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Interview

Mo-​Torres

"In der heu­ti­gen Zeit mit so einer Offen­heit auf­zu­wach­sen, ist mei­ner Mei­nung nach auf jeden Fall ein Pri­vi­leg." – Mo-​Torres im Inter­view über die Grün­de für sei­nen aus­ge­präg­ten Lokal­pa­trio­tis­mus, sei­ne neue Label­si­tua­ti­on sowie die Zusam­men­ar­beit mit Cat Ball­ou und Lukas Podolski.

Mo-​Torres ist Köl­ner durch und durch. So ist es auch nicht ver­wun­der­lich, dass sich in der Musik des beken­nen­den Lokal­pa­trio­ten recht viel um die bevöl­ke­rungs­reichs­te Stadt NRWs dreht. Aus die­sem Grund fin­det die­se mitt­ler­wei­le sogar regel­mä­ßig im Sta­di­on des 1. FC Köln statt. Mit uns sprach der Rap­per, des­sen aktu­el­les Album "Vier Wän­de" das ers­te Release auf dem selbst­ge­grün­de­ten Label Usmve­edel mar­kier­te, unter ande­rem über sei­nen aus­ge­präg­ten Lokal­pa­trio­tis­mus und poten­zi­el­le Nega­tiv­sei­ten die­ser Hei­mat­lie­be. Dar­über hin­aus berich­te­te er uns auch von der Zusam­men­ar­beit mit der Köl­ner Rock­band Cat Ball­ou und Lukas Podol­ski – und nann­te uns den Grund, war­um ihn sei­ne Jubi­lä­ums­kon­zer­te zu Beginn des Jah­res so über­rascht haben.

MZEE​.com: Dein neu­es Album trägt den Titel "Vier Wän­de" – den Begriff der "eige­nen vier Wän­de" ver­bin­det man ja in ers­ter Linie mit einem Zuhau­se. Ist die­se Idee die Grund­la­ge des Albums?

Mo-​Torres: Vier Wän­de sind für mich nicht nur Zuhau­se. Der Titel steht im über­tra­ge­nen Sin­ne für all das, wo mein Leben statt­fin­det. Man sagt ja auch immer: "Das Leben fin­det in den eige­nen vier Wän­den statt". Des­we­gen sind mei­ne vier Wän­de ein biss­chen grö­ßer. Dazu gehö­ren mei­ne Freun­de und mei­ne Fami­lie. Da gehört alles dazu, das mich inspi­riert und beein­flusst. Und natür­lich auch mei­ne Stadt – da, wo ich mich bewe­ge. Zusam­men­ge­fasst sind mei­ne vier Wän­de im Grun­de ein­fach mein Leben.

MZEE​.com: Vie­le Pro­duk­tio­nen auf dem Album fal­len wesent­lich pop­pi­ger aus, als es im klas­si­schen Rap-​Arrangement zumeist der Fall ist. Basiert die­se Her­an­ge­hens­wei­se zu hun­dert Pro­zent auf dei­nem per­sön­li­chen Geschmack oder steckt even­tu­ell auch der Wunsch dahin­ter, Mainstream- und Radio-​taugliche Hits zu produzieren?

Mo-​Torres: Es ist eher so, dass ich zu 120 Pro­zent dahin­ter­ste­he. Main­stream ist so ein Begriff, den man heut­zu­ta­ge ummo­deln muss. Wenn du Mainstream-​Musik machst, machst du ent­we­der Dance­hall, Trap oder Schla­ger. Das ist das, was sich am meis­ten ver­kauft. Das fin­det man jetzt nicht so auf mei­ner Plat­te wie­der. Aber ich gehe jetzt auf die 30 zu. Mein per­sön­li­cher Musik­ge­schmack hat sich mitt­ler­wei­le … was heißt geän­dert … Ich höre immer noch viel Rap, aber ich kann per­sön­lich mit die­sen gan­zen Trap-​Sachen und so wei­ter nichts anfan­gen. Weil das in mei­nen Augen super­we­nig Aus­sa­ge und Mes­sa­ge hat. Und dar­auf kommt es für mich immer auch so ein biss­chen an. Klar, mag ich es auch, ein­fach mal Musik zu hören und nicht auf den Text ach­ten zu müs­sen. Die­ses gan­ze Dancehall-​Ding, wie RAF und Bonez das machen, fei­er' ich auf jeden Fall, aber das kann ich selbst ein­fach nicht umset­zen. Das bin ich nicht, das ist nicht mein Ding. Ich hab' ein­fach das gemacht, wor­auf ich Bock hat­te. Ich bin kein Freund davon, so etwas zu kate­go­ri­sie­ren. Das ist ein­fach die Mucke, die ich machen woll­te und feie­re. Ich ste­he dahin­ter und hab' Bock, das live zu per­for­men. Und so klingt die Plat­te auch. Hät­te jetzt auch sein kön­nen, dass mich irgend­was ande­res voll geflasht hät­te. Dann hät­te ich wahr­schein­lich ein Reggae-​Album gemacht, oder was auch immer. Nächs­tes Mal viel­leicht. (lacht)

MZEE​.com: Mich per­sön­lich hat das Album schon ein biss­chen an Radio­mu­sik erin­nert, da es sehr ein­gän­gig pro­du­ziert ist. Hörst du per­sön­lich denn viel Radio?

Mo-​Torres: Nee, gar nicht. Ich hab' nicht mal einen Füh­rer­schein, des­we­gen komm' ich nicht so viel dazu, Radio zu hören. Ich kann auch nicht sagen, ob mich da irgend­was beein­flusst hat. Ich war schon immer ein Typ, der melo­diö­sen Kram hart gefei­ert hat. Damals bei "City Cobra" von Cha­ku­za, als die­se fran­zö­si­sche RAF-​Hook kam – das hab' ich tot­ge­fei­ert. All­ge­mein mag ich die Kom­bi­na­ti­on aus Rap-​Elementen und Melo­dien, wie es bei­spiels­wei­se bei "Weiß­ma­ler" war, wo ich schon sagen wür­de, dass die Stro­phen vom Flow her jetzt nicht gera­de anspruchs­los sind. Ich hab' schon mei­nen Anspruch, was die Tech­nik betrifft, aber ich kom­bi­nie­re das eben sehr ger­ne mit melo­diö­se­ren Refrains. So kommt das dann letz­ten Endes zustan­de. Deutsch­land braucht eben Schub­la­den. Aber wie das ande­re Leu­te kate­go­ri­sie­ren – ob es Radiomu­cke, Popmu­cke, Poprap oder was auch immer ist –, ist mir eigent­lich egal. Ich den­ke als Künst­ler nicht so in Schub­la­den. Ich mach' ein­fach, ohne mir vor­her zu sagen: Okay, mit der Plat­te gehst du jetzt in die und die Rich­tung und machst das und das. So kann ich auch nicht schrei­ben. Wenn ich mich selbst schon beschrän­ke, dann ist ja alles aus.

MZEE​.com: Es war also nicht so, dass du bei­spiels­wei­se ein gro­ßer Fan von Phil Coll­ins bist und des­we­gen die­se musi­ka­li­sche Rich­tung bedienst?

Mo Tor­res: (lacht) Nee, nicht so wirk­lich. Kei­ne Ahnung, das müs­sen ande­re sagen, an wel­che Künst­ler sie die Mucke erin­nert oder mit wem sie das ver­glei­chen. Ich höre mir ja nicht bei­spiels­wei­se ein Bushido-​Album an und ver­su­che dann, das ähn­lich umzu­set­zen. So geht ja kei­ner an sei­ne Musik her­an. Also, ich zumin­dest nicht.

MZEE​.com: Das Album erscheint über das neu gegrün­de­te Label Usmve­edel. Wie kam es zu der Ent­schei­dung, sich mit einem eige­nen Label unab­hän­gig zu machen?

Mo-​Torres: Die ist nach und nach immer mehr gereift. Wir machen irgend­wie schon immer alles allei­ne. Das ist zwar der Weg des größt­mög­li­chen Wider­stands, aber auch der Weg, auf dem ich per­sön­lich musi­ka­lisch am frei­es­ten arbei­ten kann. So schreibt mir kei­ner vor, was ich zu tun und zu las­sen habe. Ich mache jetzt seit ein­ein­halb Jah­ren haupt­be­ruf­lich und selbst­stän­dig Musik. Für mich gibt es kei­nen schö­ne­ren Aspekt an der Sache, als dass mir nie­mand mehr vor­schreibt, was ich zu tun habe. In der Kon­stel­la­ti­on, in der wir uns befin­den – mit mei­nem lang­jäh­ri­gen Mana­ger, Cen­giz und mir – machen wir die Arbeit seit fünf Jah­ren zusam­men. Wir haben uns gefragt, wozu wir ein ande­res Label brau­chen und was uns wei­ter­bringt. Ver­sucht man es jetzt bei irgend­ei­nem Major-​Label? Dann ver­dienst du unge­fähr kein Geld und machst viel­leicht noch Minus, obwohl du unfass­bar viel Koh­le rein­ge­steckt hast. Ich muss halt mei­ne Mie­te auch irgend­wie bezah­len. Bei einem Major bist du bloß Pro­dukt 1A in Abtei­lung XY, was für mich auch der größ­te Aspekt ist. Gera­de, weil unse­re Ver­fah­rens­wei­se immer sehr fami­li­är und clo­se ist – auch mit den Leu­ten, die das hören –, haben wir beschlos­sen, das sel­ber zu machen und in der eige­nen Hand zu behal­ten. Natür­lich fehlt dann irgend­wo die gro­ße Pro­mo­ma­schi­ne­rie der Indus­trie, aber für uns gab es Punk­te, die wich­ti­ger sind. Und das ist ganz ein­fach die­se Selbst­be­stim­mung, alles genau so zu machen, wie wir das wol­len und nicht anders. Des­we­gen sind wir zu Groo­ve Attack gegan­gen. Die sit­zen bei mir um die Ecke, da kann ich, wenn irgend­was ist, auch mit dem Fahr­rad hin­fah­ren. Da hat man ein­fach Gesich­ter und Namen dazu. Die Leu­te von Groo­ve Attack waren in den letz­ten ein­ein­halb Mona­ten auf drei Kon­zer­ten von mir. Das ist genau das Ding: Ich brauch' 'ne Bezie­hung zu den Leu­ten. Dar­um geht's. Des­we­gen haben wir uns ent­schlos­sen, unser eige­nes Label zu grün­den und dann zu schau­en, was damit geht. Wir sind natür­lich auch auf unfass­bar vie­le Hür­den gesto­ßen, wo wir kei­ne Ahnung hat­ten. (lacht) Man stellt es sich nicht unbe­dingt ein­fach vor, aber es ist trotz­dem schwie­ri­ger, als man denkt. Die­se gan­ze deut­sche Büro­kra­tie. Alter Schwe­de, was haben wir gekotzt. Aber es ist unser Weg und ich glau­be, wir sind damit sehr zufrie­den – Stand jetzt.

MZEE​.com: Hat sich dein Arbeits­pen­sum durch die neue Label-​Situation signi­fi­kant erhöht?

Mo-​Torres: Auf jeden Fall. Natür­lich bedeu­tet das mehr Arbeit. Aber ich bin sowie­so ein Typ, der über­all sei­ne Hand drü­ber haben und alles wis­sen muss. Ich kann und will ein­fach vie­les sel­ber machen. Wel­che exter­ne Per­son kann letz­ten Endes so viel Lei­den­schaft für mei­ne Mucke auf­brin­gen, wie es die inter­nen Leu­te tun? Kei­ne. Nie­mand wür­de es mit die­ser Lie­be und Lei­den­schaft machen. Es ist ein­fach mehr und ich glau­be, wir sind nach der Plat­te alle bru­tal urlaubs­reif. Aber es hat sich gelohnt. Jeder Schritt ist genau so gelau­fen, wie wir das woll­ten. Klar, falls es jetzt grö­ßer wer­den soll­te und man es nicht mehr selbst stem­men kann, muss man über ande­re Schrit­te nach­den­ken. Die Jungs, die mit mir arbei­ten, gehen halt noch ihrem ganz nor­ma­len Beruf nach. Und das geht natür­lich auch nicht. Die arbei­ten dann eben noch von 18:30 Uhr bis spät in die Pup­pen für die Plat­te, das funk­tio­niert natür­lich lang­fris­tig auch nicht so geil. Aber aktu­ell, in der Kon­stel­la­ti­on, kann ich mir nichts Bes­se­res vor­stel­len, ehr­lich gesagt.

MZEE​.com: Apro­pos Lie­be und Lei­den­schaft. 2016 hast du einen Song mit Cat Ball­ou und Lukas Podol­ski ver­öf­fent­licht. Die Reso­nanz kann sich mit über 3,5 Mil­lio­nen Klicks auf You­Tube durch­aus sehen las­sen. Wie hast du den Tru­bel um den Song per­sön­lich erlebt?

Mo-​Torres: Sehr, sehr, sehr ver­rückt. Vor allem, weil es das ers­te Ding war, das zumin­dest regio­nal abso­lut durch die Decke gegan­gen ist. Ich hat­te mir schon gedacht, dass Pol­di einen rich­tig kras­sen Impact hat. Aber den Ein­fluss, den er dann letz­ten Endes hat­te … Das konn­te sich, glau­be ich, kei­ner so vor­stel­len. Und im Grun­de genom­men kannst du so viel Sup­port haben, wie du möch­test – es hät­te jetzt auch Dra­ke die Num­mer pos­ten kön­nen –, wenn der Song schei­ße ist, dann ist der Song schei­ße. Aber dass er hier in Köln so gut ange­kom­men ist, war sehr schön zu sehen. Die Köl­ner haben sich locker gemacht und der Num­mer eine Chan­ce gege­ben. Auch die älte­ren, die noch sehr Karnevals-​Ufftata-​Schunkelschunkel-​romantisch unter­wegs sind. Dass man dann so auch mal ein biss­chen Rap in den Kar­ne­val brin­gen konn­te, ist eine wit­zi­ge Num­mer gewe­sen. Die gan­ze Zusam­men­ar­beit hat ein­fach super viel Spaß gemacht. Es ist ein schö­nes Ding geworden.

MZEE​.com: Ihr habt den Song ja auch bereits zusam­men per­formt. Gibt es in Bezug auf Kon­zer­te oder die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Songs eine erzäh­lens­wer­te Anekdote?

Mo-​Torres: Nichts kom­plett Wil­des, aber die gan­ze Zusam­men­ar­beit war halt wit­zig. Mit Lukas Podol­ski im Stu­dio zu hän­gen war schon sehr span­nend. (schmun­zelt) Mit Cat Ball­ou an Kar­ne­val in zwei Mona­ten 150 Auf­trit­te zu spie­len, wäh­rend ich gera­de mei­ne Bachelor-​Arbeit geschrie­ben habe und für Klau­su­ren ler­nen muss­te, war schon mega­ver­rückt. Das war eine sehr inten­si­ve Zeit. Ich glau­be, einer der schöns­ten Momen­te war, als wir die Num­mer die­sen Som­mer vor 25 000 Leu­ten bei einer von Pol­di ver­an­stal­te­ten Public Viewing-​Party in Köln zum Deutschland-​Spiel gegen Schwe­den nach ein­ein­halb Jah­ren zum ers­ten Mal gemein­sam per­formt haben. Da ist er auf die Büh­ne gekom­men und es war ein gei­ler Moment, den Song in der kom­plet­ten Kon­stel­la­ti­on dar­bie­ten zu kön­nen. Das war schon sehr krass. Wenn ich den Song mit Cat Ball­ou per­for­me, gibt es immer wie­der schö­ne Erin­ne­run­gen, die damit ver­bun­den wer­den. Es macht Spaß.

MZEE​.com: Du hast dich the­ma­tisch mitt­ler­wei­le recht stark auf Köln und dei­ne Lie­be zur Stadt spe­zia­li­siert. Spie­gelt sich das auch in dei­ner Hörer­schaft wider?

Mo-​Torres: Ja, defi­ni­tiv. Köl­ner sind ja total lokal­pa­trio­tisch. Aber mei­ne Hörer sind auch für die ande­ren Songs, die nichts mit Köln zu tun haben, total offen. Die Leu­te hören zu, gera­de bei den Kon­zer­ten. Das Album hat ja gar nicht so viel mit Köln zu tun. Das fin­det dann auf der "Köln"-EP statt. Es ist ein­fach super­schön, wenn auch die Album­songs mit­ge­sun­gen wer­den kön­nen. Aber natür­lich ist ein hoher Pro­zent­an­teil der Leu­te, die die Mucke hören, Köl­ner. Ganz klar, durch Songs wie "Lie­be dei­ne Stadt", "FC Inter­na­tio­nal" oder "All die Lee­der", die mei­ne größ­ten Num­mern sind, ist es natür­lich ver­ständ­lich, dass die meis­ten Leu­te zumin­dest Köln-​affin sind.

MZEE​.com: Glaubst du, dass der Fokus auf Köln auf man­che Leu­te auch ein wenig abschre­ckend wirkt? Schließ­lich funk­tio­niert Lokal­pa­trio­tis­mus ja, wie der Name schon sagt, nur in einem geo­gra­fisch abge­steck­ten Bereich. Caro­lin Kebe­kus hat dar­über mal gesagt: "Ich glau­be, dass die Köl­ner auch dann noch am Rhein sit­zen und schö­ne Lie­der über die schö­ne Stadt sin­gen wür­den, wenn vor­her alle Gebäu­de in irgend­wel­che U-​Bahn-​Baustellen gestürzt wären. Den Lokal­pa­trio­tis­mus hier ver­steht kei­ner – außer uns. Den Rest der Repu­blik nervt das."

Mo-​Torres: (lacht) Das kann gut sein, das weiß ich nicht. Aber ich hab' auch noch nie wirk­lich mit Leu­ten von außer­halb dar­über gespro­chen. Obwohl, wenn ich in Ber­lin bin und mich mit Liquit Wal­ker unter­hal­te, ist er auch so: "Ber­lin, Ber­lin, Ber­lin und sonst nichts." Das gibt es nicht nur in Köln. Nur die Art und Wei­se, wie das hier mit der Musik und auch mit der fünf­ten Jah­res­zeit Kar­ne­val zele­briert wird … Klar, Köln ist jetzt nicht die schöns­te Stadt, abso­lut nicht. Aber für uns irgend­wie schon. Das ver­stehst du halt auch nur, wenn du hier her­kommst und die Men­ta­li­tät lebst. Wenn du mit Multi-​Kulti und der Köl­ner Offen­her­zig­keit und Warm­her­zig­keit auf­wächst. Jeder Jeck ist anders. Leben und leben las­sen. In der heu­ti­gen Zeit mit so einer Offen­heit auf­zu­wach­sen, ist mei­ner Mei­nung nach auf jeden Fall ein Pri­vi­leg. Abschre­ckend für Leu­te von außer­halb? Das weiß ich nicht.

MZEE​.com: Für Düs­sel­dor­fer! (lacht)

Mo-​Torres: Ja, gut. Düs­sel­dorf ist jetzt so eine Sache für sich. (lacht) Aber Düs­sel­dorf hat eine schö­ne Alt­stadt, das muss man dazu sagen. Also, nicht alles ist schlecht. Aber es ist schon krass. Ich hab' tat­säch­lich mal für eine ganz kur­ze Zeit in Düs­sel­dorf gear­bei­tet. Das sind 50 Kilo­me­ter, aber die Men­ta­li­tät ist direkt eine völ­lig ande­re. Die Leu­te spre­chen zwar dei­ne Spra­che, aber gefühlt bist du in einem ande­ren Land. Ganz ver­rückt. Ich weiß nicht, ob du das auch kennst, aber in Ham­burg sind die Men­schen auch ganz anders drauf als in Mün­chen, Stutt­gart oder Köln. So eine Groß­stadt ist irgend­wie immer wie so ein Stadt­staat mit kom­plett eige­nen Wer­ten und gefühlt eige­nen Geset­zen. Das ist schon sehr verrückt.

MZEE​.com: Ein­mal muss ich dies­be­züg­lich noch nach­ha­ken. Wie stehst du all­ge­mein zum The­ma "Lokal­pa­trio­tis­mus"? Denkst du, dass die­ser ana­log zum natio­na­len bezie­hungs­wei­se all­ge­mei­nen Patrio­tis­mus unter Umstän­den auch nega­ti­ve Fol­gen haben kann?

Mo-​Torres: Puh … (über­legt) Das weiß ich nicht. Lokal­pa­trio­tis­mus gibt es ja nicht in so extre­mer Form. Der ist mei­ner Mei­nung nach auch immer irgend­wo mit einem Augen­zwin­kern zu sehen. Ich brin­ge noch mal Liquit als Bei­spiel an, weil er halt auch mega­krass auf sei­nem Berlin-​Film ist. Wenn ich mich mit ihm unter­hal­te, geht das so: "Köln!" – "Ber­lin!" – "Köln!" – "Ber­lin!" Letz­ten Endes ist ja trotz­dem alles cool und ent­spannt. Es ist ja nicht so, dass ich sage: "Köln und sonst nichts! Ich bleib' nur in Köln! Ich wer­de nie­mals nach Dort­mund fah­ren!" Das ist ja Bull­shit. Lokal­pa­trio­tis­mus hat immer noch so eine Varia­bi­li­tät drin. Du sagst, dass dei­ne Stadt die geils­te ist, aber das bedeu­tet ja nicht, dass alle ande­ren Städ­te abso­lu­ter Scheiß und Rotz sind und ich da kei­nen Fuß rein­set­ze und alle Men­schen has­se. Das ist Unsinn. Es ist immer mit einem Augen­zwin­kern zu sehen, aber man will natür­lich so ein biss­chen die Fah­ne hoch­hal­ten und ist viel­leicht auch ein­fach auf die Leu­te in der eige­nen Stadt stolz.

MZEE​.com: Spre­chen wir zum Abschluss noch mal etwas all­ge­mei­ner über dei­ne Musik und dei­ne Kar­rie­re. Auf "Aller­bes­te Zeit" the­ma­ti­sierst du, was du in den letz­ten ein­ein­halb Jah­ren erlebt hast. Was war für dich der größ­te Erfolg der ver­gan­ge­nen 18 Monate?

Mo-​Torres: Wahr­schein­lich die Jubi­lä­ums­kon­zer­te im Mai. Als mei­ne Jungs mit der Idee anka­men, hab' ich über­legt und wuss­te nicht so recht. Dann hieß es: "Wir spie­len im Glo­ria." Da gehen so 1 000 Leu­te rein. Ich dach­te, dass wir das nie­mals im Leben voll bekom­men und dass das eine Kata­stro­phe wird. Drei Wochen nach Vor­ver­kaufs­start war das Ding aus­ver­kauft. Da war ich voll­kom­men geflasht. Dann woll­ten wir im Club Bahn­hof Ehren­feld noch ein Zusatz­kon­zert spie­len. Da gehen so 550 rein. Da hab' ich gesagt: "Wollt ihr mich ver­ar­schen? Es kommt kei­ne Per­son mehr als die­se Leu­te, die ins Glo­ria kom­men!" Und der Scheiß war dann irgend­wann auch aus­ver­kauft. Dann stehst du da und spielst Jubi­lä­ums­kon­zer­te vor ins­ge­samt 1 500 Leu­ten und denkst dir nur: "What the fuck?! Die sind alle wegen mir und mei­ner Musik hier." Unglaub­lich. Ich gucke mir nie vor­her die Crowd an und las­se mich immer über­ra­schen. Im Glo­ria ging der Vor­hang auf und ich weiß noch, dass ich direkt wäh­rend der ers­ten zwei Zei­len vom Intro hart gestot­tert habe, weil ich voll­kom­men geflasht war, dass da so vie­le Leu­te ste­hen und ich das ers­te Mal den Über­blick über die Crowd ver­lo­ren habe. Das war sicher­lich einer der kras­ses­ten Momen­te, weil die bei­den Kon­zer­te ein­fach unfass­bar schön waren. Das hat mir noch mal gezeigt, dass es auch mal schön ist, auf ande­re Leu­te zu hören, die in die­sem Bereich den Mut und das Selbst­be­wusst­sein haben, das mir manch­mal fehlt. Es war ja mein zehn­jäh­ri­ges Jubi­lä­um. Wir haben auch ein paar Songs von ganz frü­her gespielt, die abso­lut kei­ne Sau kennt. Das war für mich per­sön­lich schon sehr beein­dru­ckend und emo­tio­nal und natür­lich einer der größ­ten Momen­te in den ein­ein­halb Jah­ren. Und natür­lich der Moment, als ich das Mas­ter vom Album abge­ge­ben habe, nach­dem ich zwei­ein­halb Mona­te jeden scheiß Tag gefühl­te 18 Stun­den im Stu­dio war. Das war auch ver­rückt. Ich habe gemerkt, dass ich mei­nen Kör­per die gan­ze Zeit künst­lich hoch­ge­hal­ten hab': "Du musst jetzt wei­ter funk­tio­nie­ren! Druck, Druck, Druck! Span­nung!" Und dann gebe ich das Mas­ter ab, fah­re mit dem Fahr­rad zu mir nach Hau­se und mer­ke, wie die kom­plet­te Span­nung aus mei­nem Kör­per weicht und mein Kör­per kom­plett in sich zusam­men­fällt. (grinst) Am nächs­ten Tag bin ich natür­lich direkt krank gewe­sen. Aber das war auch ein unfass­ba­rer Moment. Das kann man wahr­schein­lich damit ver­glei­chen, als Stu­dent sei­ne Mas­ter­ar­beit abzu­ge­ben. Wenn der gan­ze Druck abfällt und es nicht mehr kom­plett in der eige­nen Hand liegt. Das war sehr krass.

MZEE​.com: Gibt es denn für die Zukunft kon­kre­te Zie­le, die du mit dei­ner Musik noch errei­chen willst?

Mo-​Torres: Ich habe kei­ne genau­en Zie­le wie bei­spiels­wei­se irgend­wann so und so vie­le Plat­ten zu ver­kau­fen oder sonst etwas. Für mich ist das Wich­tigs­te, dass es immer wei­ter­geht. Dass ich mer­ke, dass sich was bewegt und es nicht sta­gniert. Es geht wei­ter und das ist einer der Punk­te, die mich antrei­ben – mit lang­sa­men und gesun­den Schrit­ten. Ich glau­be, ich hät­te ein Rie­sen­pro­blem damit, wenn ich aus irgend­ei­nem Grund mit irgend­ei­ner Num­mer den abso­lu­ten Hit lan­de und mor­gen vor 4 500 Leu­ten im Pal­la­di­um spie­le. Man muss auch bereit dafür sein. Natür­lich spie­le ich an Kar­ne­val in der Köln­are­na auch mal 15 Kon­zer­te vor 12 000 Leu­ten. Aber du weißt genau, dass die nicht für dich da sind. Das ist alles ganz ent­spannt. Oder vor 50 000 Men­schen bei der Sai­son­er­öff­nung des FC. Auch vogel­wild. Aber das ist noch ein­mal etwas ande­res. Mein Ziel ist, dass sich etwas bewegt und es auf einem gesun­den Level vor­an­geht. Was dann letz­ten Endes dabei her­aus­kommt, wird man sehen. Step by step. Aber kon­kre­te Zie­le? Nö. Gesund blei­ben wäre schon mal ganz gut!

(Stef­fen Bauer)
(Fotos von Bas­ti Sevastos)