Leuten gibt, die das feiern. Bei manchen Events tanzen und bouncen echt viele Leute zu unserer Musik. Die feiern einfach und haben Spaß. Es ist wirklich schön zu sehen, wie locker sich Leute zu instrumentaler Musik machen können. Daher ist es wünschenswert, dass Beats auch auf anderen Festivals präsenter werden. Ich kann mich auch an Zeiten erinnern, als es ungewöhnlich war, ein reines Beatset zu spielen.
MZEE.com: Wann hat sich das für dich verändert?
Twit One: Vor knapp zehn Jahren ging das für mich persönlich los. Da kamen langsam immer mehr Anfragen dahingehend an – kleine Sets, dann Club-Voracts und irgendwann später Festivals. Es ist schön zu sehen, dass das mehr Anklang findet. Aber viele Produzenten wollen das halt auch nicht. Flo Filz zum Beispiel: Der macht die krassesten Beats, aber ist privat eher "verhuscht" unterwegs. Obwohl das natürlich voll sympathisch ist! Nur sind viele Producer eben diese Backroom-Smoker-Typen, wie man sie sich auch vorstellt – und keine Rampensäue.
MZEE.com: Mal als völliger Laie gesprochen: Wie geht man damit um, wenn mal ein Beat gar nicht ankommt? Änderst du dein Set spontan ab oder ist das festgelegt für dich?
Twit One: In der Regel merkt man sich einfach: "Den nächsten Beat lässt du eher stecken." Das weiß man nach der Zeit einfach. Als ich mein Set für die Tapefabrik zusammengestellt habe, musste ich feststellen, dass die meisten meiner Beats eher ruhig sind und ich nur ein, zwei Banger pro Platte habe. Nachdem ich aber auf über zehn Alben Output zurückgreifen kann, konnte ich mir ein clubtaugliches und gutes Set zusammenstellen.
MZEE.com: Die Szene deiner Heimatstadt Köln hat einen besonderen Stellenwert im Instrumental-Kosmos. Kannst du uns als Außenstehende kurz erzählen, wer deiner Meinung nach die wichtigsten Wegbereiter in der Kölner Beat-Szene waren?
Twit One: Als ich angefangen habe, hatten wir nicht so viele Vorbilder. Köln ist natürlich eine Millionenstadt und mittlerweile läuft man sich ständig über den Weg. Es ist kaum möglich, einfach mal ein Bierchen trinken zu gehen, ohne jemanden zu treffen, der auch Beats macht. Das ist eben ein Hobby – die einen spielen PlayStation, die anderen machen Beats. Bei uns war die Struktur durch Labels wie Entourage oder Melting Pot schon gegeben. Da gab es automatisch viel Output – Beatvadda, Noy Riches, Hulk Hodn, Hubert Daviz, Tbrck, Lazy Jones … Die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Das hat sich eben manifestiert in Köln. Die Szene ist stark, auf jeden Fall. Wenn ich Bekannte treffe, sagen die: "Ja, geile Woche. Ich hab' ein, zwei Beats gemacht", nicht "Ich hab' ein, zwei Mille gemacht". Das ist schon geil.
MZEE.com: Und gibt es denn aktuell auch aufstrebende Kölner Talente, die du uns als Geheimtipp ans Herz legen kannst?
Twit One: Auf jeden Fall! Ich betreibe mit einem Kollegen zusammen ja auch den Groove Attack Recordstore in Köln. Dort veranstalten wir seit ein paar Monaten eine Reihe namens "Beats in the Basement". Da laden wir regelmäßig aufstrebende Künstler ein. Bei der ersten Ausgabe habe ich noch gezögert und mich gefragt, wie geil das wird. Danach war ich aber umso überraschter, wie nice die Beats waren. Flame beispielsweise oder fLOwTEC – auch super. Ich bin immer wieder froh, sowas zu hören. Ich bin da voll offen für. Das ist auch wirklich vielfältig, keine Trap- und Plastikscheiße, sondern richtig geschmackvoll. Die Hoffnung ist nicht verloren!
MZEE.com: Wie betrachtest du die allgemeine Entwicklung in der Beat-Szene hierzulande? Von außen betrachtet wirkt es so, als würde sie nicht mehr die mediale Aufmerksamkeit bekommen, wie das um die Wende zwischen 00er- und 10er-Jahren mal der Fall war.
Twit One: Es gibt natürlich noch eine Untergrund-Szene, die auch mit Abendevents in jeder größeren Stadt vertreten ist – zum Beispiel Project Beatmaker in Hamburg, Bumm Clack in München oder BeatGeeks in Berlin. Das sind Anlaufstellen für kleinere Produzenten. Ich habe weniger das Gefühl, dass das abflaut – eher, dass wir angekommen sind mit unserer Subkultur.
MZEE.com: Was meinst du, wie sich die Szene in den kommenden Jahren weiterhin entwickeln wird?
Twit One: Das kann ich nicht einschätzen. Ein paar Beats werden schlechter werden und ein paar werden nice bleiben. Einige Produzenten werden aber auf jeden Fall bei ihren Leisten bleiben. Es ist noch nicht zum Verzweifeln – es gibt genug gute Produzenten, von denen ich viel erwarte.
MZEE.com: Kommen wir mal auf deine eigene Musik zu sprechen. Wie grenzt du dich von anderen Beat-Produzenten ab?
Twit One: Dazu kann ich auch nicht so viel sagen. Ich fühle mich hier wohl, aber nicht als Teil der Szene. Ich koche mein eigenes Süppchen seit einiger Zeit und kann machen, was ich will. Das freut mich. Bei meinen letzten Beats bin ich – wie eigentlich fast immer – erneut eine sehr entspannte Schiene gefahren. Ein bisschen humoristischer, anstatt irgendwelche harten Drums zu picken. Das unterscheidet mich. Das meinte ich auch damit, dass es mir nicht leichtfiel, clubtaugliches Material für ein Set zusammenzusuchen. Ich muss eben nicht auf dicke Hose machen. Das ist ein Problem von vielen anderen – die nehmen sich zu ernst.
MZEE.com: Du bezeichnest deinen eigenen Sound auch als Cool bap. Was genau macht ihn für dich aus?
Twit One: Er steht in der Tradition von Boom bap – nur ein bisschen langsamer, cooler. Nicht immer nur 90 BPM, nicht nur Golden Era-Sound. Das ist natürlich auch ein Verweis auf Cool Jazz. Die Leute diggen das auch, wenn es nur 70 BPM sind.
MZEE.com: Meiner Meinung nach sind auch Lo-Fi-Sounds immer mehr im Kommen. Kannst du damit etwas anfangen?
Twit One: Ich habe das im Auge, aber aktuell gibt es eine Flut an neuen Styles. Ich komme da gar nicht mehr mit. Ich bin eigentlich ein Vinyl-Typ. Ich weiß, es gibt dafür eine Szene – vor allem online. Ich zieh' mir das rein, aber es ist mir einfach zu viel. Im Internet gibt es keine Filter. Tausende Produzenten, viel Müll darunter und ich habe nicht so viel Zeit, alle Perlen rauszusuchen. Prinzipiell finde ich es aber super, wenn Leute ihre Zeit mit Musik statt mit Ärger verbringen. Nachdem ich einen Beat gemacht habe, fühle ich mich gut. Man zeigt den seinen Freunden, man chillt dazu, einer rappt darauf, man pafft nebenbei … Was gibt es Besseres? Ich steh' darauf, dass das immer mehr Leute genauso sehen.
MZEE.com: Du machst ja nicht einfach nur Beats. Du hast auch bereits recht viele gemeinsame Projekte mit unterschiedlichen Rappern, Sängern und Produzenten veröffentlicht. Macht dir die Zusammenarbeit mit anderen besonders viel Spaß oder arbeitest du lieber alleine?
Twit One: Am liebsten arbeite ich alleine, auf jeden Fall. Ich stehe aber auch darauf, mit Leuten zusammen auf etwas hinzuarbeiten. In diesem Jahr beispielsweise ist das zehnjährige Bestehen von Testiculo Y Uno. Ich habe diverse Ordner mit Musik für gemeinsame Projekte mit unterschiedlichen Leuten – beispielsweise mit eloquent. Der schreibt so schnell, da kam ich kaum mit dem Produzieren hinterher. Das krasse Gegenteil dazu war das letzte Projekt mit Lazy Jones, das über sieben Jahre hinweg entstanden ist, weil der Kerl seinem Namen alle Ehre macht.
MZEE.com: Wird es denn bald mal wieder eine solche Zusammenarbeit zwischen dir und einem Rapper auf Albumlänge geben?
Twit One: Ich habe eigentlich immer was am Laufen mit verschiedenen MCs. Am liebsten mache ich aber etwas mit Leuten, mit denen ich auch abhänge – und unter den Rappern ist da eigentlich aktuell nur der Retrogott. Da sammeln wir gerade noch ein paar Tracks.
MZEE.com: Hast du eigentlich jemals selbst gerappt, beziehungsweise bekommst du vielleicht sogar manchmal Bock darauf, wenn dir ein Beat besonders gut gefällt?
Twit One: Ich habe vor Ewigkeiten sogar mal ein bisschen gerappt, aber Beatsbauen macht mehr Spaß. Ich brauche für einen 16er eine halbe Stunde länger als alle anderen. Ich habe das denen überlassen, die es besser können. Auch wenn ich mir da etwas aus den Fingern saugen könnte – ich überlasse das aber lieber den MCs, die auch wirklich was zu sagen haben.
MZEE.com: Als Produzent und Instrumentalist bist du jedenfalls schon mehr als genug beschäftigt. Auf deinen verschiedenen Projekten benutzt du allerdings dermaßen viele Pseudonyme, dass es schwer fällt, den Überblick zu behalten. Das schafft sicherlich einiges an Verwirrung. Gibt es dazu vielleicht eine Anekdote – zum Beispiel, dass man dir deine eigene Platte empfohlen hat?
Twit One: Das konkret nicht. Twit One ist eigentlich nur der Überbegriff für alle Projekte, die ich unter verschiedensten Namen mache. Ein Pseudonym von mir ist zum Beispiel Tito Wun. Das hat nur für Verwirrung gesorgt, weil ich mit Wun Two verwechselt wurde. Plötzlich schrieben mir Leute: "Ich war gestern in Nürnberg. Es war supergeil!" Ich hatte keine Ahnung, wovon die reden.
MZEE.com: Unter dem Namen Tito Wun produzierst du ja House. Zusätzlich hast du dich bereits in allen möglichen anderen Genres ausgetobt. Zum Abschluss würden wir also gerne von dir wissen: Gibt es noch musikalische Sphären oder Genres, in die du zukünftig eintauchen möchtest?
Twit One: Es gibt immer Sachen, die man ausprobieren will, und Musiker, mit denen man zusammenarbeiten möchte. Auch Genres, die ich noch gar nicht entdeckt habe. Ich bleibe da ganz offen. Das rate ich auch jedem, der Musik macht. Man kann guten Soul in Brasilien, Nigeria und Korea finden – und an allen anderen Orten! Einfach Antennen ausgefahren lassen und Ohren offen halten.
(Steffen Bauer & Sam Levin)
(Fotos: Robert Winter)