Ich verfolge nur ein Ziel. Mach' nur Mucke, die ich fühl'.
Und zieh' mich warm an, weil ich weiß, dass ich da draußen unterkühl'.
Wir schreiben das Jahr 2019 und reden nach wie vor von "Female Rap". So, als wäre allein das Geschlecht des Künstlers bereits eine stilistische Unterscheidung. Trotz sukzessiver Besserung greifen noch immer viel zu wenige Rapperinnen zum Mic. Und tun sie es doch, sehen sie sich hundertmal so vielen Male MCs gegenüber. Da mag jede einzelne, egal wie talentiert, zunächst wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirken. Doch Presslufthanna befeuchtet das Mineral aus Klischees und Plattitüden nicht. Sie zerschmettert es – mitsamt der bröckelnden Ruine veralteter Ansichten – und errichtet an dessen Stelle einen völlig neuen "Eingangsbereich".
Gerade deshalb sollte man sie auch keinesfalls darauf reduzieren, ein weiblicher MC zu sein. Der emanzipatorische Gedanke, der ihrem Debüt zu Grunde liegt, gilt viel eher dem Künstlerdasein an sich. Und diesem wird sie in jedem Fall gerecht. Nicht nur dank der oldschooligen Soundgebilde von plusma und Oskar Hahn oder den Cuts und Featurebeiträgen von Jona Gold, Polar und Teleluke. Presslufthanna rappt von der Liebe für Freunde und HipHop genauso offen und pointiert wie über den Hass auf rechte Witzfiguren und Musik ohne Mehrwert. Bei alldem kommt ihr Gespür für simple Worte, die komplexe Emotionslagen beschreiben, perfekt zur Geltung und gleichzeitig auch die angenehm warme Klangfarbe ihrer Stimme. Ein boom bapig, oldschooliges Gesamtwerk mit progressiven Gedanken vereint unter dem einfachen Spaß am Rappen.
Unterm Strich ergibt das ein großartiges, angenehm eingängiges Debüt, das textlich wie musikalisch absolut überzeugt. Bleibt nur zu hoffen, dass der neue "Eingangsbereich", den Presslufthanna hier hochzieht, vielleicht der ein oder anderen weiteren Rapperin Mut macht, die Szene zu betreten. Dann findet sich HipHop-Journalismus eines Tages eventuell ja in der Position, nicht mehr wie hier über die problematische Position der Frau in der Szene schreiben zu müssen. Sondern einfach nur noch über guten Rap von guten Künstlern – ganz unabhängig von Geschlecht und sonstigen Merkmalen, die in der Musik nicht von Relevanz sein sollten.
(Daniel Fersch)