"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Donald Glover alias Childish Gambino ist ein Alleskönner, wie er im Buche steht. Bevor er jedoch seinen großen Durchbruch auf der Kinoleinwand hatte und diverse Grammys abstaubte, veröffentlichte er mit "Because the Internet" 2013 ein Werk, das vielen vor den Kopf stieß. Mich allerdings holte es ab – wenn auch erst mit einem halben Jahr Verspätung.
Viele werden das Phänomen kennen: Man hört ein Album kurz nach der Veröffentlichung und legt es erst mal weg, da es einem nicht gefällt. Doch nach einiger Zeit gibt man ihm eine zweite Chance und liebt es plötzlich. So ging es mir mit Gambinos zweiter Platte. Dabei kann ich sehr gut verstehen, weshalb "Because the Internet" nicht jedermanns Sache ist. Zwischen Pop, Soul und R'n'B findet man hier vielerlei experimentelle und psychedelische Anleihen, die mal aufreibend-stressig und mal vollkommen sperrig sind. Doch gerade diese disruptiven Elemente sind es, die dafür sorgen, dass keine Langeweile aufkommt. Sei es das elektrifizierende Outro von "II. Shadows", auf dem zu Beginn noch eine butterweiche Bassline von Thundercat dominiert, oder das unbeschreiblich seltsame Instrumental von "I. The Party". Ebenso vielseitig wie die Produktionen sind auch Gambinos Lyrics. Hier gibt es dermaßen viel zu dechiffrieren, dass ich mich frage, ob der Mann mit den vielen Talenten überhaupt will, dass man ihn versteht. Es ist dabei auch nicht gerade hilfreich, dass er zu dem Album zusätzlich ein verwirrendes Filmskript und einen handlungsarmen Kurzfilm veröffentlicht hat. Wie das alles zusammenpasst, ist letztendlich aber auch völlig egal, denn es macht schlichtweg Spaß und fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
Wenn es eine Person gibt, die ich auf der Welt am meisten um ihr rohes Talent beneide, dann ist es Donald Glover. Rappen, singen, produzieren, schauspielern, schreiben, lustig sein … Auf "Because the Internet" macht er all das so gut, dass ich meinen Hut ziehen muss. Denn wie rappt er auf "Sweatpants" so schön? "Don't be mad 'cause I'm doing me better than you're doing you."
(Steffen Bauer)