"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
So recht haben die Orsons irgendwie nie in die deutsche Rapszene gepasst. Diese quietschbunte Boyband wirkte mit ihren verrückten Songs neben dem Rest immer ein wenig wie ein großer Insiderwitz. Trotzdem hat sich die Gruppe mittlerweile fest etabliert und eine große Schar an Fans um sich gesammelt. Ihr abgefahrenstes Release haben die Schwaben allerdings bereits mit ihrem Debüt abgefeuert.
Der Titel ihrer ersten Platte geizt sehr mit dem Erzeugen einer Erwartungshaltung. "Das Album" lautet der lakonische Name. Ein Gegensatz zum Inhalt, denn ein gewöhnliches Album ist dieses Werk ganz sicher nicht. Es ist ein eigener Kosmos, ein fantasievolles Universum voller flacher Witze und sinnfreier Lyrics zwar, aber mit spürbarer Spontaneität und Emotion. Klar, beim ersten Hören kommt man aus dem Fremdschämen und Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. "Die Orsons bauen eine Schaukel" lautet tatsächlich der Titel eines Tracks – bitte was? Doch langsam lässt man sich hineinziehen in diese seltsame Parallelwelt: Wo die Orsons Drive-bys aus einem Tretboot machen. Wo die Orsons über Delfine rappen, weil sie KAAS' Lieblingstiere sind. Wo die Orsons auf "Lets Banana Holla Dance Woosh" den Reim als Stilmittel im Rap dekonstruieren. Und wo alle Bandmitglieder irgendwie Schweine sind und auf einem Bauernhof leben … oder so? Ganz durchblicken lässt sich all der Wahnsinn auf den 13 Songs nicht. Doch genau das macht die Anziehungskraft dieser Platte aus: Sie ist bunt, anders und extrem unterhaltsam.
Die nachfolgenden Werke der Orsons mögen musikalisch wesentlich besser funktionieren als "Das Album". Trotzdem ist diese Platte nach wie vor etwas ganz Besonderes im deutschen Rap. Sie ist völlig gaga und trotzdem macht es unglaublich Spaß, sie zu hören. Deshalb an dieser Stelle nach über einem Jahrzehnt die Einladung: Macht Urlaub auf "Orsons Island", denn dort gibt es wirklich, wirklich alles – nur keinen Einheitsbrei.
(Florian Peking)