Bizzy Montana mag zwar vielen der jüngeren Hörer kein Begriff mehr sein, doch seine Vita ist durchaus beeindruckend. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist der Rapper und Produzent aus Müllheim bei Freiburg bereits musikalisch aktiv. Anfangs noch auf Kinderzimmer-Level, erarbeitete er sich Mitte der 00er-Jahre einen Deal bei ersguterjunge. Nach seinem Abgang dort wechselte er zu Freunde von Niemand, bevor er und das Frankfurter Label vor geraumer Zeit wieder getrennte Wege gingen. Kürzlich veröffentlichte er – nach langer Zeit ohne Solo-Release – die "Bizzy EP". Auf dieser findet sich ein merklich gereifter Bizzy wieder. Doch sind die wilden Zeiten tatsächlich vorbei? Mit uns sprach er über die neue Veröffentlichung, den Spaß, den er mit Chakuza an der Entstehung von "Blackout 2" hatte, und sein verändertes Verhältnis zum Alkohol.
MZEE.com: Du hast mit dem Release der "Bizzy EP" meiner Meinung nach einen ganz schönen Druck aufgebaut – erst gab es fünf Jahre lang kein Solo-Werk, dann benennst du die neue EP nach dir selbst. Wenn ein Künstler so etwas macht, sagt das für mich aus: "Genau dafür stehe ich. Hier ist das eine zeitlose Werk, das man mit meinem Namen verbinden soll." Denkst du, du wirst dieser Erwartungshaltung gerecht?
Bizzy Montana: Meiner Erwartungshaltung auf jeden Fall. Das ist 100 Prozent Bizzy, deswegen heißt die Platte auch so. Die Sache ist, wie du richtig gesagt hast, dass ich fünf Jahre lang Solo-Auszeit hatte. Das heißt aber nicht, dass ich in diesen fünf Jahren nichts gemacht habe. Während dieser Zeit ist schon der ein oder andere Song entstanden. Aber ich bin Vater geworden und dadurch ist die Musik einfach immer mehr in den Hintergrund gerückt. Und dann war ich am Ende des Tages in so einer musikalischen Krise – nicht die, von der Rapper immer sprechen, also einer Schreibblockade. Stattdessen hatte ich tatsächlich einfach keinen Kopf mehr für Mucke. Ich habe nichts mehr produziert, nichts mehr geschrieben. Aber irgendwann ist mir in den Sinn gekommen, einfach mal alles, was schiefläuft, aufzuschreiben. Die EP ist ja auch sehr persönlich geworden. Als ich dann ein paar Songs fertig hatte, war das wie eine Art Selbsttherapie, die ich gemacht hatte. Und es war nie der Plan, das Ding rauszuhauen. Irgendwann hat mich Amar dann aber darauf angesprochen und gemeint, dass das raus muss. Anfangs habe ich mich noch quergestellt, bis ich mir gedacht habe, dass meine Fans es verdient haben, zu hören, was eigentlich los ist. Meine Fanbase ist auch unkaputtbar. Das ist mir wieder klar geworden. Die EP ist sozusagen eine Erklärung der letzten fünf Jahre und jeder meiner Fans sollte wissen, weshalb es die Pause gab und was genau los war.
MZEE.com: Wann kam denn genau die Entscheidung, die EP zu veröffentlichen? Ich stelle mir das als Künstler unglaublich schwierig vor, etwas aufzunehmen und nicht den Gedanken zu haben, dass es veröffentlicht werden muss.
Bizzy Montana: Eben diesen Gedanken hatte ich ursprünglich gar nicht. Vor einem Jahr ungefähr waren die Songs fertig und wir haben gesagt, dass wir sie rausbringen. Aber dann kam von verschiedenen Seiten Gegenwind und ich hatte einfach keinen Bock mehr. Der Punkt, an dem wir uns entschlossen haben, es doch zu veröffentlichen, war dann irgendwann im Oktober letzten Jahres. Da haben iGroove mich angerufen. Die haben die EP irgendwie in die Finger bekommen und meinten, dass sie sie digital rausbringen, wenn ich will. Dann haben sie mir ein gutes Angebot gemacht und ich hab' nicht mehr viel darüber nachgedacht. Da war für mich dann auf einmal klar, dass es raus muss. Und es war für mich im Nachhinein eine super Entscheidung, das gemacht zu haben.
MZEE.com: Wann ist denn der erste Song entstanden?
Bizzy Montana: Den ersten Song habe ich vor rund zwei Jahren geschrieben – aber frag mich nicht mehr, welcher das war. Ich habe ja auch nicht auf Beats geschrieben, sondern anfangs nur irgendwelche Zeilen …
MZEE.com: Der Deal war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb die EP nicht auf CD kam, oder?
Bizzy Montana: Die CD-Frage war für mich eigentlich nie ein Thema. Der erste Gedanke, die EP zu veröffentlichen, kam ungefähr vor einem Jahr. Da war ich mit Zetta im Studio, der die Platte auch produziert, aufgenommen und gemischt hat. Wir wollten eigentlich nur fünf Songs machen, die wir dann als Free-Download raushauen. Und dann wurde es ein Riesen-Ding – deswegen heißt das Ganze auch EP, obwohl es ein Album ist. Es wird ja auch als Album gelistet, weil eine EP nicht mehr als sieben Songs haben darf – das wusste ich vorher nicht … Aber der CD-Gedanke war für mich relativ schnell raus, weil mir klar wurde, dass wir nach der EP Gas geben und noch ein Album machen werden. Mit CD, Box und allem, was sich alle wünschen – juhu. (lacht)
MZEE.com: Ich hatte eigentlich gar keine Frage für ein kommendes Projekt in petto. Aber ich muss dich jetzt natürlich fragen – steht da schon etwas Konkretes oder sind das bisher nur Gedankenspiele?
Bizzy Montana: Das sind natürlich Sachen, die ich jetzt unter Verschluss halten muss. Aber ich kann dir sagen, dass ich schon fleißig schreibe, im Studio bin und es auch gar nicht mehr so lange dauern wird.
MZEE.com: Dein Name stand ja schon immer für Realness. Es gibt aber genügend Künstler, die zwischen Privatperson und Künstlerrolle unterscheiden. Bei dir ist der Übergang da recht fließend, oder?
Bizzy Montana: Richtig. Ich wünschte mir manchmal, dass ich auch diesen Künstlerlifestyle leben könnte, um spannendere und ausgeflipptere Texte zu schreiben. Aber ich bring' das irgendwie nicht übers Herz. Ich bin kein Typ, der irgendetwas als wack deklariert, das nicht 100 Prozent real oder authentisch ist. Aber ich persönlich kann nur das, was ich eben mache. Manchmal wäre es besser für mich und mein privates Umfeld, wenn da etwas mehr Kunstfigur drin wäre – aber geht halt nicht. Das ist halt Bizzy. Dafür stehe ich, das bin ich und das kann ich so auch nicht abschalten.
MZEE.com: Dazu passt ein Zitat vom "Intro" deiner neuen EP. Darin sagst du, dass sich viele Bizzy zurückwünschen, "wie er war". Hast du dich in den vergangenen Jahren so stark verändert? Und beziehst du das in dem Song eher auf die Musik oder deine Persönlichkeit?
Bizzy Montana: Sowohl als auch, glaube ich. Um mal kurz das "Blackout 2"-Album mit Chakuza anzusprechen: Das wurde von ganz vielen falsch verstanden. Das kann ich aber auch nachvollziehen. Wenn ich mit Chakuza darüber spreche, müssen wir ja auch über das Album lachen. Das ist die eine Geschichte, die ich mit der Line meine. Und das andere ist eben das Private – wieder der Rapper sein und nicht immer der ständig ackernde, verbitterte Familienmensch, der sich selbst bemitleidet, weil er früh aufstehen und zur Arbeit gehen muss. Wobei das ja viele andere auch machen. Aber das war immer der Krieg im Kopf. Bin ich jetzt Rapper oder Arbeiter? Und wohin geht es?
MZEE.com: Wo du schon "Blackout 2" ansprichst. Das hatten sich Fans ja wirklich ein Jahrzehnt lang gewünscht. War das ausschlaggebend dafür, dass das Album erschienen ist? Oder was gab den Anstoß zur Verwirklichung?
Bizzy Montana: Damals hat mich Chakuza einfach angerufen, nachdem wir bestimmt drei oder vier Jahre keinen Kontakt mehr hatten. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, woher er meine Nummer hatte. Ich stand in der Küche, hab' gespült und dann fragte er mich, ob wir nicht "Blackout 2" machen wollen. Wir haben da gar nicht lange drüber nachgedacht, sondern recht kurzfristig und schnell gemacht.
MZEE.com: Es klang auch sehr nach einem Spaßprojekt.
Bizzy Montana: Ja, das war es auch. Wir verstehen das ja auch. Ich habe vorgestern noch mit Chak telefoniert und er meinte, dass wir dieses Blackout-Trauma abschütteln müssen. (lacht) Es war einfach ein Spaßprojekt … Vielleicht auch ein bisschen zu viel Spaß. Aber egal, wir hatten eine gute Zeit und haben das komplett gefeiert. Womöglich hätten wir es etwas ernster angehen müssen, aber es war in dem Moment genau richtig für uns. Ich bereue die ganze Sache nicht – Chak auch nicht. Wir hatten halt Spaß. Spaß bleibt in diesem Geschäft sonst ja ein bisschen aus. Und wenn du dann, so wie ich, drei Jahre lang einen Kampf mit deiner Musikkarriere führst und dich plötzlich ein Chakuza anruft und dich zu einer Session einlädt … Wir hatten ja überhaupt nichts. Wir hatten keine Beats gepickt oder so. Wir haben uns ins Studio gesetzt, unsere zwei, drei Bierchen getrunken, einen Beat angemacht und einfach geschrieben. Und wir hatten Spaß, wie man den als 16-Jähriger hat, wenn man seine ersten Songs aufnimmt – ohne diesen Gedanken oder den Druck zu haben, was jetzt die Außenwelt von einem erwartet. Das ging uns wirklich komplett am Arsch vorbei, was vielleicht der Fehler war. Aber für uns war das, wie gesagt, in dem Moment genau das Richtige.
MZEE.com: Wie habt ihr denn im Nachhinein die Kritik, die dann von außen kam, wahrgenommen und verarbeitet?
Bizzy Montana: Puh, das sag ich dir ganz ehrlich. Da habe ich mir am allerwenigsten Gedanken drüber gemacht. Ich muss mich für nichts, was ich mache, rechtfertigen. Ich war aber auch nicht wirklich der schlimme Part auf dem Album. (lacht)
MZEE.com: Darf dein Sohn eigentlich deine Musik hören?
Bizzy Montana: Also "Blackout 2" natürlich nicht. Aber die Sachen, die ich jetzt gemacht habe, sind ja komplett jugendfrei – außer mal das ein oder andere "Sch"-Wort. Natürlich darf er das hören. Wenn dann mal eine bestimmte Thematik vorkommt, ist er auch zu jung, um das zu verstehen. Und sollte ein Schimpfwort drin sein, dann haben seine Mutter und ich Techniken, das schlimme Wort zu übertönen. Aber er ist ja auch voll Rap-Fan. Sein Onkel ist Amar, Mama hört Rap im Auto, ich produziere Rap. Mein Sohn macht ein Puzzle in der Küche, ich steh' daneben, schreibe einen Text und produziere einen Beat auf der MPC. So läuft das bei uns ab.
MZEE.com: Kommen wir mal auf eine Single zu sprechen: "L3L3L3". Der erste Teil der Trilogie …
Bizzy Montana: Nee, nee! Das ist erst der zweite Teil. Der ist nur mit einer drei geschrieben, um Verwirrung zu stiften. Aber eigentlich ist das der zweite Teil. Das ist dann jetzt hiermit auch geklärt. (lacht)
MZEE.com: Das hatte ich dann falsch auf dem Schirm. Wenn wir die beiden Songs mal vergleichen: Generell war im ersten Teil noch etwas mehr Selbstkritik im Umgang mit Alkohol zu hören. Im zweiten wird das Thema beinahe schon glorifiziert. Wie hat sich deine Einstellung zum Alkohol seit dem ersten Teil vor zehn Jahren verändert?
Bizzy Montana: Die Einstellung ist eigentlich immer noch die gleiche. Es ist schon ganz witzig, sich manchmal einen über den Durst zu trinken. Aber die Zeit, die ich während des Schreibprozesses von "Lala" hatte, ist vorbei – also, dass ich mich täglich wegschieße und so weiter. Der neue Track ist schon mit viel Fun aber nichtsdestotrotz selbstkritisch geschrieben. Ich kann damit mittlerweile ganz gut und vernünftig umgehen.
MZEE.com: Du klingst auch deutlich entspannter als noch vor zehn Jahren. Du warst bei egj und bei Freunde von Niemand. Jetzt hast du dein eigenes Team, aber komplett abseits dieses Geschäfts. Ist das so weit richtig?
Bizzy Montana: Das siehst du schon ganz richtig. Wie du sagst, ich bin da viel entspannter. Wir haben die Zügel jetzt mal selbst in der Hand. Und ich bin jetzt 36 und Vater geworden, mein Leben verläuft in geregelten Bahnen. In diesem Rapkosmos muss ich niemandem mehr irgendetwas beweisen. Diesen Druck, von dem wir vorhin gesprochen haben, habe ich einfach nicht mehr. Ich mache einfach. Ich weiß, dass ich ein guter Rapper bin und dass ich gut verkaufen kann, wenn ich will. Und wenn ich mich da jetzt nochmal reinhänge, werde ich auch ein geiles, erfolgreiches Album machen. Aber dass ich jetzt noch einen auf Ober-Rap-Chef mache … Das muss ich einfach nicht mehr. Mir geht es gut, ich führe ein ganz gutes Leben. Was natürlich trotzdem mit sehr viel Arbeit und Krisen, die jeder Mensch hat, verbunden ist. Ich bin erwachsener geworden … selbstkritischer, erwachsener und besser. (lacht)
MZEE.com: Würdest du sagen, dass die Musik besser wird, wenn man den Druck der letzten Jahre rausnimmt?
Bizzy Montana: Ich glaube schon. Es sind einfach viele Knoten in meinem Kopf gelöst und ich kann freier an die Sachen rangehen. Ich habe das Team ganz anders aufgebaut und komplett umstrukturiert. So wie es jetzt geht, läuft es sehr flüssig – vom Song über die Büroarbeit bis hin zum fertigen Produkt. Ich mache mir keine Sorgen. Ich bin frei und kann echt gut und entspannt arbeiten.
MZEE.com: Gibt es, abseits der Familienvater-Thematik, einen Song auf der "Bizzy EP", den du vor zehn Jahren gar nicht hättest schreiben können? Vielleicht, weil du Sachen von einem ganz anderen Blickwinkel aus betrachtet hast?
Bizzy Montana: Vor zehn Jahren hätte ich keinen von diesen Songs schreiben können.
MZEE.com: Und andersrum: Gibt es denn einen Song aus deiner Vergangenheit, den du heute nicht mehr schreiben würdest?
Bizzy Montana: Das ist eine gute Frage … Das wären ja Songs, die ich meinem Sohn nicht vorspielen würde. Aber was wären das für Songs? (überlegt) Da gibt es bestimmt welche, die mir jetzt spontan aber nicht einfallen.
MZEE.com: Da wir viel über die Vergangenheit gesprochen haben und früher bekanntlich "alles besser war": Gibt es vielleicht auch Eigenschaften oder Aspekte, die du selber am "neuen" Bizzy Montana vermisst?
Bizzy Montana: Ja, da habe ich letztens mit einem Kumpel drüber gesprochen. Mir war früher einfach total viel egal. Und diese "Scheiß drauf"-Einstellung ist flöten gegangen. Das ärgert mich manchmal und ich hätte sie gerne wieder. Aber an sich ist es gut, dass ich die Einstellung nicht mehr habe …
MZEE.com: Und was schätzt du am "neuen" Bizzy Montana besonders?
Bizzy Montana: Die Ruhe. Ich bin viel ruhiger, fokussierter und entspannter geworden. Und noch viel cooler, als ich es früher eh schon war.
MZEE.com: Die letzten Worte gehören dir …
Bizzy Montana: Vielen Dank an meine unkaputtbare Fan-Base und an jeden einzelnen, der die Platte gekauft hat und mich unterstützt.
(Pascal Ambros)